Brilon. Für sie ist’s der Beruf fürs Leben. Anderen rettet sie damit das Leben. Warum Jessica Rautenberg aus Brilon jetzt als Notfallsanitäterin arbeitet.

Jessica Rautenberg hat den Beruf fürs Leben gefunden: Die 27-jährige Brilonerin stammt aus dem ersten Jahrgang von 13 Männern und Frauen, die an der Rettungsdienstschule Hochsauerlandkreis ihre dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter/zur Notfallsanitäterin gemacht haben. Jetzt hat sie ihre erste Festanstellung und arbeitet an der Rettungswache in Brilon. „Früher hätte ich gesagt: ich möchte noch ein Studium draufsatteln, aber jetzt bin ich sehr zufrieden und möchte nichts anders machen.“

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Traum vom Medizinstudium

Früher – da wollte Jessica Rautenberg Ärztin werden – das war nach dem Realschulabschluss, nach der Ausbildung zur Biologisch Technischen Assistentin in Olsberg, nach dem Vollabitur, nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr bei den Johannitern, den Ausbildungen zur Rettungshelferin und Rettungssanitäterin und nach mehrjähriger Arbeit und Erfahrung dort. Doch dann wollte die 27-Jährige ihr Ausbildung auf noch sicherere Füße stellen, machte die drei Jahre an der Rettungsdienstschule und denkt jetzt im Traum nicht mehr ans Medizinstudium.

Jessica Rautenberg hat ihre Ausbildung zur Notfallsanitäterin beim HSK gemacht. Seit September 2019 führt der Kreis die Ausbildung in Eigenregie durch.
Jessica Rautenberg hat ihre Ausbildung zur Notfallsanitäterin beim HSK gemacht. Seit September 2019 führt der Kreis die Ausbildung in Eigenregie durch. © wp | Jutta Klute

„Es ist ein klasse Job. Viele tun ihn als Taxifahren ab und wissen dabei gar nicht, wie groß unser Kompetenzrahmen mittlerweile gesteckt ist. Wir dürfen sogenannte heilkundliche Maßnahmen - auch invasiver Art - eigenverantwortlich durchführen. Das bedeutet, dass wir in lebensbedrohlichen Situationen zum Beispiel bis zum Eintreffen des Arztes eine medikamentöse Therapie bei einem Patienten mit Herzinfarkt einleiten können“, sagt Jessica Rautenberg. Neue Reglements haben den Kompetenzrahmen der Notfallsanitäter um einiges erweitert.

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Schule hat ihren Sitz in Meschede-Enste

Die Ausbildung an der Schule in Meschede-Enste ist sehr genau durchgetaktet. „Es geht mit vier Wochen Schule los und die theoretischen Blöcke wechseln sich mit den praktischen ab. Dazu zählen Praktika entweder auf einer Rettungswache oder in einem Krankenhaus. Anästhesie, OP, Intensivstation, Notfallaufnahme, Kinderabteilung und Psychiatrie – alles gehört dazu. Ich finde schon, dass die Ausbildung ein sehr breites Spektrum abdeckt. Und alle Lehrer sind durchweg Praktiker. Das macht das Ganze sehr authentisch.“

Zum Schluss acht Prüfungen

Jeder schulische Block endet mit einer Klausur. Auch die Abschlussprüfung verdient den Namen Staatsexamen zu Recht. „Es gibt drei schriftliche Prüfungen und eine mündliche mit internistischen und chirurgischen Fallbeispielen, mit Reanimation und mit Übergabe von Rettungswagen ans Krankenhaus. Und all das zweimal: Einmal in der Rolle als Teamführerin und einmal als Teamhelferin, macht insgesamt acht praktische Prüfungen. Rautenberg: „Nach den drei Jahren kann ich sagen: Ich fühle mich sehr gut auf meinen Alltag vorbereitet. Dennoch weiß ich, dass das richte Lernen erst jetzt durch den praktischen Alltag und die Erfahrungen beginnt.“ Jährlich müssen alle, die im Rettungsdienst arbeiten, eine 30-stündige Fortbildung absolvieren. Hinzu kommt eine Rezertifizierung, die mit einem Fallbeispiel verbunden ist. Soviel zum Thema Taxifahren...

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Früher war der Job im Rettungsdienst eine von Männer beherrschte Domäne: „Unter den 13 Absolventen und Absolventinnen waren nur fünf Männer“, berichtet Jessica Rautenberg. „Körperliche Fitness und Belastbarkeit sind schon sehr wichtig. Man arbeitet halt sehr unmittelbar am Patienten. Aber dank technischer Hilfsmittel und moderner Tragen ist das Ganze nicht mehr allein nur eine Frage der Kraft.“

Viel unmittelbares Feedback

Die Brilonerin, die als eine von drei Frauen mit 17 Männern zusammen auf der Briloner Rettungswache arbeitet, denkt nicht mehr an ein Medizinstudium. „Ich weiß, dass viele diese Ausbildung als Sprungbrett nutzen. Aber ich liebe den Job. Man bekommt ein sehr unmittelbares Feedback von den Patienten - sehr viel Dank, Respekt und Anerkennung.“ Nein, körperlich angegangen worden sei sie bei ihrer Arbeit noch nicht. „Verbal schon, aber das war dann eine alkoholisierte Klientel und das muss man den Menschen nachsehen.“

Praxisanleiterin oder auch später einmal selbst Dozentin an einer Rettungsdienstschule – das kann sich Jessica Rautenberg als persönliche Berufsperspektive vorstellen. Aber so lange macht sie erstmal den Job, der für sie viel mehr ist als nur ein Job…