Hochsauerlandkreis. Der Krieg in der Ukraine eskaliert, viele fürchten, dass Putin Nuklearwaffen einsetzt. Ein Militärexperte aus dem HSK ordnet das Geschehen ein.

Die Eskalation des Krieges in der Ukraine schockiert: Russland attackiert zivile Ziele in der Ukraine mit Raketenbeschuss, nachdem auf die Krim-Brücke ein Anschlag verübt worden ist. Präsident Wladimir Putin droht zudem immer wieder mit dem Einsatz nuklearer Waffen. Der Sauerländer Militärexperte und Präsident des Reservistenverbandes, Professor Patrick Sensburg aus Brilon, ordnet das Geschehen ein.

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Nach dem Anschlag auf die Krim-Brücke hat Putin mit einem massiven Raketenangriff geantwortet. Droht jetzt eine Lage, in der sich die Gewaltspirale weiter nach oben schraubt?

Der Krieg in der Ukraine ist noch lange nicht zu Ende und ich habe immer betont, dass wir uns auf viele Monate eines brutalen Krieges mit massiven Auswirkungen auch auf uns einstellen müssen. Putin kann den Krieg mit konventionellen Mitteln nicht gewinnen und wird die Ukraine nicht einnehmen können. Ganz im Gegenteil ist die Ukraine im herannahenden Winter in einem Partisanenkrieg im klaren Vorteil. Es ist davon auszugehen, dass Putin und die neue militärische Führung ihre Aggressionen gegen die Bevölkerung ausweiten werden. Dies haben wir leider schon in anderen Konflikten, wie in Syrien, gesehen.

Ist die einzige Möglichkeit für eine schnelle Lösung des Konfliktes der Verhandlungstisch? Und glauben Sie, dass es möglich sein kann, noch einmal alle Kriegsparteien an eben diesen zu bekommen?

Nein, es wird keine Verhandlungen mit einem menschenverachtenden Diktator geben, der Diplomatie nur als Schwäche betrachtet und an seinem Ziel weiter arbeitet, nach der Ukraine auch weitere Staaten unter seine Kontrolle zu bringen.

Patrick Sensburg ist Militärexperte und gibt regelmäßig seine Einschätzung zum Kriegsgeschehen in der Ukraine in der WP.
Patrick Sensburg ist Militärexperte und gibt regelmäßig seine Einschätzung zum Kriegsgeschehen in der Ukraine in der WP. © Vincent Mosch

Ist durch die neuerlichen Eskalationen im Krieg Ihrer Meinung nach das Risiko des Einsatzes von nuklearen Waffen gestiegen?

Auch Putin wird erkennen müssen, dass der Einsatz von auch kleineren taktischen Atomwaffen eine verheerende Wirkung auf Russland hätte. Die Auswirkungen von Atomwaffen sind nie nur lokal. Werden sie gegen NATO-Staaten oder nah der Grenze eingesetzt, wird dies entschlossene Antworten der NATO und auch anderer Staaten hervorrufen. Die Welt wird keinen Atomkrieg Russlands ohne Konsequenzen hinnehmen. Putin hätte damit eine Grenze überschritten, die keine Gewinner mehr erlaubt und Russland den größten Schaden einbringen würde. Dies kann niemand wollen.

Derzeit wird debattiert, ob Raketenabwehrschirme in die Ukraine geliefert werden sollen. Können diese den Städten in der Ukraine Schutz gewährleisten bei Raketenangriffen?

Zum Schutz der Zivilbevölkerung bedarf es einer Abwehr von Angriffen durch die russische Luftwaffe und insbesondere gegen Raketenangriffe. Ich gehe davon aus, dass diese zunehmen, um die Menschen in der Ukraine zu zermürben. Auch hier hat Russland aber kein endloses Waffenarsenal, obwohl es nach allen Kräften nachproduziert. Systeme, die Raketenangriffe abwehren können, sind somit sinnvoll und insbesondere zum Schutz der Bevölkerung aus humanitären Gründen zwingend notwendig.

Welche Waffensysteme sind in den nächsten Wochen notwendig, damit die Ukraine auch in den künftigen Wochen Erfolge vorweisen kann?

Wir reden hier nicht von den nächsten Wochen. Die Ukraine benötigt seit dem Ausbruch des Krieges Luftabwehrsysteme und wird diese auch noch in den kommenden Monaten benötigen, denn der Krieg wird nicht kurzfristig beendet sein. Wir hatten darum in Deutschland auch die Diskussionen um die Lieferung des Flugabwehrkanonenpanzers Gepard und jetzt um das Flugabwehrsystem vom Typ IRIS-T. International gibt es weitere Systeme, welche die Menschen in der Ukraine schützen können. Die Frage ist, wie schnell diese geliefert werden können und wie Systeme im eigenen Land jeweils durch neue Systeme ersetzt werden können. Auch hier muss Putin erkennen, dass er seinen Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen kann und seine Aggression beenden muss. Dann sind Verhandlungen auch wieder möglich. Vorher sehe ich dazu auf keiner Seite eine Bereitschaft.