Brilon. Die Pläne für den Bau dieser Mehrfamilienhäuser im Herzen von Brilon wird scharf kritisiert. Die gesamte historische Struktur werde demoliert.

In Brilon fehlt der Wohnraum. Zwar gibt es aktuell mehrere leerstehende Baulücken, die sind aber überwiegend in privater Hand und daher nicht auf dem freien Markt verfügbar. Bis 2035 werden, so Bauamtsleiter Marcus Bange, 600 bis 900 neue Wohnungen in Brilon gebraucht. Eine Möglichkeit, dem Mangel entgegenzuwirken, sieht die Stadt unter anderem in der Nachverdichtung der Innenstadt. Zusätzliche Bauflächen auf der grünen Wiese stoßen bei der Bezirksregierung häufig nicht auf große Gegenliebe, denn eine Zersiedelung soll verhindert werden.

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Das sagen die Anwohner

In der Krumme Straße stößt ein Projekt zur Nachverdichtung jedoch auf Widerstand der Anwohner. Bäckermeister Ernst Schladoth befürchtet schwere Umsatzeinbußen für sein Geschäft, sollte das Bauvorhaben so wie geplant umgesetzt werden. Ursprünglich wollte der Eigentümer das dort stehende, 1791 errichtete, aber lange leerstehende und verfallende Bauernhaus restaurieren und vier Wohnungen einrichten. Die LWL-Denkmalbehörde lehnte bauliche Veränderungen ab und sah zwei Wohnungen als auskömmlich ansah. Die Stadt erteilte 2019 eine Abrissgenehmigung, die der LWL kritisierte, der HSK aber für rechtmäßig ansah. Sah der ursprüngliche Entwurf des Bauherrn noch ein einzelnes Haus mit zwölf Wohneinheiten vor, ist im neuen Plan von zwei Baukörpern die Rede, die auf dem 946 Quadratmeter großen Grundstück gebaut werden sollen. Für Ernst Schladoth, aber auch für andere Anwohner, ist das zu viel: „Die Straße ist viel zu eng, schon jetzt kommen die Autos an dieser Stelle kaum nebeneinanderher“. Seine Befürchtung: Der zusätzliche Verkehr werde negative Auswirkungen auf sein Geschäft haben. Das hätte er schon während des Abrisses des alten Hauses feststellen können: „In der Bauphase kann ich mein Geschäft dann dichtmachen“, so seine Prognose. Die Stadt sieht kein grundsätzliches Problem: „Das zusätzliche Verkehrsaufkommen wird als gebietsverträglich eingeschätzt. Insbesondere im historischen Kernstadtbereich gibt es mehrere, auch teilweise enge Straßen, die eine deutlich höhere Verkehrsbelastung aufweisen“, so Marcus Bange.

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Hier wird bald gebaut. Bei einigen Anwohnern der Krumme Straße stößt das nicht auf Gegenliebe.  
Hier wird bald gebaut. Bei einigen Anwohnern der Krumme Straße stößt das nicht auf Gegenliebe.   © Franz Köster

Kritik an der Gestaltung

Kritik gibt es auch an der Gestaltung der Häuser. Es gebe zwar eine Gestaltungs- und Erhaltungssatzung, sagt Barbara Schladoth, das neue Gebäude würde aber nur schwer in das von Fachwerkhäusern dominierte Umfeld passen: „Nur die First- und Traufhöhe wird letztendlich beachtet“, so Barbara Schladoth. Tatsächlich, das wisse sie aber auch, seien viele der anliegenden Fachwerkhäuser, in den 70er Jahren saniert worden. So auch die Bäckerei am Mistemarkt, die von außen nicht mehr als Fachwerkhaus erkennbar ist, wie viele der unmittelbaren Nachbarhäuser. Das neu geplante Haus mit zwei Stockwerken passe trotzdem nicht in die Umgebung: „Wie so häufig bei aktuellen Neubauten, ist das einfach nur ein weißer Klotz mit Fenstern“, findet Barbara Schladoth. Ein besseres Beispiel seien Wohnungen an der Derkere Straße, die sich durch die Gestaltung besser an die Umgebung anpasse und trotzdem modern sei, so ein Hinweis von Barbara Schladoth. Für die Stadt sei es schwierig hier Vorgaben zur Gestaltung zu machen: „Als Stadt schauen wir uns natürlich auf das Umfeld an und wir können keinen Verstoß gegen unsere Gestaltungssatzung feststellen“, sagt Amtsleiter Marcus Bange, der allzu detaillierte Vorgaben für wenig sinnvoll hält: „Es macht sicher Sinn, die Farbe der Dachpfannen vorzugeben, aber wir müssen nicht jedes einzelne Fenster vorgeben“, schränkt er ein.

