Brilon. Eine Betreuerin aus Brilon soll vom Konto eines Wachkoma-Patienten 14.000 Euro überwiesen haben - an eine spirituelle Geistheilerin.
„Was macht man mit dem Geld eines Wachkomapatienten?“ Diese Frage stellt Rechtsanwältin Silke Paulin an diesem Dienstagmorgen im Verhandlungssaal des Briloner Amtsgerichts mit Nachdruck. Ihrer Mandantin, der gesetzlichen Betreuerin eines jungen Mannes, der im Wachkoma liegt, wurde zur Last gelegt, 14.000 Euro vom Konto ihres Klienten für eine energetische Behandlung auf das einer sogenannten Geistheilerin überwiesen zu haben. Dabei habe die Betreuerin ihre Befugnisse in der Vermögensverwaltung ihres Klienten überschritten. In einem vorherigen Zivilgerichtsprozess habe es durch die Berufshaftpflichtversicherung der Angeklagten bereits eine umfangreiche Schadensersatzzahlung gegeben.
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„Die Beklagte ist sich jedoch keiner strafrechtlichen Schuld bewusst“, so Silke Paulin: „Von unserer Seite besteht kein Zweifel daran, dass bei der Beauftragung und der energetischen Heilmethode keine medizinische Wirksamkeit besteht. Aber meiner Mandantin wird hier ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht, den wir nicht nachvollziehen können.“ Ihre Mandantin sei selbst überzeugte Nutzerin dieser spirituellen Methode und habe bei der Beauftragung nach dem mutmaßlichen Wunsch und Wille ihres Klienten gehandelt.
Wöchentliche Telefonate mit der Heilerin
Die Gewissheit, dass der Wachkomapatient einer solchen Behandlung zugestimmt hätte, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, begründet die Angeklagte aus dem Raum Brilon mit einer Fremd-Anamnese. Sie habe in seiner Wohnung CDs mit Goa-Musik und Plakate mit Mandalas gefunden. Außerdem habe sie durch Internetrecherche und eine Freundin ihres Klienten genug von seiner Lebensgeschichte erfahren, um bei ihm eine Präferenz für das Spirituelle festzustellen.
Über eine tatsächliche Erbringung der Leistung sowie ein objektiv messbares Ergebnis wurde aus Sicht der Strafanwaltschaft kein Nachweis erbracht. Der Aufforderung von Richter Dietmar Härtel, den Vorgang einer solchen energetischen Anwendung zu schildern, kann die Angeklagte nicht nachkommen. Sie erklärt lediglich, dass die Heilerin ihren Klienten aus der Ferne energetisch behandelt habe. Über den Fortschritt der Behandlung habe sie sich durch wöchentliche Telefonate mit der Heilerin überzeugen können. „Ich habe es bei Wikipedia nachgeschlagen, es ist eine alternative Behandlungsmethode“, fügt Silke Paulin hinzu. Es sei eine Form der spirituellen Energieübertragung, für die man nicht ausgebildet sein müsse.
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Richter Härtel reagierte auf die Schilderungen der Anwältin und der Angeklagten mit Unverständnis. Sie als Befugte zur Reglung der finanziellen Interessen des Betreuten müsse bei Behandlungsausgaben doch sicherstellen, dass eine Leistungserbringung gegenüber Dritten nachgewiesen werden kann. Dabei dürfe sie, auch wenn sie selbst an diese energetischen Heilmethoden glaube, nicht dieselben Maßstäbe anlegen wie bei sich selbst. Das Gericht könne jedoch keine Schädigungsabsicht in dem Handeln der Betreuerin erkennen. Der Strafanwaltschaft zufolge bestehe aufgrund der fehlenden Schuldeinsicht der Angeklagten und ihres Glaubens an die Wirksamkeit solcher Methoden außerdem die Gefahr, dass sie als Berufsbetreuerin anderer Menschen auch zukünftig so handeln könnte.
Geldbuße von insgesamt 6000 Euro
Auf Beschluss des Amtsgerichts Brilon wird die Angeklagte mit einer Geldbuße von insgesamt 6000 Euro belegt, die sie in Raten über einen Zeitraum von sechs Monaten an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen hat. Die Angeklagte wählt das Tierheim Brilon als Empfänger dieser Zahlungen. Für die Dauer dieser sechs Monate wird das Verfahren eingestellt und nach vollständiger Begleichung des Bußgeldes geschlossen.