Marsberg. Er spuckt Blut. Elle und Speiche der rechten Schwinge sind zertrümmert. Spaziergänger finden einen Fischadler in der Nähe eines Windrades.
Eigentlich soll es nur ein sonniger Frühlingsspaziergang werden. Doch dann entwickelt sich der Ausflug ins Grüne für Stefan und Lena Heine aus Giershagen im östlichen Hochsauerlandkreis dramatisch. „Wegen des guten Wetters sind wir mit unseren Hunden zum „Webbel“ gefahren“, sagt Stefan Heine. Die Gegend an der Landesgrenze von NRW und Hessen sei bei Hundebesitzern sehr beliebt: „Viele Felder, Wege - man kann sich das so ein bisschen vorstellen wie das Aatal“, zieht der gebürtige Briloner einen Vergleich zu seiner alten Heimat. Mittendrin gewaltige Windräder.
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Schwer verletzter Fischadler: Anruf bei Wildtierstation Essenthoer Mühle
Stefan Heine: „Als wir an einem der großen Windräder vorbei liefen, haben plötzlich die Hunde reagiert.“ Der Grund ist schnell gefunden: „Direkt unter dem Windrad saß da dieser große Vogel im Feld.“ Ihnen sei gleich klar gewesen, dass sie dem verletzten Tier helfen müssen, halten es zunächst für einigermaßen stabil: „Weil er uns auch die ganze Zeit angeguckt hat.“ Sie rufen sofort in der Wildtierstation Essenthoer Mühle an und melden den Fund. „Die waren wirklich sehr freundlich und haben uns auch noch Tipps gegeben, wie wir den Vogel am besten einfangen.“ Als das gelungen ist, machen sich die zweifachen Eltern auf direktem Weg nach Hause, um die Hunde wegzubringen und den Vogel für die Weiterfahrt zur Wildtierstation in einer Transportbox zu sichern. Dort die große Ernüchterung. „Oh nein!“, habe eine Mitarbeiterin ausgerufen. „Ein Fischadler!“„Ich wusste gar nicht, dass diese Tiere hier bei uns vorkommen “, sagt Heilerziehungspfleger Stefan Heine.
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Schwer verletzter Fischadler: Blut gespuckt und nach Luft geschnappt
Helfen können die Mitarbeiter der Essenthoer Mühle dem Fischadler nicht mehr. Bei der Ankunft habe er bereits Blut gespuckt und nach Luft geschnappt. Es bleibt nur das sofortige Einschläfern.
Auf Nachfrage erläutert die Wildtierstation der WP die schweren Verletzungen des Fischadlers: Elle und Speiche der rechten Schwinge sind offen zertrümmert, Handschwinge mehrfach umwickelt. Trümmerbrüche bei Schlagopfern seien aufgrund der besonderen Knochenstruktur von Vögeln die Regel. Da sie leichter und damit zum Fliegen günstiger sind, verfügen Vögel über mit Luftkammern gefüllte Röhrenknochen, die bei Verletzungen leicht splittern. Mehr Glück als dieser Fischadler hat ein von einem Windrad verletzter Mäusebussard aus Amelunxen gehabt, der im November mit einem glatten Bruch der Elle zur Station gebracht wurde und am 26. März wieder ausgewildert werden konnte.
Schwer verletzter Fischadler: Kritik vom VNV an Windradplanung
Neben den vielen Totfunden in der Nähe von Windkraftanlagen bekomme die Station auch „wirklich etliche“ Schlagopfer geliefert. Die Tiere, die es nicht schaffen, werden von der Station an Tobias Dürr vom LfU, dem Landesamt für Natur und Umwelt Brandenburg, gemeldet. Im HSK und in Hessen habe es bisher keine Fischadler als Schlagopfer gegeben, so Tobias Dürr. „In der Datensammlung, die wir seit 2002 führen, ist er allerdings das bundesweit 49. Opfer dieser Vogelart.“ Da der seltene Vogel nicht beringt und registriert gewesen sei, könne man nicht rekonstruieren, ob es ein Durchzügler war und vielleicht noch viel weiter weg gewollt hätte. „Von der Zeit her passt es auf jeden Fall in das Zuggeschehen hinein,“ so Dürr.
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Und damit seien wird schon bei einem großen Problem, meint Franz-Josef Stein aus Madfeld, Vorstandsmitglied im Verein für Natur- und Vogelschutz im HSK (VNV). „Flugrouten von Zugvögeln werden bei der Erstellung von Gutachten zu Windkraftanlagen überhaupt nicht berücksichtigt“, erklärt er: „Wir machen vom VNV Zugvogelbeobachtungen, tragen die Ergebnisse in unseren Stellungnahmen vor, aber es passiert dann nichts.“ Auch seien ständig hohe Schlagopferzahlen insbesondere von Rotmilan und Mäusebussard zu beklagen. Die Brutplätze würden zwar berücksichtigt. Dies führe dann aber nicht etwa dazu, dass die geplante Windkraftanlage nicht gebaut wird. Stattdessen würde man versuchen, die Brutpaare in ein sicheres Gebiet zu locken. Das funktioniere erfahrungsgemäß jedoch nicht so einfach. Auch auf Briloner Stadtgebiet würden derzeit Anlagen geplant, in deren Umkreis von etwa 500 Metern bekannt Rotmilane brüten, kritisiert Stein: „Wir müssen die Anlagen unbedingt dort bauen, wo sie möglichst wenig problematisch für die Natur und Tiere sind. De facto werden sie am Ende aber von den Investoren geplant“. In Gutachten stehe dann immer das Gleiche: Es gebe kein erhöhtes Tötungsrisiko. Die zahlreichen Opfer würden aber eine andere Sprache sprechen.