Padberg. Eine emotionale Reise hat die jüdische Familie Rosenbaum aus Kalifornien in Marsberg angetreten. Ihre Vorfahren mussten vor den Nazis fliehen.
Für Herbert Rosenbaum (75) und seinen Sohn Greg (38) war es eine sehr emotionale Reise in die Vergangenheit ihrer Familie. Die Rosenbaums leben in Kalifornien. Sie sind Juden. Um 1900 ist ein Teil der Familie Rosenbaum von Padberg aus nach Amerika ausgewandert. Eine Tante ist hiergeblieben. Sie heiratete den Lehrer Meyerhof. Er war der letzte Lehrer der Judenschule in der Paulinenstraße in Marsberg. Auch der Großvater von Herbert Rosenbaum, Abraham Rosenbaum, ist in Padberg geblieben.
Lesen Sie auch:EU-Verbot: Steht das Vogelschießen vor dem Aus?
Erinnerungen
Der Vater von Herbert Rosenbaum, Hermann Rosenbaum, hatte als Erinnerung an die deutsche Heimat ein Gemälde in die neue Heimat mitgenommen. Es zeigt Padberg mit der neuen Kirche, den zwei Zwiebeltürmen und den Häusern davor. „Das Bild hing immer im Wohnzimmer meines Vaters“, erzählt Herbert Rosenbaum auf Englisch und blickt fasziniert zur Padberger Kirche mit ihrem gelben Anstrich. Als Übersetzerin haben sie ihre deutsche Freundin Jutta Gehle und ihren Partner Brian McNally aus Süddeutschland mitgebracht.
Für vier Tage waren die Rosenbaums jetzt in Marsberg zu Gast auf den Spuren ihrer Vorfahren. Begleitet wurden sie dabei von Gabriele Döschner vom Stadtarchiv und den Mitarbeitern Claudia und Thomas Linnenbrink.
Jüdischer Honigkuchen
Zuerst statten sie dem Heimatdorf der Rosenbaums, Padberg, einen Besuch ab. Herbert Rosenbaum war allerdings jetzt schon das dritte Mal dort. Beim letzten Besuch in Padberg vor etwa fünf Jahren sei er zufällig auf den Ortsheimatpfleger Norbert Becker gestoßen, erzählt er an der extra für die jüdischen Gäste hergerichteten Kaffeetafel auf dem neuen Dorfplatz und beißt herzhaft in ein Stück Honigkuchen, den Claudia Linnenbrink nach einem jüdischem Rezept gebacken hatte.
Lesen Sie auch: Nach dicker Luft knallt´s und dann gibt´s Sauerländer Sommer
Das Zusammentreffen mit Norbert Becker sei damals ein richtiger Glücksfall gewesen, so Herbert Rosenbaum weiter. Er habe ihm so viel von seiner Familie erzählt, die Norbert Becker persönlich noch kannte.
Die Familie Rosenbaum hat ein kleines Haus besessen. Es stand an der Stelle, an der jetzt der Kriegerehrenmal vor der Kirche in Nähe des Dorfplatzes steht. Dort ist der Name Ernst Rosenbaum mit in der Liste der gefallenen Soldaten im Ersten Weltkrieg aufgeführt. Ernst Rosenbaum war ein Onkel von Herbert Rosenbaum. Die Familie Rosenbaum hat dort ein kleines Geschäft geführt. Das Grundstück hat Abraham Rosenbaum der Gemeinde zur Verfügung gestellt, mit der Auflage, dort das Kriegerdenkmal zu errichten. Auch in der katholischen Kirche ist Ernst Rosenbaum auf der Gedenktafel mit den anderen Gefallenen aufgeführt.
