Brilon/Winterberg. Der Bahnticket-Dschungel ist irrsinnig kompliziert. Satte 2500 Bahntarife gibt es. Im HSK eine persönliche Beratung zu bekommen, ist strapaziös.
Die Deutsche Bahn wird digitaler. Doch, wer beim Ticket-Kauf eine persönliche Beratung sucht, für den wird es immer schwieriger. Inzwischen gibt es im östlichen Hochsauerlandkreis nur noch in Brilon und in Olsberg DB-Agenturen. Die Briloner Agentur-Betreiberin erklärt, woran das liegt.
„Viele Kunden haben Beratungsbedarf“
Karin Schreckenberg, Inhaberin des Via-Soluna-Reisebüros in Brilon, ist mit ihrem Reisebüro auch DB-Agentur. Sie berät Bahnkunden und verkauft vor Ort Tickets. Diesen Service bietet inzwischen im Altkreis Brilon außer ihrem Reisebüro nur noch die DB- und Ameropa-Agentur der Touristik- und Stadtmarketing GmbH Olsberg an. Weitere Agenturen im näheren Umkreis gibt es z.B. noch in Bestwig und Warburg. Die Briloner Reise- und Bahn-Expertin sieht es sehr kritisch, dass nach und nach immer mehr DB-Agenturen im Sauerland wegfallen. Bis Juli 2022 Agentur gab es noch eine Agentur in Marsberg, bis Dezember 2021 eine in Winterberg. Beide sind inzwischen geschlossen. Karin Schreckenberg befürchtet: „Irgendwann gibt es DB-Agenturen bei uns gar nicht mehr. Dabei sind wir sehr wichtig für die Bahnkunden hier vor Ort. Gerade viele Ältere haben Beratungsbedarf und möchten ihr Ticket gerne in einer DB-Agentur kaufen. Das ist auch verständlich. Immerhin gibt es ca. 2.500 Bahntarife. Das macht es für die Kunden sehr schwierig.“
Kunden nehmen weite Wege in Kauf
Die Reisebüro-Inhaberin hat festgestellt, dass inzwischen viele Bahnkunden auch weite Wege in Kauf nehmen, um im Tarifdschungel eine Beratung zu bekommen. So würden seit dem Wegfall der Bahn-Agentur in Winterberg gerade auch ältere Kunden bis zu ihr nach Brilon fahren. „Nach bisherigen Planungen soll das 49-Euro-Ticket nur digital und nur als Abo kommen. Das ist für uns existenzbedrohend, die DB-Agenturen werden von der Bearbeitung ausgeschlossen und damit auch von den dadurch zu erzielenden Einnahmen, während ihnen die Umsätze der normalen Nahverkehrstickets wegbrechen”, so Schreckenberg.
49-Euro-Ticket: „Unpraktisch geplant“
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Sie erklärt: „Das bedeutet, dass den DB-Agenturen, die ausdrücklich politisch gewollt sind, um eine flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, 50 bis 70 Prozent der Einnahmen wegbrechen und dies eine große Zahl von Betriebsschließungen zur Folge haben dürfte, zumal wir viele Vorgaben der Bahn erfüllen müssen, wie zum Beispiel bestimmte Öffnungszeiten und Fortbildungen. Auch aus Kundensicht ist ihrer Ansicht nach das 49-Euro-Ticket völlig unpraktisch geplant: „Wer das Angebot nur einen Monat nutzen will, muss es erst buchen und dann wieder kündigen. Da war das 9-Euro-Ticket wirklich viel einfacher konzipiert.“
Keine DB-Agentur in Winterberg mehr
In Winterberg hat sich die DB 2013 mit eigenem Personal vom Winterberger Bahnhof zurückgezogen. Rabea Kappen, Sprecherin der Stadt Winterberg teilt dazu mit, dass die DB zum damaligen Zeitpunkt verpflichtet gewesen sei, eine Präsenzagentur am Standort Winterberg vorzuhalten. Doch offenbar zeigte sich dort das, was die Briloner Reisefachfrau kritisiert: „Da die Konditionen eines Agenturbetriebs aus Sicht des Einzelhandels und auch der hiesigen Reisebüros, insbesondere aufgrund des damit verbundenen zeitlichen Aufwandes bei geringen Provisionen, als nicht interessant eingestuft wurden, wollte kein Betrieb eine DB-Agentur zu betreiben.“
Ticketautomat mit Beratungsfunktion
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Deshalb sei die DB auf die WTW zugegangen, die dann die Aufgabe zunächst in den Räumlichkeiten der WTW und später dann im Bürgerbahnhof übernommen habe. Allerdings seien die Umsätze und die Inanspruchnahme der Agentur bereits vor Corona erheblich kontinuierlich zurückgegangen. Die Zahlen, die der Stadt seitens der DB avisieret wurden, seien nie erreicht wurden. Sie erklärt: „Ein wirtschaftlicher Betrieb war nicht mehr möglich. Der Online-Verkauf und der Verkauf an den Automaten haben dagegen deutlich zugenommen.“ Installiert wurde am Winterberger Bahnhof aber ein sogenannter Persönlicher Informations-Assistent, kurz PIA. Dabei handelt es sich, um einen Ticketautomaten mit zwei Bildschirmen. Auf Wunsch kann man per Kamera und Mikrofon mit einem Berater sprechen, der hilft, das gewünschte Ticket zu bekommen.
DB: Langjährige Partnerschaften weiterführen
Die Bahn AG erklärt auf Anfrage der WP: „Mit unseren Agenturpartnern in der Region stehen wir im regelmäßigen Austausch und haben dabei auch die Auswirkungen des 49-Euro-Tickets im Blick. Unser ausdrückliches Ziel ist es, die langjährige Partnerschaft mit den verbliebenden Partnern vor Ort auch langfristig weiterführen zu können.“ Ein Bahnsprecher teilt mit, die Deutsche Bahn habe zum 1. Januar 2023 ihr bisheriges Agenturmodell an die veränderten Marktbedingungen angepasst. Ziel sei es, das Vertriebsnetz auch außerhalb der großen Städte zu sichern. Dementsprechend erhalten, so die Bahn, Reisebüros mit DB-Lizenz, die eine Verpflichtung aus einem Verkehrsvertrag erfüllen, auch weiterhin entsprechende Provisionsvergütungen.
Bahnfahrkarte im Reisebüro kaufen
Darüber hinaus habe die DB ab 2023 zusätzlich zu den bestehenden Buchungssystemen für Reisebüros das neue Online-Buchungstool BahnEasy eingeführt. Das ermögliche allen Reisebüros schnell und einfach die Buchung der am häufigsten nachgefragten Nah- und Fernverkehrsangebote der DB – bei kostenfreier Nutzung. Mit BahnEasy spreche die DB vorrangig Reisebüros an, die bisher keine Bahnprodukte in ihrem Angebotsportfolio haben. Ziel sei es, in der Fläche so vielen Kunden wie möglich den Kauf einer Bahnfahrkarte mit persönlicher Beratung in einem Reisebüro zu ermöglichen.