Medebach/Hallenberg. Die Bürgermeister von Medebach und Hallenberg sehen den ausgehandelten EU-Flüchtlingsdeal skeptisch. Medebachs Bürgermeister warnt.
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen haben seit Beginn des Ukraine-Krieges rund 230.000 geflüchtete Personen aus der Ukraine aufgenommen. Dazu kamen im Jahr 2022 rund 43.000 sogenannter Asylbegehrende. Für das Jahr 2023 werden weitere rund 55.000 Asylbewerber erwartet. Jetzt soll der viel diskutierte Flüchtlings-Deal der EU-Staaten auch Kommunen wie Medebach und Hallenberg entlasten. Doch die Bürgermeister der beiden Städte im Hochsauerlandkreis sind skeptisch, ob die beschlossenen Maßnahmen tatsächlich so schnell greifen können.
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Gefährdung des sozialen Friedens
„Die Diskrepanz zwischen der humanitären und rechtlichen Pflicht zur Aufnahme der Geflüchteten und den tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten wird immer größer. Es fehlen ausreichende Unterkünfte und Wohnraum; Kitas und Schulen sind überlastet und freie Plätze in Sprach‐ und Integrationskursen kaum verfügbar. Die derzeit bestehende Situation eines weitgehend unregulierten Zugangs von Personen ohne wirksamen Aufenthaltstitel nach Deutschland bedeutet trotz Bekenntnisses zur Einwanderungsgesellschaft eine ernsthafte Gefährdung des sozialen Friedens und muss geregelt werden“, fordert beispielsweise Medebachs Stadtoberhaupt Thomas Grosche.
Die Grenzen der Zuwanderung müsse den Grenzen der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft entsprechen – auch im Interesse der Flüchtlinge. Daher halte er die geplanten Maßnahmen der EU für sinnvoll und dringend notwendig. Aktuell sehe er jedoch noch keine konkreten Auswirkungen, da es erfahrungsgemäß eine ganze Weile dauere, bis Maßnahmen auf EU-Ebene vor Ort wirkten. Langfristig erhoffe er sich aber eine Entlastung der kommunalen Ebene.
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Angespannte Stimmung in Medebach
Insgesamt 262 aufgenommenen Flüchtlingen leben aktuell in Medebach. „In der Bevölkerung ist schon eine angespannte Stimmung spürbar, obwohl die Hilfsbereitschaft weiterhin groß ist. Aber sowohl das Ehrenamt, als auch die Verwaltung kommen bei der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge an Grenzen des leistbaren. Der Wohnungsmarkt ist, wie in anderen Kommunen auch, fast leer gefegt“, sagt Thomas Grosche.
Von den in Medebach aufgenommenen Flüchtlingen sei aktuell niemand aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland. Dies könne sich natürlich ändern, falls weitere Länder als sichere Herkunftsländer deklariert würden.
Die aufgenommenen Flüchtlinge seien zuletzt noch dezentral in angemieteten Privatunterkünften im gesamten Stadtgebiet untergebracht worden. Zukünftig werde auch eine zentrale Unterbringung für maximal 20 Personen in einem ehemaligen Gasthof in der Kernstadt erfolgen. Weitere zentrale Optionen würden derzeit von der Verwaltung geprüft. „Eine Unterbringung in unseren Turnhallen steht weiterhin nicht zur Debatte“, verspricht Grosche.
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Balance zwischen Humanität und Ordnung
Für den Bürgermeister von Hallenberg, Enrico Eppner, wäre ein Abklingen der Fluchtbewegung, „auf Grundlage einer sich verbesserten Situation“, wünschenswert. „In der Balance zwischen Humanität und Ordnung ist es positiv zu würdigen, dass nun ein europäisches Asylsystem wirklich gemeinsam reformiert werden kann“, sagt er. Eine Umsetzung der geplanten Maßnahmen sei aber zeitnah nicht zu erwarten. Man müsse erstmal abwarten.
Aktuell werden die von der EU ausgehandelten Änderungen so direkt aber nicht greifen. Nach der Einigung sollen Migranten mit geringen Aufnahmechancen - etwa aus der Türkei, Pakistan oder Albanien - künftig Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen durchlaufen. Bei einem negativen Bescheid könnten sie von dort direkt abgeschoben werden, damit sie erst gar nicht in die EU kommen. Doch in Hallenberg, Medebach und auch in Winterberg kommt derzeit kein einziger Flüchtling aus einem sicheren Herkunftsland.
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Und ein Problem ist weiterhin akut: Der Wohnungsmarkt ist erschöpft. Der Stadt Hallenberg stehe lediglich ein geringer Teil an Wohnungsreserven zur Verfügung. Die Stadtverwaltung suche daher aktiv nach Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen, sagt Bürgermeister Eppner.