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Den Anwohnern entgegenkommen

Den Anwohnern ist das zu wenig, sie sehen das Gebiet als gewachsene und historische Struktur: „Der Mistemarkt, an dem das besagte Grundstück liegt, ist einer der letzten historischen Plätze mit der alten Raumstruktur in der Stadt Brilon. Der Neubau würde mit den beantragten Dimensionen den kleinen Platz vollständig beherrschen und diesen Eindruck zerstören“, schreibt eine Anwohnerfamilie an die Mitglieder des Stadtrates, allerdings noch zur ursprünglichen Planung, die nur einen Baukörper vorsah. Dabei möchten die Anwohner das Projekt gar nicht vollständig verhindern: „Wir fragen uns aber, ob es nicht auch mit weniger Wohneinheiten möglich wäre und ob man nicht auch bei der Gestaltung den Anwohnern entgegenkommen könnte?“, so Ernst Schladoth.

Das sagt der Bauherr

Bauherr Friedel Ridder will die Sorgen der Anwohner ernst nehmen: „Ich habe mich deswegen schon vorzeitig bei den Anwohnern gemeldet und sie über mein Vorhaben informiert und ich will das auch weiterhin tun“, sagt Ridder im Gespräch mit der Westfalenpost. Dazu gehöre auch, sollte es zum Bau kommen, dass er sich eng mit Stadt und der Bäckerei abstimmen wolle, um eine möglichst reibungslose Verkehrsführung zu gewährleisten.

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Die Kritik an der Gestaltung lässt er nicht gelten: „Das geht mir zu tief in meinen Schaffensbereich hinein“, sagt der 40-jährige Familienvater, der in Altenbüren aufgewachsen ist, nun aber mit seiner Familie in Bayern lebt. Er könne sich nicht vorstellen, eine künstliche Fachwerkfassade anzubringen und wird deutlich: „Moderne Häuser werden nie wie alte Bauernhäuser aussehen“, sagt er. Das geplante Objekt würde dabei sowohl dem alten Bebauungsplan entsprechen als auch die Anforderungen des neuen Bebauungsplans erfüllen, der von der Stadt geplant wird. Dies bestätigt auch Amtsleiter Bange. Eine Veränderungssperre, wie von einigen Anwohnern gefordert, sei deswegen nicht zielführend.

Dringend benötigter Wohnraum wird geschaffen

Ridder ist es wichtig, auch die positiven Aspekte hervorzuheben: „Mit dem Projekt wird der dringend benötigte Wohnraum geschaffen“. Das sorge auch für eine lebenswerte Innenstadt. Auch die Stadt befürwortet den Bauantrag: „Die Anzahl an Wohneinheiten ist auf dem Grundstück umsetzbar. Eine städtebauliche Verdichtung ist sowohl bundes-, als auch landespolitisches Ziel und spiegelt sich letztlich auch in dem vorliegenden Projekt wider.“, so Amtsleiter Bange.

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Ob die Wohnungen als Eigentumswohnungen oder Mietobjekte auf den Markt kommen, das weiß Ridder noch nicht: „Aktuell beschäftige ich mich nur mit dem Bauantrag“, sagt der künftige Bauherr. Er könne sich vorstellen, dass mögliche Käufer beim Bau auch Wünsche äußern könnten. Aktuell sei aber noch kein Baubeginn geplant: „Die Rahmenbedingungen sind derzeit für Bauprojekte sehr schwierig“, weiß Ridder, der seit zwölf Jahren in München für den Pay-TV Sender Sky arbeitet. Die endgültige Genehmigung liege außerdem noch nicht vor. Bei den jetzigen Baupreisen müsse mit hohen Mietpreisen gerechnet werden, damit sich der Bau auch lohne: „13 bis 14 Euro werden sicherlich notwendig. Genau deswegen überlege er derzeit auch daran, die Wohnungen als Eigentumswohnungen zu vermarkten.