Brilon. Im Sauerland gibt es oft Abneigung gegen die Grünen. Bastian Grunwald und Armin Schubert sind Parteisprecher in Brilon. Sie sehen das mit Sorge
Die Grünen haben es im Raum Brilon nicht leicht: In Madfeld marschieren die Karnevalisten mit „Fck Grüne“-Aufklebern durch das Dorf, in Olsberg verbietet ein Wirt den Bundesgrünen den Zutritt zum Restaurant. In den Kommentaren bei Facebook regnet es Hass auf die Umweltschutzpartei. In Winterberg, Hallenberg und Medebach sind die Grünen überhaupt nicht vertreten. Grund genug, einmal direkt bei den beiden Sprechern der Grünen in Brilon nachzuhören, warum die Partei im Sauerland scheinbar keinen Fuß auf den Boden bekommt.
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Armin Schubert ist 59-Jahre alt und ein Spätberufener. 2007, erzählt er, habe ihm der Sturm Kyrill die Augen geöffnet: „Die ganze Zerstörung, die der Sturm hervorgerufen hat. Zum ersten mal bin ich mir so richtig bewusst geworden, welche Gewalt die Natur entwickeln kann“. Für Schubert ist das ein Schlüsselereignis: Er beginnt sich zunehmend für Umweltschutz zu interessieren, modernisiert sein Haus und nimmt schließlich Kontakt zu Greenpeace auf. Die gibt es aber in dieser Gegend nur in Paderborn. Dort steht er dann oft an den Wochenenden in der Fußgängerzone, um seine Botschaft unter das Volk zu bringen: „Irgendwann habe ich mich aber gefragt, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn ich mich vor Ort in Brilon engagiere“.
Sprecher zieht aus Berlin nach Brilon
Zeitlich passte das auch ganz gut. In Brilon wurde 2019 der erste Stadtverband der Grünen gegründet. Einer der Initiatoren war Bastian Grunwald, der zweite Sprecher neben Armin Schubert.
Irgendwann mit dem Leben in der Stadt gefremdelt
Grunwald lebt seit 2015 in Brilon. 26 Jahre war der Nachwuchspolitiker in Berlin wohnhaft, dann zog es ihn aufs Land: „Ein guter Freund war gerade nach Brilon gezogen und ich habe irgendwann mit dem Leben in der Stadt gefremdelt. Ich wollte aufs Land, in die Natur“, erinnert sich der heute 34-Jährige. Grunwald zieht seinen Wunsch durch: Er verlässt die Metropole, lässt seine Familie hinter sich und zieht nach Brilon. In Berlin war er nicht auf einen Führerschein angewiesen, in Brilon stieß er zunächst auf Probleme: „Ich hatte noch mal eine Ausbildung als Tischler angefangen. Ich dachte mir, wenn ich jetzt schon auf dem Land lebe, dann will ich auch was mit der Natur machen“, erzählt Grunwald, der mittlerweile als Schulbegleiter bei der Lebenshilfe arbeitet. Das Gehalt war niedrig, das Arbeitspensum hoch. Viele Wege erledigte Grunwald zu Fuß, der damals noch in Gudenhagen wohnte: „Irgendwann habe ich es aber einfach nicht mehr geschafft“. Die Ausbildung bricht er ab und wird wieder im sozialen Bereich tätig: „Das liegt mir auch einfach viel besser“, so Grunwald. Der größte Kulturschock im Sauerland war für ihn kulinarischer Natur: „Ich wollte mir im Dönerladen ein Halloumi-Sandwich bestellen und wurde nur ungläubig angeschaut“, berichtet Grunwald, der überwiegend vegetarisch lebt.
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In Berlin hatte er bereits Erfahrung bei vielen Umweltschutzkampagnen gemacht. Parteipolitik kam für ihn noch nicht infrage. Erst als er in Brilon die Fridays for Future Demos organisierte, kam auch der erste Kontakt mit den grünen Mitstreitern zustande. Er tritt bei, wird Sprecher und im Jahr 2022 sogar Landtagskandidat der Grünen. Er verdreifacht das Ergebnis, liegt insgesamt aber deutlich hinter den Kandidaten der CDU und der SPD: „Für mich war das aber trotzdem eine gute Erfahrung. Vor allem hat es mir bei der Vernetzung geholfen“, sagt der Grüne. Aber auch auf der Straße würde er mittlerweile häufiger angesprochen.
