Marsberg. Schäferhündin Kira kam als Welpe in einen engen Zwinger und lebte dort zwölf Jahre lang. Jetzt hat sie ein liebevolles Heim gefunden.

Achtzig Quadratmeter Wohnfläche im Untergeschoss eines Hauses: Für Kira ist das die Welt, das Planetensystem. Wer zwölf Jahre nur in einem Zwinger verbracht hat, kann so viel Raum gar nicht einnehmen. Der traut sich gar nicht erst, die restliche Welt zu erkunden. Wer nur auf Beton geschlafen hat, für den ist eine Schmutzfangmatte ein Himmelbett. Für den sind Kuscheldecken oder gepolsterte Matten eine Sinnestäuschung. Der Garten ist 800 Quadratmeter groß. Das Universum. Für kleine oder größere Geschäfte nutzt sie nur einen kleinen Streifen. Und dann wieder zurück auf die Matte.

Kira hat ein neues Zuhause gefunden. Vor einer Woche berichteten wir über das Schicksal der Schäferhündin. Der Tierschutzverein Marsberg hatte sich ihrer angenommen. Elke Heinemann: „Als Welpe kam die Hündin in den Zwinger eines Bauernhofes im angrenzenden Raum Paderborn. Mehr lernte sie nicht kennen. Der Besitzer musste erst sterben, dann wollten die Erben den Hund nicht, das war seine Rettung.“ Die Fotos vom Zwinger und der Haltungsumgebung sind ernüchternd. Das Tier hatte laut Verein Tumore an der Gebärmutter, an den Eierstöcken und am Gesäuge. Aber der Tierarzt sieht nach wie vor gute Heilungschancen.

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In diesem Zwinger wurde Schäferhündin Kira gehalten.
In diesem Zwinger wurde Schäferhündin Kira gehalten. © WP | WP

Kira lebt inzwischen in Bad Salzuflen

Inzwischen ist Kira operiert, eine zweite OP steht noch aus. Mit einem Aufruf, den unserer Zeitung veröffentlicht hatte, bat der Tierschutzverein um Spenden für Kira. Und inzwischen sind unglaubliche 3425 Euro auf dem Konto des Vereins eingegangen. Elke Heinemann: „Allen, die gespendet haben, ein ganz großes Dankeschön. Im Mai wird die zweite Gesäugeleiste operiert; sollte noch Geld eingehen, wird auch die OP davon bezahlt. Es kommen täglich noch Geldeingänge, selbst der kleinste Betrag hilft dabei, ein Tier zu retten. Und dieser Hund, wie viele andere auch, hat es so sehr verdient. Man muss sich mal vorstellen, von der Mutterhündin weg, von den Geschwistern getrennt und sich dann alleine in einem Zwinger wieder zu finden, für lange 12 Jahre!“

Kira geht es besser, aber der Weg zurück ins Leben ist lang.
Kira geht es besser, aber der Weg zurück ins Leben ist lang. © WP | WP

Kira lebt inzwischen in Bad Salzuflen. Die neue Halterin und ihr Partner möchten namentlich nicht in Erscheinung treten. Kira ist ihr fünfter Hund. Einer geschundenen Tierseele noch ein paar schöne Jahre zu schenken – das ist ihnen eine Herzensangelegenheit. „Es gibt Menschen, die Tieren böse Dinge antun. Und es gibt Menschen, die zumindest versuchen, einiges wieder gut zu machen. Sofern das überhaupt geht. Der Hund hat eine schwere Zeit gehabt. Dass er nun eine schöne Zeit bekommt, dass er erfährt, es gibt auch eine bessere Welt, das ist für uns wichtig – auch wenn dann der Tod eine große Belastung für uns sein wird.“ Die Halterin weiß, wovon sie spricht. Das letzte vierbeinige Familienmitglied hatte eine schwere Bauchspeicheldrüsenerkrankung. Es kam mit zehn Jahren in das neue Zuhause und lebte dort noch zweieinhalb Jahre.

Sie verträgt keine lauten Stimmen und kein Stimmengewirr

Einem alten, kranken Hund das erste Mal in seinem Leben ein Zuhause zu geben, ist eine Herausforderung. „Der Wechsel vom Zwinger in eine Wohnung fällt Kira schwer. Alle Annehmlichkeiten, die wir für sie gekauft haben, ignoriert sie. Die Schmutzfangmatte oder die blanken Fliesen genügen ihr. Ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht vielleicht auch blind ist. Wenn wir über eine Bürgersteigkante gehen, dann stolpert sie“, erklärt das neue „Frauchen“ von Kira. Aber vermutlich hat der Hund nie in seinem Leben einen Bürgersteig oder ein Terrain außerhalb des Zwingers gesehen. Kira kann ihren neuen Raum gar nicht aufnehmen. „Sie geht ihren Weg und wir können nur versuchen ihn zu ebnen.“ Der Fernseher der Familie blieb in den Anfangstagen stumm. Sie verträgt keine lauten Stimmen und kein Stimmengewirr. Dennoch weiß sie, wo sie jetzt hingehört. Hört sie die Stimmen ihrer Menschen, steht sie mühsam auf, wedelt mit dem Schwanz, lässt sich streicheln und lässt sogar Körperkontakt zu. Dass sie sich vor lauter Glück auf den Rücken werfen und den Bauch kraulen lassen würde – davon ist sie noch weit entfernt. Aber der Hund hat gespürt, dass in den ersten Tagen jemand neben ihm auf der Couch schlief, der immer einen Arm über die Lehne baumeln ließ, zum Streicheln zum Dran-Schnüffeln-Lassen, zum Einfach-Nur-Da-Sein.

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„Auch der Tierarzt hat gesagt, dass Kira total lieb ist. Beim Fädenziehen oder beim Abhorchen hat sie nicht einmal geknurrt“, sagt die neue Besitzerin, die sich ausdrücklich für die unglaubliche Spendenbereitschaft bedankt. Kira weiß inzwischen, wo sie hingehört. Aber zwölf Jahre lassen sich nicht mal eben abschütteln. „Es wird alles ganz langsam gehen müssen, nach ihrem Tempo.“ Raus aus einer betonkalten Miniaturwelt in den großen Kosmos Welt, der manchmal sehr brutal sein kann, wo aber immer wieder noch Funken der Hoffnung glimmen…