Titmaringausen. In Titmaringhausen steht St. Antonius-Kapelle. Manches in ihrer Geschichte ist rätselhaft. Über den Fund der Gebeine ranken sich Mythen.

Am 18. Mai (Himmelfahrt/ Vatertag) feiern die Titmaringhäuser (Hochsauerlandkreis) einen besonderen Geburtstag. Mit einem großen Dorffest soll an die Errichtung der St. Antonius-Kapelle vor 400 Jahren in der Dorfmitte erinnert werden.

1623 - Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hatte auch vor dem Sauerland nicht Halt gemacht. Die Bewohner der Freigrafschaft Düdinghausen, zu der Titmaringhausen damals gehörte, wurden zusätzlich durch einen kleinen Grenzkrieg gebeutelt. Die anfangs katholischen Herren von Büren stritten sich mit den lutherischen Grafen von Waldeck um das Gebiet der Freigrafschaft Düdinghausen mit Deifeld, Wissinghausen, Referinghausen, Oberschledorn, Düdinghausen sowie Titmaringhausen auf heute westfälischem Boden und Eppe, Niederschleidern und Hillershausen, heute Hessen. Für die Menschen vor Ort ein schlimmer Zustand, teilweise forderten beide Seiten ihre Abgaben. Man stelle sich vor, wir sollten heute unsere Steuern doppelt zahlen…

Ehe zwischen Katholiken und Lutheranern völlig ausgeschlossen

Die Grenzstreitigkeiten gipfelten darin, dass sich gegenseitig die lebenswichtige Ernte direkt von den Feldern und Holz aus dem Wald gestohlen wurde. Mühlen gingen in Flammen auf und sogar vor Mord schreckte man nicht zurück.

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Und dazu kam auch noch die Religionszugehörigkeit, die damals einen viel höheren Stellenwert als heute innehatte. Denn damals galt, dass das Volk den gleichen Lehren wie sein Landesherr angehören musste und wechselte der, stand mitunter auch die Religionszugehörigkeit auf dem Spiel und der Untertan hatte unter Umständen eine neue Konfession anzunehmen. Und das passierte in der Freigrafschaft mehr als einmal. Da eine Ehe zwischen Katholiken und Lutheranern völlig ausgeschlossen war, heiratete ein Katholik aus Titmaringhausen zum Beispiel bis nach Schmallenberg, aber nicht über den Berg ins lutherische Usseln.

Der Weg über einen anderen Berg wurde ihnen indes nicht erspart: Mitunter jeden Morgen, zumindest aber am Sonntag, mussten die Dorfbewohner den alten „Kerkenpad“ (Kirchenpfad) über den Twedberg erklimmen, um in der benachbarten Muttergemeinde des Kirchspiels Deifeld die Heilige Messe zu besuchen.

Im Jahr 1623 Entschluss ein eigenes Gotteshaus zu bauen

Die St. Antonius-Kapelle ist 400 Jahre alt.
Die St. Antonius-Kapelle ist 400 Jahre alt. © Claudia Pape

1623 entschlossen sich die Titmaringhäuser dann aber offenbar, ein eigenes kleines Gotteshaus zu errichten. Einige Jahre später, 1639, stifteten die zwei Titmaringhäuser Bürger Jodokus Henschen und Joes Fresen die erste Glocke mit der Inschrift: Titmarkausen fini fecit odoc Henschen et io Fresen 1639. Bis heute versieht sie ihren Dienst, denn als einzige Glocke des Ortes und mit 90 Kilo auch noch recht klein, war sie selbst Hitlers Rüstungsindustrie anscheinend zu unbedeutend. Titmaringhausen durfte seine Glocke behalten. Seit 1947 wird sie von der Antoniusglocke und der Michaelsglocke unterstützt.

