Brilon. „Pflege vor Säge!“ Brilon erstellt ein Konzept für den Stadtforst. Es geht dabei um den Schutz des Ökosystems Wald, der zum Zuschussbetrieb wird.

Von der Baumvielfalt bis hin zu angepasstem Wildbestand und ausreichend Personal: Über 15 Seiten umfasst das Waldbaukonzept für den Stadtforst Brilon alles, was das schützenswerte Ökosystem „Wald der Zukunft“ ausmacht. Der Briloner Rat hat das Konzept in seiner Sitzung Ende September zustimmend zur Kenntnis genommen. Leitmotiv: „Pflege vor Säge!“

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Extensive Forstwirtschaft ist vorbei

Zwangläufig vorbei ist es mit einer extensiven Forstwirtschaft. Oder, wie es Bürgermeister Dr. Christof Bartsch konkretisierte: „Der Wald braucht uns nicht, er kann sich selbst helfen. Aber wir brauchen den Wald!“ Allein aus dem Betriebsgeschehen heraus lasse sich dieser Umbau finanziell nicht bewältigen, „Es wird ein Zuschussbedarf bestehen, eventuell mit öffentlichen Mitteln unterstützt“, stellte der Bürgermeister klar. Der Rat habe den Verantwortlichen im Forst mit seiner Zustimmung ordentlich Rückenwind gegeben. Darüber hinaus kommt das Konzept extern, in der überschaubaren Forstwelt, gut an: „Mein Dank gilt Markus Kotek und dem Team vom Stadtforst, die gute Arbeit geleistet haben.“

Gefällte Fichten auf einem Lagerplatz: Wald braucht künftig eine andere Nutzung und Zuwendung.
Gefällte Fichten auf einem Lagerplatz: Wald braucht künftig eine andere Nutzung und Zuwendung. © WP | Michael Kleinrensing

Große Überschüsse, wie sie aus den Hiebsätzen in 2022 und 2023 (insgesamt 1,4 Mio. Euro) noch erzielt werden können, werden schon bald der Vergangenheit angehören. Und es wird im „Wald der Zukunft“ auch nie wieder so viel Ertrag zu erzielen sein, machte der Bürgermeister klar. „Es wird ein Dauerwald über drei Generationen aufgebaut. Er wird lichtdurchlässig sein und auch für Pilze, Farn und weitere Pflanzen Lebensraum bieten. Das ist ein Boden, den wir in Mono-Fichtenbeständen so nicht kennen. Er hält Feuchtigkeit und kühlt.“ Nachteile des Dauerwaldmodells mit mehreren Ökosystemen: Erschwerte Holzernte (geringe Leistung, erhöhte Kosten) und Holzvermarktung (viele Sortimente, kleine Mengen pro Sortiment). Unschlagbarer Vorteil: deutlich stabilere und gesunde Bestände (Biodiversität, Artenvielfalt, Wasserhaushalt, Lichtverhältnisse, Bodenbeschaffenheit). Bartsch: „Wir müssen erst das Ökosystem aufstellen, damit wir wieder Holz bekommen.“

Dauerwald-Idee hat Pate gestanden

Dem Waldbaukonzept ging ein zweijähriger Informations- und Diskussionsprozess voraus. U.a. waren Tourismus, Sägeindustrie, Jagd, Naturschutz und Wissenschaft eingebunden. Es richtet sich nach der seit 1922 in vielen Betrieben erprobten Dauerwaldidee von Alfred Möller. Noch immer nehmen die Käferpopulationen im Stadtforst zu, sehr wahrscheinlich werden nahezu die gesamten Fichtenbestände (4.100 ha von insgesamt 7.750 ha stadteigenem Wald) der Kalamität zum Opfer fallen.

Erholung und Holzbau sind künftig nur zwei von vielen Leistungen, die der Wald erbringt. Und allem voran ist er CO-2-Speicher. Auch das Abräumen mit großen Harvester-Maschinen sei nicht mehr das Mittel der Wahl: „Es wird auf die richtige Pflege ankommen.“ Als neue Umsatzquelle sieht das Konzept durchaus Windenergieanlagen auf Kalamitätsflächen in Betracht, nicht aber Photovoltaikfelder.

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Dem Wild Grenzen setzen

Wichtige Komponente: die Jagd. Mit Blick auf die vielen Setzlinge, ob gepflanzt oder durch Naturverjüngung eingebracht, „darf das Wild nicht alles wieder verwaisen“. Gespräche mit Jägern und Jagdpächtern wurden geführt, dass unbedingt Wild auch kurzfristig dezimiert werden müsse. „Wir müssen die Instrumente nutzen, wenn es nicht funktioniert“, so Bartsch. Jagdgebiete könnten sogar unter die Regie des Forstbetriebs gestellt werden, besagt das Konzept. Und: „Bei Nichterfüllung der Abschussvorgaben werden unter der Regie des städtischen Forstbetriebs revierübergreifende Drückjagden durchgeführt.“

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Runder Tisch zum Wald der Zukunft

Nächster Punkt: „Das gesellschaftliche Interesse am Ökosystem Wald muss ein gemeinsames sein“, betonte der Bürgermeister. Nur so sei es zu schaffen. „Wir müssen den Menschen, die hier in Brilon eine enge Beziehung zum Wald haben, sagen, was wir tun.“ Bereits etabliert ist ein „Runder Tisch Wald der Zukunft“. Die neue Ausrichtung erfordere viel Kommunikation und eine andere personelle Ausstattung. Auch Markus Kotek vom Stadtforst appellierte: „Ich hoffe darauf, dass die Briloner Bürger mithelfen und mitarbeiten. Es ist ein Konzept, wir stehen am absoluten Anfang. Wir sind auf Hilfe von Jägern, Tourismus, Naturschützern angewiesen. Es wird dauern, Zeit und Geld kosten, aber ich bin überzeugt: Wenn wir es gemeinsam anpacken, schaffen wir es auch.“