Viel zu tun, aber wenig Mitglieder
Aktuell haben die Grünen in Brilon zwischen 20 und 30 Mitgliedern. Das mache es schwer: „Wir müssen ja alles selbst machen“, erzählt Armin Schubert. „Plakate kleben, Flyer verteilen oder Wahlkampfstände betreuen“, das sei für eine so kleine Partei schon eine logistische Meisterleistung, findet Schubert. Er selbst würde gerne mehr Präsenz zeigen: „Letztens war zum Beispiel der Verkehrsminister vor Ort beim Spatenstich in Brilon-Wald. Da wäre ich gerne hingegangen“. Er würde dann angesprochen, warum die Grünen bei solchen Terminen nicht vor Ort seien: „Aber das ist für uns häufig nicht machbar, wir müssen ja auch arbeiten“, sagt Schubert.
Beide Sprecher fragen sich, woher die Ablehnung gegenüber den Grünen kommt. Aktionen, wie die vom Wirt in Olsberg, der den Grünen den Zutritt verweigert, lassen sie dabei aber kalt: „Die ganze Diskussion darum ist doch lächerlich. Wenn der Wirt die Grünen nicht dabeihaben will, dann ist das im Endeffekt doch sein Problem“, sagt Grunwald.
Ärgerlich finden die beiden aber, wenn ihre Anträge im Stadtrat nur stiefmütterlich behandelt werden. Sie selbst sind der Überzeugung, dass die Stadt zu wenig tut, Zeit verplempert. Maßnahmen müssten jetzt beschlossen werden.
Grüne denken in Ultimaten, nicht in Zeiträumen
Hier offenbart sich auch der größte Unterschied zu den meisten im Stadtrat vertretenen Parteien. Die Grünen denken nicht in Zeiträumen, die Grünen denken in Ultimaten. Entscheidungen, selbst auf lokalster Ebene, seien existenzielle Grundlage für die Zukunft der nächsten Generation. Die Grünen haben die Apokalypse, den klimatischen Zusammenbruch der Gesellschaft stets vor Augen. Kleiner geht es nicht. Aus dieser Sicht handeln die Grünen konsequent, aus Sicht der anderen Parteien und auch vieler Bürger schießen die Umweltschützer damit über das Ziel hinaus. Sie verstehen die Sprache der Partei nicht. Vorschriften werden als übergriffig empfunden.
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Trotzdem seien die beiden keine Dogmatiker, keine Menschen, die anderen Vorschriften machen wollten, auch wenn das manchmal den Eindruck mache: „Wir sind als Grüne immer als Verbotspartei verschrien, dabei fordern wir nur, was notwendig ist“, so ihre Sicht auf die Situation. Mit Kritik hätten die beiden kein Problem: „Ich diskutiere ja oft bei Facebook in den Kommentaren“, erzählt Grunwald. Ärgern würde es ihn aber häufig, wenn statt Argumenten nur Beleidigungen ausgetauscht würden: „Dabei bin ich auf jeden Fall auch für andere Meinungen zugänglich“, meint Grunwald.
Auch mal mit dem Nachbar einkaufen fahren
So hegen Grunwald und Schuster auch keine grundsätzliche Abneigung gegen das Auto und sind sich bewusst, dass im ländlichen Raum der ÖPNV keine Alternative darstelle. Trotzdem sagt Grunwald auch klar: „Der Individualverkehr ist nicht die Zukunft“. Stattdessen könne man sich zum Einkaufen auch mal mit seinen Nachbarn zusammentun, um die zusätzlichen Fahrten einzusparen. Auch Schubert findet, man müsse den Individualverkehr einschränken. Selber ist er aber auf ein Auto angewiesen: „Unser zweites Auto haben wir abgeschafft, ich brauche aber eines, um zu meiner Arbeitsstelle nach Bad Wünnenberg zu kommen“. Um die Situation im ÖPNV zu verbessern, will Schubert vor allem auch auf den Schienenverkehr setzen: „Die Almetalbahn könnte wieder aktiviert werden“, so sein Vorschlag. Auch zwischen Brilon und Rüthen lägen Gleise, die wieder in Betrieb genommen werden könnten.
Bastian Grunwald findet, dass es auch nicht immer die ganz großen Sachen sein müssten, um auch persönlich für mehr Umweltschutz zu sorgen: „Man könnte zum Beispiel mal ausprobieren, einen Monat kein Fleisch zu essen oder versuchen, so weit wie möglich auf Plastikverpackungen zu verzichten“. Auch das könne zu einer umweltfreundlicheren Zukunft beitragen.
Und Bastian Grunwald hat jeden Grund, auch selbst positiv in die Zukunft zu schauen: Im August erwartet er mit seiner Freundin Jenny sein erstes Kind.