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Der Weg nach Deifeld mussten die Gläubigen aber immer noch in Kauf nehmen, denn einen eigenen Geistlichen gab es nicht und das sollte auch die nächsten 300 Jahre so bleiben, nur hin und wieder fanden katholische Gottesdienste in der kleinen Kapelle statt. Als die Bevölkerung Ende des 18. Jahrhunderts langsam anstieg, wurde die Kapelle 1879 um den heutigen Altarraum erweitert. 1923, St. Antonius wurde 300 Jahre alt, gab es die bisher größte Erweiterung: Der dicke Turm im Osten wurde angebaut und der Altar, der üblicherweise immer Richtung Osten liegt, wurde in den Westen verlegt. Bei den Bauarbeiten wurde ein Eichenrahmen beim Abbruch der alten Ostwand gefunden. Er trägt die Inschrift: Iacob Andres bin ich genand – mein Leben steht in Gottes Hand – Anno Christi 1623. Dieser Rahmen gilt heute als Beweis für das Alter der Kapelle.

Gebeine eines Erwachsenen und fünf Kinder unter dicker Kalkschicht

Eichenrahmen St. Antonius-Kapelle Titmaringhausen.
Eichenrahmen St. Antonius-Kapelle Titmaringhausen. © Claudia Pape

Außerdem kamen damals im Boden unter einer 10 Zentimeter dicken Kalkschicht die Gebeine eines Erwachsenen und fünf Kinder ans Tageslicht. Daneben fand sich ein kleiner Tonkrug. War den Verstorbenen eine Wegzehrung mit gegeben worden oder handelt es sich hierbei eventuell um einen Schallkörper, die früher manchmal im Boden von Kirchen eingebaut wurden oder hatte ein Bauarbeiter einfach seine „Brotdose“ vergessen? Waren die Toten in Pestzeiten beerdigt worden? Die dicke Kalkschicht spräche zumindest für eine Infektionskrankheit, denn Kalk wurde damals zu Desinfektionszwecken verwandt und sorgte durch seine Hitzeentwicklung auch für eine schnellere Verwesung der Toten. Aber all dies ist dem Reich der Spekulationen vorbehalten.

Zeitgleich trennten sich Referinghausen und Titmaringhausen von Deifeld und zusammen bekamen sie einen eigenen Vikar. Nun gab es endlich regelmäßig Gottesdienste im Wechsel. Der Vikar wohnte in Referinghausen und musste zur Messe von den Titmaringhäusern von dort mit einem Pferdewagen abgeholt werden. Dieser Verpflichtung kamen die Titmaringhäuser aber wohl nicht immer ganz so zuverlässig nach. Der Vikar beschwerte sich in Paderborn, dass man ihn des öfteren vergessen habe.

Zum 400. Jubiläum ein großes Dorffest

1951 folgte ein Sakristeianbau. Bis dahin hatten der Pastor und die Messdiener sich in einer engen Nische hinter dem Hochaltar umgezogen. 1954, die Bevölkerung in den Ortschaften wuchs auch aufgrund der Flüchtlingswellen nach dem II. Weltkrieg stark an, reichte der Platz wieder nicht – für einen weiteren Anbau aber auch nicht. Im Süden befand sich “Hof“ Garten , im Westen die Schule, im Norden die Straße und der “Knaupeshof“ - und im Osten? Da floss die Wilde Aa direkt an der Kirchenmauer entlang. Zunächst erwog man einen Neubau an anderer Stelle, doch dann wagte man etwas Besonderes: Es wurde über den Bach gebaut. Dies sollte sich als erfolgreich erweisen, denn Jahre später wiederholte man dieses Vorgehensweise beim Sportplatz noch einmal.

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Mittlerweile ist es aber wie vielerorts: Die ursprüngliche Kapelle von 1623 würde alle Gläubigen wieder mühelos aufnehmen – außer an Schützenfest!

Vor einhundert Jahren, zum 300-jährigen Kapellenjubiläum bekam St. Antonius ein besonderes Geschenk: den dicken Turm. Und auch 2023 zum 400. Geburtstag gibt es ein Geschenk: Zum Jubiläum schenkt die Dorfgemeinschaft Titmaringhausen sich selbst und ihrem kleinen Gotteshaus ein großes Dorffest mit Regionalmarkt, Musik und kleiner Kapellenausstellung zu dem viele Gäste und Freunde eingeladen sind. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt. Wer also noch nicht weiß, was er am 18. Mai machen soll, der sollte sich Titmaringhausen in den Kalender schreiben. pap