Korbach/Medebach/Hochsauerland. In Nieder-Ense nahe Medebach im HSK wird ein Wolf gefilmt. Eine Wolfsexpertin hält ihn für ein Jungtier. Es gibt weitere Hinweise und Sichtungen.
Ein aktuell im Internet kursierendes Video soll einen Wolf auf einem Feld bei Korbach zeigen. Das zuständige Landesamt überprüft jetzt die Aufnahme. Das Video soll in dieser Woche aufgenommen worden sein. Es zeigt einen Wolf, der offenbar zwischen Flugplatz und Nieder-Ense über eine Wiese läuft – rund 12 Kilometer entfernt von Medebach an der Grenze zum Hochsauerlandkreis. Experten vom Wolfszentrum des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), dass es sich bei dem abgebildeten Tier zweifelsfrei um einen Wolf handelt.
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Wolf an der Grenze zum HSK: Jungwölfe auf der Suche nach einem eigenen Territorium
Pressesprecherin Franziska Vogt erklärt: „Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen durchziehenden Wolf. Dass einzelne Wölfe durch Hessen ziehen, ist keine Seltenheit und normales Artverhalten: Meist sind dies Jungwölfe auf der Suche nach einem eigenen Territorium.“ Speziell vom HLNUG ausgebildete Mitarbeiter des örtlichen Forstamtes müssten aber vorher noch den Standort verifizieren, bevor das Video sicherer als Nachweis eingestuft werden könne, so Vogt. Sie gleichen vor Ort die Videobilder mit der Landschaft ab.
Wolf an der Grenze zum HSK: Nicht der einzige Hinweis auf einen Wolf
Die Aufnahme ist nicht der einzige Hinweis auf einen Wolf bei Korbach: Beim Wolfszentrum war am Dienstag eine weitere Sichtbeobachtung aus Korbach gemeldet worden. Die Herkunft und der Zeitpunkt des Videos bleiben unterdessen unklar. Die Whatsapp-Gruppe „Wolf-Monitor – bürgerschaftliches Infonetzwerk“ verbreitet unterdessen ein Foto eines Wolfes, der sehr wahrscheinlich bei Nieder-Ense eine Straße überquert. Dabei wird gemutmaßt, dass es sich um ein weiteres, kleineres Tier handeln könnte. Das bezweifeln die Experten vom HLNUG: Diese Einschätzung sei unseriös. Das Wolfszentrum empfiehlt derweil, Weidetiere einzuzäunen. Andrea Bohle, Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Waldeck, erklärte gestern auf Nachfrage: „Klar sind die Weidetierhalter besorgt, aber es ist noch nicht klar, ob der Wolf hierbleibt oder nur durchzieht.“
Für Experten ist die Sichtung bei Korbach keine Überraschung: Wölfe sind wieder heimisch in Hessen und lassen sich in unseren Wäldern nieder. Mehr Wölfe bedeuten auch mehr Sichtungen. Doch die Verwechslungsgefahr mit Hunden bestimmter Rassen ist groß. „Bestimmte Merkmale müssen erkennbar sein“, erklärt Susanne Jokisch vom hessischen Wolfszentrum. Dazu gehören unter anderem der helle Fang, die relativ kleinen Ohren, der typische Sattelfleck, außerdem geben Körperbau und Verhalten weitere Hinweise, ob es sich um einen Wolf handelt.
Wolf an der Grenze zum HSK: Letzte bestätigte Sichtung im HSK 2020
Um den Hochsauerlandkreis macht der Wolf bislang einen großen Bogen. Die letzte Sichtung war 2020 in Meschede, drei Jahre davor wurde ein Wolf in Brilon gesichtet: „Ich weiß zwar nicht, warum der Wolf sich bei uns nicht so wohl fühlt, ich habe aber auch nichts dagegen, wenn er zunächst fernbleibt“, sagte Wolfsberater Werner Schubert, der auch die Biologische Station im HSK leitet kürzlich der WP. Denn wenn der Wolf erstmal da sei, dann sei damit auch Präventionsarbeit verbunden: „Es muss ja verhindert werden, dass der Wolf ganze Herden auseinanderreißt“, erklärt der Wolfsberater.
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Das auf dem aus Korbach stammenden Video zu sehende Tier sei zweifelsfrei ein Wolf, erklärt Jokisch. Wolfssichtungen in der Region Hessen gab es schon häufiger: 2017 war ein Wolf zwischen Nieder-Waroldern und Dehringhausen gesehen worden. Volkhard Kunst vom Forstamt Hallenberg (Hochsauerlandkreis) berichtet von einer Wolfssichtung vor etwa einem Jahr. Der Fahrer eines Harvesters, also einer forstwirtschaftlichen Vollerntemaschine, habe angeblich einen Wolf gesehen. „Es könnte aber auch ein Hybrid oder ein Wolfshund gewesen sein“, erklärt Kunst. Bislang sind die Wölfe hier nur auf der Durchreise.
Wolf an der Grenze zum HSK: Bauernverbands sieht die Entwicklung mehr als kritisch
Die gute Nachricht: Obwohl es in Hessen mehr Wölfe gibt, ist die Zahl der bestätigten Nutztierrisse seit drei Jahren gesunken – Hessens Wölfe jagen offenkundig fast ausschließlich Wild. Allerdings kann die Zahl der Nutztierrisse mit weiteren durchziehenden oder neuen sesshaften Tieren auch wieder zunehmen, wenn Weidetiere nicht ausreichend geschützt sind, darauf weist das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie hin. Für einen solchen Fall werden im Hochsauerland teilweise schon jetzt elektrische Wolfsschutz-Zäune angelegt, die einen Übergriff verhindern sollen.
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Für nachweislich von Wölfen verursachte Schäden an Nutztieren können Tierhalter einen finanziellen Ausgleich erhalten. Andrea Bohle, Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes, verweist unterdessen auf die Position des Hessischen Bauernverbands (HBV). Der sieht die Entwicklung mehr als kritisch. „Wenn die Weidetierhaltung und die Pflege unserer Kulturlandschaft in Hessen durch unsere Tiere eine Zukunft haben soll, müssen Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgen“, heißt es vom HBV. Rissereignisse müssten unbürokratisch, zügig und umfassend entschädigt werden, und auch die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht gehört für den Hessischen Bauernverband dazu.
HSK-Europaabgeordneter Liese: Wolfschutz darf nicht absolut sein
Der HSK-Europaabgeordnete Dr. Peter Liese (CDU) hatte sich deswegen zuletzt mit Landwirten getroffen und formuliert eine Forderung: „Wir brauchen dringend einen besseren Schutz von Weidetieren und Landwirten. Der Wolfschutz darf nicht absolut sein.“ Liese hält eine Entschädigungsregel für notwendig: „Dort, wo es Schäden gibt, muss es angemessene Entschädigungen für Landwirte auch außerhalb des Agrarhaushalts geben. Für eine friedliche Koexistenz zwischen Wolf und Weidetieren müssen wir aber auch vorbeugende Maßnahmen finden, die über das Finanzielle hinausgehen“, so der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion.“