Marsberg/Essentho. Bei Ritzenhoff läuft nach dem Marsberger Stromausfall tonnenweise heißes Glas aus. Im Netz kursieren wilde Gerüchte. Was wirklich geschah.

Der Brand im Umspannwerk im Industriegebiet unterm Ohmberg in der Nacht zu Donnerstag (9. Februar) hatte, wie berichtet, zu einem großflächigen Stromausfall im Stadtgebiet Marsberg geführt. Bei dem Glashersteller Ritzenhoff in Essentho hatte er weitaus größeren Schaden angerichtet. 10 Tonnen flüssiges Glas waren aus der Wanne ausgetreten. Die Feuerwehr Marsberg sprach insgesamt von einem Großschadensereignis. Mit Wanne bezeichnet man den riesigen gemauerten Schmelzofen. In ihm wird die Glasmasse aus Sand, Soda und Pottasche mit 1.500 Grad Celsius geschmolzen. „Wir produzieren nur hochwertiges Kristallglas“, verdeutlicht Kerstin Hülsmann, Pressesprecherin des Unternehmens, Tag fünf nach dem Glasaustritt am WP-Telefon.

Glühendes Glas bei Ritzenhoff ausgelaufen: Produktion läuft nur mit halber Kraft

Die Firma Ritzenhoff hat zwei dieser riesigen Schmelzöfen. Jeder fasst 60 Tonnen. Die Glasproduktion läuft 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr. 50 Millionen Gläser werden im Jahr produziert. Die Firma hat 430 Mitarbeiter, ist tief verwurzelt in der Region und liefert ihre Gläser fast in die ganze Welt.

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Momentan läuft die Produktion jedoch nur mit halber Kraft. Jede Wanne bestückt zwei Produktionslinien. Die eine beschädigte Wanne steht momentan still. In der Nacht des Stromausfalls sorgten Notstromaggregate dafür, dass die beiden Wannen weiter befeuert wurden. „Vermutlich“, so die Pressesprecherin weiter, „griff das Notstromaggregat bei der beschädigten Wanne etwas zu spät“, so dass ein Leck in der Wand entstand, durch das das heiße Glas austreten konnte und sofort in den darunterliegenden Scherbenkeller getropft sei. Die genaue Ursache werde momentan durch einen Sachverständigen abgeklärt.

Die Feuerwehr unter Atemschutz und Hitzeschutz im Einsatz bei Ritzenhoff in Essentho.
Die Feuerwehr unter Atemschutz und Hitzeschutz im Einsatz bei Ritzenhoff in Essentho. © Feuerwehr Marsberg | Feuerwehr Marsberg

Kerstin Hülsmann lobt ausdrücklich die gute Zusammenarbeit der Fachkollegen von Ritzenhoff und der Feuerwehr. So konnte das heiße Glas gezielt abgekühlt und größerer Schaden vermieden werden.

12 Trupps gingen unter Atemschutz und Hitzeschutz vor. Auch der Firmenchef Dr. Axel Drösser war sofort vor Ort und habe laut Pressesprecherin mit angepackt und die Situation im Auge gehabt. Die hätte gemeinsam schnell unter Kontrolle gebracht werden können.

Glühendes Glas bei Ritzenhoff ausgelaufen: Falschinfos im Netz

Was ihr heute noch schwer im Magen liegt, sind die Falschinformationen, die in den sozialen Netzwerken sofort die Runde gemacht hätten, wie, beispielsweise solche, das Ritzenhoff komplett abgefackelt sei und dass Mitarbeiter schwerst verletzt im Krankenhaus mit dem Leben ringen würden.

Richtig sei, dass zwei Kollegen durch die Löscharbeiten Dampf eingeatmet hätten, sie aus Vorsicht ins Krankenhaus gebracht worden seien, es ihnen dort beim Eintreffen aber schon besser gegangen sei und sie nur zur Beobachtung hätten eine Nacht bleiben müssen. Kerstin Hülsmann: „Wichtig ist uns, dass zum Glück kein Personenschaden entstanden ist.“

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Die restliche heiße Glasmasse in der defekten Wanne wurde abgelassen und wieder in den Produktionskreislauf integriert. Am Montag ist mit den Aufräumarbeiten begonnen worden, die Pressesprecherin rechnet damit, dass Mitte bis Ende der Woche der Schaden an der Wanne behoben sein wird und dann die Produktion wieder normal läuft.

Glühendes Glas bei Ritzenhoff ausgelaufen: Glas wird nun entsorgt

Das ausgetretene Glas im Scherbenkeller sei durch das Löschwasser derart verschmutzt, dass es nicht weiter verwendet werden kann. Es wird fachgerecht entsorgt. Anders ist es bei dem Glasbruch, der während der Produktion entsteht. Es wird wieder eingeschmolzen und weiterverwertet.

In Arbeit ist eine neue Linie, die zu 45 Prozent aus aufbereitetem Glas besteht. Kerstin Hülsmann: „Damit wollen wir dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung tragen.“ Denn das durch Glasbruch aufbereitete Glas brauche weniger Energie, um geschmolzen werden zu können. Das Dekor wird aus organischen Farben entstehen und auch die Verpackungskartons werden zu 30 Prozent Grasfasern beinhalten. Die Kollektion wird Organix heißen.