Hallenberg. Eine Landstraße wird Versuchskaninchen. Bei der Sanierung der L717 in Hallenberg wird ein neuer Asphalt getestet: weniger Dämpfe, weniger Energie.

Das hätte sich die Landstraße 717 zwischen Hallenberg und Bad Berleburg-Wunderthausen auch nicht träumen lassen. Der Streckenabschnitt, der vorher in einem wirklich erbarmungswürdigen Zustand für jeden Stoßfänger war, wird für den Landesbetrieb Straßenbau (Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift) zum Modellversuch. Zwei kleine Abschnitte auf der Strecke bekommen im Rahmen der Sanierung eine Decke aus sogenanntem Niedrigtemperatur-Asphalt.

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Geringere Temperaturen

„Das Ganze ist ein Versuch. Das aufgebrachte Material ist von der Zusammensetzung her ähnlich wie sonst auch. Allerdings wird der Asphalt unter Beigabe von Zusatzstoffen bei geringeren Temperaturen hergestellt bzw. aufgebracht“, erklärt Oscar Santos, Sprecher des Landesbetriebes. Vereinfacht gesagt: Statt bei 160 oder 180 Grad wird die „Straßensuppe“ nur noch bei 135 bis 140 Grad gekocht.

Kamera, Scanner, Messgeräte: Die Bauarbeiten an der L717 zwischen Hallenberg und Wunderthausen werden dokumentiert, um Erfahrungen über den Einsatz des Niedrigtemperatur-Asphalts zu bekommen.
Kamera, Scanner, Messgeräte: Die Bauarbeiten an der L717 zwischen Hallenberg und Wunderthausen werden dokumentiert, um Erfahrungen über den Einsatz des Niedrigtemperatur-Asphalts zu bekommen. © WP | Rita Maurer

Das dient einerseits dem Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden, denn durch die Verringerung der Einbautemperatur wird die Belastung durch potenziell gesundheitsschädliche Dämpfe und Aerosole auf der Baustelle reduziert. Andererseits bedeutet die geringere Temperatur auch eine Energieeinsparung bei der Herstellung und Verarbeitung.

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Modellversuch

In Sachen Aerosole und Dämpfe tritt künftig ein neues Regelwerk in Kraft. Schon jetzt gibt es beim Einbau Absauganlagen; aber die Werte sollen möglichst noch weiter nach unten korrigiert werden. Daher wird auf den Modellstrecken mit Scannern und Wetterkamera ein Tagesprotokoll geführt, das zum Beispiel auch festhält, bei welchen äußeren Witterungsbedingungen das Material verbaut wurde. Santos: „Die Modellversuche werden daher zu unterschiedlichen Jahreszeiten und auch in verschiedenen Höhenlagen gemacht.“

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In dieser Woche ging es an das erste, etwa 150 Meter lange Erprobungsfeld und voraussichtlich am 10./11. Oktober ist das zweite, etwa 1000 Meter lange Stück an der Reihe. Die anderen knapp zwei Kilometer werden nach dem herkömmlichen Verfahren bearbeitet, um einen unmittelbaren Vergleich zu haben. Generell wird nach dem Drei-Schichten-Prinzip gearbeitet: die Straße hat (von unten nach oben betrachtet) eine Trag-, eine Binde- und eine Deckschicht. „Man wird sehen, wie sich der Niedrigtemperatur-Asphalt verhält. Je heißer das Material ist, umso flüssiger ist es. Es wird sich zeigen, ob es sich im kühleren Zustand genauso gut verteilen lässt oder ob sich kleine, unerwünschte Hohlräume bilden“, sagt Santos. Denn die wären dann die Türöffner für den Eintritt von Wasser und das macht wiederum den Straßen im Sauerland im Zusammenspiel von warmen Sommern und eisigen Wintern arg zu schaffen.

Probestrecke auch auf der A46 bei Bestwig

Bundesweit wird das Verfahren mit Niedrigtemperatur-Asphalt an 50 Bundes- und Landstraßen bzw. Autobahnen ausprobiert. In NRW gibt es insgesamt acht Streckenabschnitte auf Probe.

Bei den Autobahnen ist die A46 zwischen Meschede und Bestwig das „Versuchskaninchen“.


Die Besonderheit ist dort, dass pro Fahrtrichtung drei Erprobungsfelder und ein Referenzfeld angelegt wurden. Damit zählt dieses Projekt zu den bedeutsamen Pilotprojekten im Bereich der Autobahnen. Und das auch, weil die Erprobung in diesem Bereich aufgrund der hohen Verkehrsbelastung eine besondere Herausforderung ist.

In den Erprobungsabschnitten werden verschiedene Asphaltmischungen mit unterschiedlichen Zusätzen eingebaut. Denn damit der Asphalt verarbeitet werden kann, muss die Senkung der Einbautemperatur ausgeglichen werden. Es werden Zusätze wie Wachse und Mineralien beigefügt, die die Zähflüssigkeit des Materials verändern, um die Eigenschaften zu erzielen, die der Asphalt normalerweise aufweist.

In den kommenden Jahren werden neue Grenzwerte für die Belastung durch Aerosole auf Baustellen gelten, die mit der herkömmlichen Bauweise nicht eingehalten werden können.

Die Baukosten betragen übrigens rund 2,2 Millionen Euro. Der insgesamt 2,9 Kilometer lange Streckenabschnitt beginnt im Bereich der Brücke über die Weife (Haarnadelkurve) und endet an der Kreisgrenze nach Siegen-Wittgenstein. Die Instandsetzung der Landesstraße wird abschnittweise und unter Vollsperrung ausgeführt. Neben den Arbeiten an der Fahrbahn ist die Erneuerung der Entwässerung sowie in Teilbereichen die Stabilisierung der talseitigen Straßenböschung vorgesehen.

Während der Bauzeit ist eine Umleitung über Allendorf (Eder) und Hatzfeld (Eder) im Landkreis Waldeck-Frankenberg sowie über Bad Berleburg-Arfeld und Bad Berleburg eingerichtet.