Hochsauerlandkreis. Die Frau Zuhause, der Mann arbeitet? Die klassische Rollenverteilung soll aufgebrochen werden, doch Eltern im HSK haben oft keine andere Wahl.

Die Ampelkoalition will einen Vorstoß wagen – und Vätern mehr Zeit mit ihren Kindern und für die Care-Arbeit zuhause ermöglichen. Dazu sollen diese das Recht auf Vaterschaftsurlaub bekommen, direkt nach der Geburt des Kindes. Damit nimmt Familienministerin Paus den Trend auf, der derzeit ohnehin bei Eltern immer beliebter wird: Die Aufteilung zwischen Mann und Frau hin zu mehr Gleichberechtigung, auch in der Kindererziehung. Gelebt wird das bisher noch selten, auch im Hochsauerlandkreis. Das liegt allerdings nicht immer am Unwillen der Väter, viel öfter noch am System. Ein Überblick.

Was ist Elterngeld und wie wird es ausgezahlt?

„Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate Basiselterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und den Eltern dadurch Einkommen wegfällt. Sie können die Monate frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen“, so erklärt es das Bundesministerium für Familie (BMFSFJ). Das ElterngeldPlus soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken und erkenne insbesondere die Pläne derjenigen an, die schon während des Elterngeldbezugs wieder in Teilzeit arbeiten wollen würden. Mütter und Väter sollen damit die Möglichkeit erhalten, länger als bisher Elterngeld in Anspruch zu nehmen. „ElterngeldPlus können Eltern doppelt so lange bekommen wie Basiselterngeld: Ein Monat Basiselterngeld entspricht zwei Monaten ElterngeldPlus. Wenn Eltern nach der Geburt nicht arbeiten, ist das ElterngeldPlus halb so hoch wie das Basiselterngeld. Wenn sie nach der Geburt in Teilzeit arbeiten, kann das monatliche ElterngeldPlus genauso hoch sein wie das monatliche Basiselterngeld mit Teilzeit“, heißt es seitens des BMFSFJ. Die Höhe des Elterngeldes hängt davon ab, wie viel Einkommen der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kindes hatte und ob nach der Geburt Einkommen wegfällt. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65 Prozent, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent des Voreinkommens.

Wer bezieht im Hochsauerlandkreis Elterngeld?

Die Grafik zeigt, wie viele Männer und wie viele Frauen im HSK in den vergangenen Jahren Elterngeld bezogen haben. Deutlich wird mit einem Blick auf die Zahlen, die der Hochsauerlandkreis auf Anfrage der WP herausgegeben hat, dass noch immer größtenteils Frauen Elterngeld beziehen und somit meist auch den Löwenanteil an Elternzeit meistern. Aus den Zahlen geht allerdings hervor, dass der Anteil der Männer, die Elterngeld beziehen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Allerdings beantragen weitaus weniger Männer mehr als zwei Monate Elterngeld. Schaut man sich die Zahlen aus 2022 einmal an, sieht man, dass von 879 Männern ganze 716 zwei Monate Elterngeld bezogen haben. Nur 30 Männer haben 12 Monate Elterngeld erhalten, kein Mann schafft es auf 24 Monate. Nur ein Vater hat 25 Monate Elterngeld bezogen. Die Aufteilung, wer also größtenteils Zuhause bleibt und sich um das Kind kümmert, wird im HSK noch sehr klassisch gelebt. Frauen im HSK, die 2022 Elterngeld bezogen haben, haben dies meist 11 Monate lang getan (479 Frauen von 2138). 352 Frauen haben im vergangenen Jahr 10 Monate Elterngeld bezogen, 369 Frauen 12 Monate. Und 220 Frauen 21 Monate. Nur 18 Frauen haben schlicht zwei Monate Elterngeld bezogen. Auffällig ist allerdings auch, dass der Löwenanteil der Mütter im HSK nur ein Jahr lang Elterngeld bezieht und dann ohne Unterstützung in Form von Elterngeld auskommen muss oder wieder beginnt zu arbeiten. Die Höhe des Einkommens ist oftmals entscheidend dafür, dass Frauen häufiger und länger Zuhause bleiben, auch wegen des Gender-Pay-Gaps. Denn verdient der Mann mehr, lässt sich auf das geringere Einkommen leichter verzichten.

