Hochsauerlandkreis. Waffen bei Reichsbürgern und Schreckschusspistolen an Silvester. Das Waffenrecht ist liberaler als oft angenommen. Das soll nun passieren:

Bewaffnete Reichsbürger, die den Staat stürzen wollen, junge Männer die mit Schreckschusswaffen auf Rettungswagen schießen: Die Diskussion um das deutsche Waffenrecht hat dadurch in den letzten Wochen wieder an Fahrt gewonnen. „Dafür werde der maximale Druck aller Behörden gebraucht, die Regierung werde deshalb das Waffenrecht in Kürze weiter verschärfen“, sagt Innenministerin Faeser in Reaktion auf bewaffnete Reichsbürger. Aber auch die Silvesterkrawallen zwingen die Innenministerin zu einer scharfen Reaktion: „Schreckschusspistolen sind kein harmloses Instrument“, stellt die Ministerin fest. Es handele sich um Waffen und dafür sollte es eine Erlaubnis brauchen.“

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700.000 kleine Waffenscheine

Während man für die meisten Schusswaffen einen Waffenschein und eine Waffenbesitzkarte braucht, die in der Regel nur an Jäger oder Sportschützen vergeben werden, braucht es für Schreckschusswaffen nur den kleinen Waffenschein. Mittlerweile sind über 700.000 Menschen in Deutschland in Besitz des kleinen Waffenscheins und sind damit zum Führen von Schreckschusswaffen berechtigt. Zum Vergleich: 2016 waren es noch insgesamt 300.949 kleine Waffenscheine. Aktuell seien im Hochsauerlandkreis 34.106 Schusswaffen registriert, teilt der Kreis als zuständige Behörde auf Anfrage mit.

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Die Kontrollen fehlen

Einer, der die Entwicklung ganz genau beobachtet, ist der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese aus Brilon: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Waffenrecht zu überprüfen“, sagt der Sozialdemokrat. Während die Innenministerin Faeser eher zu einem Verbot von halbautomatischen Waffen setzt – Bei halbautomatischen Pistolen wird jedes Mal beim Drücken des Abzugs ein Schuss abgefeuert und eine neue Patrone in den Lauf positioniert – schaut Dirk Wiese differenzierter auf die Thematik: „Was fehlt, sind häufig die Kontrollen“, sagt der 38-jährige. Von einem Waffenbesitzer habe er gehört, er sei in 40 Jahren kein einziges Mal kontrolliert worden. Grundsätzlich ermöglicht das Gesetz schon jetzt unangekündigte Kontrollen.

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Verschärfungen nicht in jedem Fall sinnvoll

Zuständig für die Durchführung waffenrechtlicher Kontrollen sind grundsätzlich alle Mitarbeiter der zuständigen Waffenbehörde. „Verschärfungen im Waffenrecht seien deshalb nicht zwingend in jedem Teilbereich notwendig“, so Wiese. Das bestehende Gesetz müsse auch durchgesetzt werden: „Es bringt ja nichts, wenn ich jetzt die Gesetze verändere, es aber am Ende nicht durchsetzen kann“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Wiese hat dabei auch die Sportschützen und die Jägerschaft im Blick, deren Arbeit und Engagement nicht noch erschwert werden soll. Grundsätzlich sei er aber schon der Meinung, dass auch ein Jäger nicht unbegrenzt Waffen besitzen dürfe. Das gelte vor allem dann, wein ein Jäger die Jagd gar nicht aktiv ausübe: „Wofür braucht der Jäger die Waffen dann überhaupt“, fragt sich Wiese. Wiese will vor allem auf pragmatische Lösungen setzen. Waffenteile könnten in Zukunft getrennt aufbewahrt werden müssen, so ein Vorschlag.

Behörden müssen Zusammenarbeit verstärken

Schwierig wird der Pragmatismus jedoch in Bezug auf die Reichsbürger oder der Frage, wie man einen solchen eigentlich überhaupt erkennt. Das ist Wiese bewusst, er wird aber auch deutlich: „Wer den Staat und seine Institutionen ablehnt, sollte keine Waffen tragen dürfen“, ist er sich sicher. Wichtig sei daher auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Behörden untereinander: „Wenn ein Reichsbürger auf dem Einwohnermeldeamt den Personalausweis ablehnt, weil er Deutschland für eine GmbH hält oder wenn ein Reichsbürger seine Bußgelder nicht bezahlt, weil er den Staat ablehnt, dann muss das auch der zuständigen Waffenbehörde mitgeteilt werden“, findet Wiese. Reichsbürger, so seine Erfahrung, hätten eine große Affinität zu Waffen.

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FDP gegen Verbot von halbautomatischen Waffen

Ein vollständiges Verbot von halbautomatischen Waffen würde im Parlament aber vermutlich am Koalitionspartner FDP scheitern: „Vor Änderungen des Waffenrechts sollte eine ausführliche Evaluation stehen. Dazu gehört auch eine offene Diskussion über das Problem illegaler Schusswaffen“, so die Reaktion vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Konstantin Kuhle in der Rheinischen Post. Bisher werde in der Straftaten-Statistik nicht zwischen dem Gebrauch von legalen und nichtlegalen Waffen unterschieden. „Künftig sollten beide Statistiken explizit ausweisen, ob eine Straftat mit einer illegalen oder einer legalen Waffe begangen wurde“, so Kuhle. Das bringe mehr als die unnötige Gängelei von Legalwaffenbesitzern wie Sportschützen und Jägern.

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Änderung gegen Jahresende erwartet

Auch der SPD-Politiker Wiese möchte vor der Gesetzesänderung zunächst mit den beteiligten Gruppen ins Gespräch kommen: „Natürlich werden wir auch Jäger und Sportschützen zu den Anhörungen einladen, bevor wir das Gesetz zur Abstimmung bringen“, teilt Wiese mit. Schon zum Jahresende könne mit einer Änderung gerechnet werden, so sei zumindest der Plan.