Lesen Sie auch:Karl Olsberg: Thriller über Gefahren Künstlicher Intelligenz
Abraham Rosenbaum war Mitglied im Padberger Gemeinderat und der letzte Vorsteher der jüdischen Synagoge, die 1931 aufgelöst worden ist. Die kleine Fachwerksynagoge wurde danach als Stall von dem benachbarten Bauern mitgenutzt. Vor Jahren wurde sie aufwendig restauriert und gilt heute als einzig erhaltene Fachwerksynagoge in NRW.
Ehrennadel überreicht
Zum Empfangskomitee in Padberg war extra auch der Schützenvorstand in Uniform erschienen. Der Schützenoberst Michael Luckey überreichte Herbert Rosenbaum vor dem Ehrenmal eine Ehrennadel des Vereins und eine Schützenkrawatte mit Krawattennadel.
Lesen Sie auch:Wie der Gasthof „Mücke in Marsberg zu seinem Namen kam
Herbert und Greg Rosenbaum sind Sportschützen und freuten sich über das Geschenk ganz besonders. Bei ihrem Besuch in Padberg vor fünf Jahren war zufällig Schützenfest. Der deutsche Schützenbrauch mit Schießen auf einen Holzvogel „war damals eine ganz neue Erfahrung für uns“, lachen beide über das unvorhergesehen Erlebnis. Nach dem Besuch der Synagoge ging es auf den jüdischen Friedhof in Beringhausen.
Am nächsten Tag stand Marsberg auf dem Besuchsprogramm. Im Rathaus hieß Bürgermeister Thomas Schröder die amerikanischen Gäste aufs herzlichste willkommen.
In der jüdischen Schule durften die Gäste, einen Blick in die ehemalige Lehrerwohnung werfen. Die Schule wurde vor einigen Jahren an Privat verkauft. Das rote Backsteingebäude sieht von außen heute noch so aus, wie es erbaut worden ist.
1905 wurde es von der jüdischen Schulgemeinde bezogen. Seit 1911 war Levi Meyerhoff Lehrer der jüdischen Schule. Er war mit Anna Rosenbaum aus Padberg verheiratet. „Herr Meyerhoff war auch Kantor der jüdischen Gemeinde und ein sehr geachteter Mann in Marsberg“, schreibt Gudrun Banke in ihrem Erinnerungsbuch „Auf den Spuren der Marsberger Juden“.
Am 1. Juni 1934 wurde die Schule geschlossen. Die jüdischen Kinder mussten in eine christliche Volksschule wechseln. Der 50-jährige Lehrer Meyerhoff wurde zwangsweise in den Ruhestand versetzt. 1935 starb Lehrer Meyerhoff.
In Lehrerwohnung gewütet
Beim Novemberprognom 1938 wüteten SA-Leute auch in der Lehrerwohnung. Gudrun Banke: „Wie die anderen Marsberger Juden musste sich auch Anna Meyerhoff schriftlich verpflichten, die Emigration ihrer Familie beschleunigt zu betreiben.“ Zu dieser Zeit lebte auch ihr Vater Abraham Rosenbaum bei ihr. Er verstarb 1039.
1942 wurde Anna Meyerhoff und drei ihrer vier Kinder nach Ostpolen in das Ghetto von Zamocz deportiert. Anna Meyerhoff und ihr jüngster Sohn Helmut wurden vermutlich im Vernichtungslager Sobibor umgebracht. Die zwei anderen Kinder gelten als verschollen. Der älteste Sohn Werner konnte nach Amerika fliehen. Nach 1945 besuchte er als amerikanischer Soldat Marsberg.
Auch Herbert Rosenbaum diente bei der Armee in Kalifornien und hatte militärische Geschichte studiert. Jedes einzelne Wort über seine Vorfahren sog er auf wie ein nasser Schwamm. Er sei sehr glücklich in Padberg und Marsberg so gut aufgenommen worden zu sein, übersetzte die deutsche Begleiterin Jutta Gehle, und so vieles über seine Vorfahren erfahren zu haben.
Zuhause in Kalifornien werde er alle Informationen zusammentragen und seiner jüdischen Gemeinde vorstellen.