Brilon-Madfeld. Unternehmer Alfons Aßhauer erklärt, wie die Krise auf die Baubranche wirkt. Die Folgen könnten dramatisch sein, wenn die Politik nicht handelt.

Steigende Energiepreise und Lieferengpässe belasten auch die heimische Baubranche und haben Auswirkungen auf die Bereitschaft zu investieren. Das macht Dipl.-Ing. Alfons Aßhauer, Geschäftsführer der AL-Komplettbau GmbH in Madfeld, exemplarisch für sein Unternehmen deutlich.

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Beton-Kosten rapide gestiegen

Der Dipl.-Ingenieur rechnet vor, wie die Beton-Kosten angestiegen sind: Demnach kostete ein Kubikmeter Beton (C25/30) im Juni 2021 noch 91 Euro netto pro Kubikmeter. Ein Jahr später lag der Preis bereits bei 108 Euro und jetzt aktuell im November sind es bereits 130 Euro. Doch damit ist, so Alfons Aßhauer, der Höhepunkt wohl noch nicht erreicht: „Die Transportbetonfirmen haben für Januar 2023 nochmals einen Preisanstieg von ca. 25 bis 30 Euro pro Kubikmeter angemeldet. Das heißt, dass allein der Baustoff Beton in einem Zeitraum von 1,5 Jahren um ca. 75 Prozent teurer geworden ist.“

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Zementindustrie sehr energieintensiv

Der Verein Deutscher Zementwerke in Düsseldorf erklärt auf Anfrage, dass die Zementindustrie bereits vor der aktuellen Energiekrise zu den besonders brennstoff- und stromintensiven Sektoren des verarbeitenden Gewerbes gehört habe: „Die Branche ist insofern durch die hohen Strom- und Brennstoffpreise in besonderem Maße betroffen. Dies schlägt sich entsprechend auch in deutlich höheren Produktionskosten nieder.“ Hinzu kommen, so die Zementhersteller, notwendige Maßnahmen zur Dekarbonisierung, „die perspektivisch mit einem zusätzlichen Energiebedarf einhergehen und damit die Produktionskosten weiter steigern werden.“ Im Übrigen wirke sich die Energiekrise auch auf andere Bereiche aus, sodass zum Teil die Verfügbarkeit von wichtigen Vorprodukten eingeschränkt sei.

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Planung immer schwieriger

Preissteigerung gibt es zurzeit aber nicht nur bei Zement bzw. Beton, so die Erfahrung von Alfons Aßhauer, sondern beispielsweise auch bei der Herstellung von Ziegelsteinen, Keramikfliesen, Dachpfannen usw. Das mache es für eine Firma wie die AL-Komplettbau GmbH als Generalunternehmer im Bereich der schlüsselfertigen Erstellung von Kindertagesstätten oder Industriebauten natürlich zunehmend schwer, eine verbindliche Kalkulation für den Endkunden abzugeben. Der heimische Unternehmer macht deutlich, dass es inzwischen auch schwierig sei, einen verbindlichen Bauzeitenplan für den Bauherren zu erstellen; zumal es Lieferschwierigkeiten in verschiedenen Bereichen gebe. Bei bestimmten Keramikfliesen gebe es aktuell zum Beispiel bis zu sechs Monaten Lieferzeit. „Das führt dazu, dass die meisten Investoren ihre geplanten Bautätigkeiten oder Bauvorhaben erst einmal stornieren, auf unbestimmte Zeit verschieben oder ganz absagen“, erklärt Alfons Aßhauer.

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Steigende Baupreise und Zinsen

Die AL Komplett Bau GmbH wurde 2007 als kleines Unternehmen für die Errichtung von Ein- und Mehrfamilienhäusern gegründet und hat sich im Laufe der Jahre zu einem Generalunternehmer zur Erstellung von unterschiedlichsten Schlüsselfertig-Projekten entwickelt, zum Beispiel im Kita-Bereich. Geschäftsführer Alfons Aßhauer hat die Erfahrung gemacht, dass es angesichts gestiegener Baupreise und Zinsen immer schwerer werde, einen Investor für diese Projekte zu finden; zumal in NRW die Mieten für Kindertagesstätten durch das Kibiz-Gesetz festgelegt seien. Seine Einschätzung: „Die Zahl fehlender Kindertagesplätze von derzeit ca. 100.000 in NRW wird sich in der nächsten Zeit noch erhöhen, da die vorhandenen älteren Kindertagesstätten die geltenden Richtlinien nicht erfüllen bzw. erfüllen können.“

Wie geht es weiter?

Was die Auftragslage im Bereich von Ein- und Mehrfamilienhäusern angeht, befürchtet der heimische Bauunternehmer, dass die Mehrkosten für Baumaterialien und die angestiegenen Zinsen manchen Häuslebauer in Zukunft abschrecken werden oder, dass die Pläne an der Finanzierung scheitern könnten. Die Baubranche verzeichne bereits jetzt ein starken Rückgang an Auftragen, so seine Einschätzung. Von vielen Nachunternehmern und Kollegen höre er: „Es werden die vorhandenen Aufträge noch abgearbeitet, doch dann ist Schluss.“ Und viele würden sich auch fragen: „Wie sollen wir unseren Mitarbeitern noch eine Inflationsausgleichsprämie zahlen, wenn wir nicht wissen, wie es weitergeht?“

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IT.NRW: Baunachfrage rückläufig

Auch das Statistische Landesamt IT.NRW hat festgestellt, dass die Baunachfrage in NRW zurückgeht. Im zweiten Quartal 2022 waren die Auftragseingänge im nordrhein-westfälischen Bauhauptgewerbe um 5,6 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Für den Hochbau in NRW ermittelte das Landesamt in allen Bausparten eine niedrigere Nachfrage als vor einem Jahr: Die Auftragseingänge sanken im Wohnungsbau um 18,3 Prozent.

Mit Blick auf die Zukunft seiner Branche fordert Alfons Aßhauer: „Wenn die Bautätigkeit, egal ob im Bereich von Kindertagesstätten oder Wohnungsbau nicht ganz zum Stillstand kommen soll, muss seitens von Bund, Land und Kommunen ein Anreiz geschaffen werden, dass Investoren wieder bereit sind, in dieser Sparte zu investieren.“ Für Deutschland sei es enorm wichtig, bezahlbare Energie in allen Bereichen zu bekommen, sowohl privat als auch für Industrie und Handwerk. Seine Einschätzung: „Es nützt hier keinem etwas, wenn wir in ein paar Jahren C02-neutral sind, aber keinen mehr haben, der das alles bezahlt. Da keiner mehr da ist.“