Wie viel Elterngeld wird im Durchschnitt im HSK bezogen?

„Die Höhe der Elterngeldzahlungen werden von der Höhe des Erwerbseinkommens der berechtigten Person vor der Geburt des Kindes bestimmt“, erklärt der Kreis auf Nachfrage. Die zur Auszahlung kommenden Beträge schwanken beim Basiselterngeld zwischen 300 Euro und 1800 Euro und beim ElterngeldPlus zwischen 150 Euro und 900 Euro.

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Wie wird Elterngeld im HSK beantragt?

Elterngeld muss schriftlich bei der örtlich zuständigen Elterngeldkasse beantragt werden (in NRW sind diese bei den Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt). Online einen Antrag zu stellen, ist bisher nicht möglich. Das Land NRW beabsichtigt im Laufe des Jahres 2023 eine Online-Antragstellung zu ermöglichen.

Welches Elterngeld ist die richtige Wahl?

Eltern, die Elterngeld beantragen wollen, müssen viele Faktoren in ihre Entscheidung miteinbeziehen. Es gibt zahllose Varianten – je nachdem, wie wer sich wie lange kümmern will, ob während der Elternzeit wieder gearbeitet werden soll und vor allem, wie das Einkommen der beiden Elternteile aussieht. Unter https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/elterngeld gibt es verschiedene Informationen für Eltern und unter https://familienportal.de/familienportal/meta/egr einen Elterngeldrechner. Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Elterngeldkasse kann zudem ein Termin zur Beratung vereinbart werden. Für Hallenberg und Winterberg ist dazu Andrea Schulte zuständig (0291-942587), für Brilon, Marsberg, Medebach und Olsberg Birgit Koch (0291-942589).

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Wie äußern sich die Eltern im Hochsauerlandkreis?

Janine Blüggel aus Züschen hat selbst Elternzeit genommen. „Also bei uns ist es so, dass ich die Elternzeit allein genommen habe, weil es bei uns finanziell sonst gar unlogisch wäre und wir hätten noch mehr Geld als so schon einbüßen müssen.“ Eine Überlegung, die bei vielen Eltern entscheidend ist. „Da ich einen Teilzeitjob und einen Nebenjob habe, haben wir es wie folgt aufgeteilt: In meinem Teilzeitjob habe ich etwas über zwei Jahre Elternzeit genommen und in meinem Nebenjob nur genau ein Jahr, weil auch dies finanziell leider nicht anders möglich ist. Da man ja leider im Verhältnis recht wenig Elterngeld bekommt, mussten wir auch das Basiselterngeld nehmen, weil sich das bei dem Plus-Elterngeld nochmal um die Hälfte verkürzen würde“, erklärt die junge Mutter. „Und wir haben jetzt so schon insgesamt Einbuße von einer Hälfte meines vorherigen Gehaltes. Ich find es somit auch wirklich schwierig für viele Eltern, diese Zeit auch wirklich vollkommen in Anspruch zu nehmen. Ich kenne mehrere Eltern, die wirklich gezwungen sind nach höchstens einem Jahr wieder zu arbeiten, weil es finanziell sonst einfach nicht möglich wäre. Da fände ich eine größere Unterstützung vom Staat besser“, kritisiert sie das System. Schließlich gehe es hier um die prägendste Zeit in der Kindererziehung. „Daher habe ich mir schon das ein oder andere mal anhören können, wie beispielsweise ’Sei froh das ihr es euch leisten könnt’ und ’Ich hatte dafür ja keine Zeit’. Solche Sprüche sind zwar nicht schön, aber auch nicht zu ändern, wir als Familie stehen da drüber und freuen uns, dass wir wenigstens etwas Zeit mit unserem Kind verbringen können.“