Brilon. Wilde Szenen im Kino Brilon: Kinobetreiberin Ute Schinkler wehrt sich gegen Kinobesucher, die durch TikTok zu Krawall angestiftet werden.

Der Kinosaal verwüstet, die Filmvorführung abgebrochen, die Polizei im Großeinsatz: In mehreren Kinos in Deutschland und anderen Ländern ist es in den vergangenen Tagen zu Ausschreitungen gekommen, während dort „Creed III“ lief, der neunte Film der Saga um den Boxer „Rocky“. Im Netzwerk TikTok bekommen Videos der Stör-Aktionen große Aufmerksamkeit.

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Es gibt Hinweise darauf, dass möglicherweise eine neue TikTok Challenge Ursache der Ausschreitungen ist. Dabei stacheln sich die Akteure dazu an, mit ihren Aktionen den Abbruch von Kinovorführungen zu erzwingen und so Aufmerksamkeit bei TikTok zu bekommen. Doch Fachleute machen noch keinen weitreichenden Trend aus.

Kino in Brilon sieht sich zu Reaktion gezwungen

Auch in Brilon kam es vergangenen Freitag im Cineplex zu Ausschreitungen, sodass sich das Kino gezwungen sah, in den sozialen Medien auf den Umstand aufmerksam zu machen. „Vorhang auf! Mund zu! Handy aus!“ ist die deutliche Botschaft an die Briloner Kinogänger. Weiter heißt es „Leider müssen auch wir sehr klare Worte reden. Natürlich freuen wir uns, dass Creed III auch bei den jüngeren Zuschauern sehr beliebt ist. Doch Randale im Saal, das kann es einfach nicht sein. Verhaltet euch doch einfach ruhig und respektvoll, denn bei Missachtung heißt es einfach nur Platzverweis!“ Ute Schlinker, die neben dem Cineplex in Brilon ein weiteres Kino in Warburg betreibt, bestätigt die Vorfälle: „Der Film kommt gerade bei den Jugendlichen sehr gut an. Randale gab es zwar weder in Brilon noch in Warburg. Wir sahen uns aber gezwungen, das Thema gegenüber unseren Besuchern deutlich zu kommunizieren“.

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Besucher wollten provozieren

Dabei kam es in Brilon vor allem zu Respektlosigkeiten: „Die Besucher haben ganze Popcorn-Eimer auf andere geschmissen, laut in die laufende Vorstellung hineingerufen. Offenbar um die anderen Zuschauer zu einer Reaktion zu provozieren“, vermutet Schinkler. Zwar sei es zu einigen Wortgefechten gekommen, auf die Provokationen wollte sich das ländliche Publikum aber offenbar nicht einlassen: „Die haben sich dann direkt bei uns beschwert und wir haben dann eine Ansprache an das Publikum gehalten und klar gemacht, dass sich niemand so verhalten solle“. Beim Herausgehen haben die Mitarbeiter noch einmal jeden Zuschauer einzeln angesprochen, um ihm auch persönlich mitzuteilen, wie respektlos es sei, den Raum mit Popcorn und weiteren Wurfgegenständen zu vermüllen: „Wir haben aktuell ja sowieso Personalengpässe auf dem Reinigungsmarkt, da ist sowas völlig unnötig“, findet die Kinobetreiberin. Die direkte und deutliche Ansprache hat sich offenbar schnell herumgesprochen: „Seitdem haben wir keine Probleme mehr“, freut sich Ute Schinkler über den Erfolg der Aktion.

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Ist eine TikTok-Challenge der Auslöser?

Aktuell gebe es in der Cineplex-Zentrale in Wuppertal Überlegungen ein Frühwarnsystem einzurichten, welches die Sozialen Netzwerke auf mögliche Challenges und ihren Einfluss auf die Kinos frühzeitig erkennen soll, um sich darauf vorbereiten zu können. So hätte es ähnliche Phänomene schon bei dem vergangenen Minions Film gegeben, als auch beim Horrorfilm Smile. In manchen Orten patrouilliert Cineplex deswegen schon mit Sicherheitskräften in den Kinos und führt Taschenkontrollen durch. Dabei seien Schlagringe, Messer und andere kleinere Waffen aufgetaucht, sagte Geschäftsführer Kim-Ludolf Koch dem WDR. Social-Media-Experten der Polizei fanden Hinweise auf eine Challenge in den sozialen Netzwerken. „Hierbei zeigen einige Personen ein derart asoziales Verhalten, welches dazu führen soll, einen Kinofilm abbrechen zu lassen“, schreibt die Behörde. Vor allem bei TikTok seien sehr viele Videos aufgetaucht. „Das ist schon auffällig“, sagte ein Sprecher.

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Verbreitung noch niedrig

Andere Experten sind bislang noch zurückhaltend. Für eine typische Challenge fehle dem Thema ein Hashtag und ein typischer Sound, sagt Marcus Bösch, Wissenschaftler an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. „Ohne die verbreitet sich ein Thema bei TikTok nicht.“ Auch Robert de Lubomirz-Treter von der Landesanstalt für Medien NRW hält die Verbreitung in dem Netzwerk noch für zu niedrig. Durch den Mechanismus des Videoportals könnte aber ein Trend daraus werden, sagt er. In den Kommentaren zu den Clips aus den Kinosälen gebe es gerade auffällig viele rassistische Äußerungen, die den Widerspruch anderer Nutzer erzeugten. „Das sorgt für Interaktion und damit für Traffic und spült das Thema bei noch mehr Menschen auf die Displays.“

Mit Material von DPA