Brilon. Von massiven Verstößen ist im Briloner Rat die Rede: Die Stadt hat das Vergaberecht missachtet. Der Bürgermeister rechtfertigt das Vorgehen.
In Brilon wurde in den vergangenen Jahren massiv und wiederholt gegen das Vergaberecht verstoßen. Das geht aus einem Bericht des Rechnungsprüfungsamts des Hochsauerlandkreises vor, der am Donnerstagabend dem Rat Brilon vorgelegt wurde. Die Verstöße fanden im Bereich der Forstwirtschaft statt. Geprüft wurden rund 130 Verträge aus den Jahren 2015 bis 2021. „Die Auftragsvergaben ohne Berücksichtigung des Vergaberechts und ohne Beteiligung des Haupt- und Finanzausschusses weisen auf ein fehlendes oder mangelhaft funktionierendes internes Kontrollsystem hin“, bilanzierte Rechnungsprüfer Christof Dürwald. Insbesondere in den Jahren 2019 bis 2021 habe es Verstöße gegeben – unter anderem seien Zuständigkeiten missachtet worden, die in der Vergabedienstanweisung geregelt sind. Beispielsweise seien Unterschriftbefugnisse des Bürgermeisters missachtet worden.
Finanzieller Schaden für die Stadt Brilon entstanden?
Laut Prüfungsamts des Hochsauerlandkreises sei jetzt nicht mehr festzustellen, ob durch die fortgesetzten Verstöße ein finanzieller Schaden für die Stadt entstanden sei. Dürwald sieht dies aber als wahrscheinlich an, da bei einem ordentlichen Ausschreibungsverfahren in der Regel für die Stadt bessere Angebotspreise zu erzielen seien: Konkurrenz belebt das Geschäft. Hinweise, die einen Korruptionsverdacht herleiten könnten, ergaben sich aus den geprüften Unterlagen allerdings nicht.
Bürgermeister Dr. Christof Bartsch rechtfertigte die Verstöße mit einer „jahrzehntelangen Praxis in der Forstwirtschaft.“ Dies mache die Missachtungen der geltenden Rechtslage zwar im Nachhinein nicht rechtsfest. Es sei aber – insbesondere in der Zeit nach Kyrill und während der Borkenkäferplage – notwendig gewesen, pragmatische Lösungen zu finden, das Holz schnell aus dem Wald zu bekommen. „Ein vom Borkenkäfer befallener Baum kann 8000 weitere infizieren“, sagte Bartsch. Ein wochenlanger Vergabeprozess hätte die ohnehin schon dramatische Situation im Stadtwald nur noch weiter verschlimmert. „Wir mussten auf Kosten des Formaljuristischen handeln“, so Bartsch. Und: „Wir haben jetzt mit der Aufarbeitung angefangen.“ Dass die Stadt nach einer Ausschreibung für den Briloner Haushalt bessere Ergebnisse hätte erzielen können, zog Bartsch in Zweifel. Inhaltlich stützte Sebastian Schönnenberg, Forstrevier Schellhorn-Borberg, die Argumentation des Bürgermeisters. „In einem von Stürmen und Käfern gebeutelten Wald ist Gefahr in Verzug. Da muss schnell gehandelt werden.“ Je länger man das tote Holz im Wald liegen lasse, desto größer sei auch die Gefahr von Waldbränden.
CDU arbeitet sich in der Debatte an dem Briloner Bürgermeister ab
HSK-Rechnungsprüfer Dürwald wies in diesem Zusammenhang auf die vergaberechtliche Möglichkeit von Rahmenverträgen hin, die für Katastrophenfälle wie Stürme oder Käferplage nach einem Vergabeverfahren mit Unternehmen geschlossen werden können. Bestünden solche Rahmenverträge, sei in solchen Fällen ein Ad-hoc-Handeln möglich zu machen, ohne gegen das Vergaberecht zu verstoßen.
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Die CDU arbeitete sich in der Debatte am Bürgermeister ab und kritisierte die rechtswidrige Praxis. CDU-Ratsherr Thomas Becker etwa hätte von Bartsch von dem Hintergrund der Verstöße, „etwas mehr Demut gewünscht als Schönfärberei.“ CDU-Fraktionschef Eberhard Fisch, selbst Jurist, wies darauf hin, dass im Prüfbericht Verstöße seit 2015 dokumentiert wurden – also vor der Käferplage. Jürgen Kürmann warf dem Verwaltungschef vor, gegen das „Ein-mal-Eins der Verwaltungstätigkeiten“ verstoßen zu haben. Selbst bei Dringlichkeitsbeschlüssen sei es versäumt worden, die notwendige Unterschrift eines Ratsmitglieds vorab einzuholen. „Der Bürgermeister trägt die Verantwortung für diese Fehler“, so Kürmann.
Stadt Brilon mit Klage konfrontiert
Es ist geplant, nun für den Forstbereich eine eigene Vergabedienstanweisung mit allen entsprechenden Regelungen aufzustellen. Einen Zeitplan, wann diese Praxis angewendet wird, gibt es nicht. Nach dem Prüfbericht wurden die Arbeiten daran aufgenommen.
Die Stadt Brilon sieht sich aktuell – wie berichtet - auch mit der Klage eines Unternehmen aus Bayern konfrontiert. Es geht um 2,3 Millionen Euro Schadensersatz. Den Anspruch macht das Unternehmen aus Bayern als Erstattung für entgangenen Gewinn geltend. Im September 2020 hatte der Stadtforst mit dem Holzhändler aus Bayern einen Vertrag über 80.000 Festmeter Käferholz geschlossen. Das Unternehmen behauptet zu wenig Holz erhalten zu haben.