Oberschledorn. Der Personalnotstand in der Kita St. Agatha Oberschledorn spitzt sich zu und die Eltern sind alles andere als zufrieden mit dem Krisenmanagement.
Fachkräftemangel gibt es in vielen Bereichen. Aber wenn Kindertageseinrichtungen betroffen sind, wird es sehr problematisch. In der Kita St. Agatha in Oberschledorn hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Von Monat zu Monat müssen die Eltern jetzt die Anzahl der gewünschten Betreuungsstunden neu übermitteln. Und jeder ist gehalten, die Stunden möglichst knapp zu kalkulieren. Ansonsten drohen Gruppenschließungen. Die Eltern sind mit dem Krisenmanagement alles andere als zufrieden. Für die Trägerin, die Katholische Kindertageseinrichtungen Hochsauerland-Waldeck gem. GmbH, die im HSK 64 solcher Einrichtungen betreibt, hat es so einen Engpass wie in Oberschledorn noch nie gegeben.
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Im Januar erhielten die Eltern ein Schreiben des Kita-Trägers: „Wie Sie (…) gehört haben, gibt es im Bereich der Kindertageseinrichtungen einen fortschreitenden Fachkräftemangel. Dies hängt sowohl mit gestiegenen Betreuungsbedarfen, als auch fehlendem Fachkraftnachwuchs zusammen. Leider erreicht uns dieser Personalmangel nun auch.“ Ab 1. Februar werde man eine Unterbesetzung erfahren. „Hieraus ergibt sich, dass wir die Betreuung ihrer Kinder nicht mehr ausreichend sicherstellen können, da der Fachkraft-Kind-Schlüssel nicht eingehalten werden kann.“ Trotz Bemühungen habe man kein Ersatz-Personal akquirieren können und man könne auch nicht sagen, wie lange die Unterbesetzung dauere. Von neuem Personal im Sommer ist die Rede.
Eltern in Oberschledorn kritisieren den aufgebauten Druck
In dem Schreiben werden die Eltern aufgefordert, ihren aktuellen Betreuungsbedarf anzugeben: „Sollte hierdurch keine ausreichende Reduzierung der Kinderzahlen erreicht werden, würde (...) nur die Reduzierung im Rahmen einer Gruppenschließung übrigbleiben. Ob hierdurch Kinder einer festen Gruppe oder ein Anteil aller Kinder betroffen wäre, muss in weiteren Gesprächen mit dem Landesjugendamt erörtert werden.“
Das sind deutliche Worte, die zunächst nach einer Elternversammlung und einer Abfrage dazu geführt haben, dass das gebuchte Stundensoll für die ersten Wochen mit dem Personal-Schlüssel übereinkommt. Viele Eltern kritisieren diesen aufgebauten Druck und das Verfahren: „Hier wird Verantwortung auf ganze Familien abgewälzt und nur nach Lösungen bei uns gesucht.“ Mehrfach habe sich eine Mutter angeboten, 20 Stunden pro Woche in der Kita einzuspringen. Rechtlich ist das möglich. Der Träger habe darauf nicht reagiert und gehe nicht engagiert genug in die Personal-Akquise. In anderen Städten wie Winterberg würden ganz gezielt Alltagshelfer/innen gesucht. Der Anspruch auf einen Kita-Platz sei gesetzlich verbrieft. Man lasse die Familien einfach im Regen stehen.
Unflexible Buchungsmöglichkeiten nicht zu akzeptieren
Eine Mutter moniert generell „unflexible Buchungsmöglichkeiten hinsichtlich der Betreuungszeiten insbesondere zur partiellen Nutzung des Nachmittagsangebotes“. Eltern beitragsfreier Kinder seien gezielt aufgefordert worden, den Höchstbedarf an Betreuungszeiten zu buchen, um das Personal zu erhöhen, was den tatsächlichen Personalbedarf verfälsche. Dies führe zu höher angegebenen Betreuungsbedarfen als überhaupt erforderlich. „In Anbetracht des politischen Diskurs zu Ausbau und Flexibilisierung der Betreuungsplätze ist eine Reduzierung des Betreuungsangebotes nicht zu akzeptieren“, so die Eltern
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Brigitte Weimer von der Katholischen Kindertageseinrichtungen Hochsauerland-Waldeck gem. GmbH kann den Unmut verstehen. „Erst war es Corona, das von den Eltern Einschränkungen und Flexibilität erforderte. Und jetzt das.“ Dass sich der Ärger gegen den Träger richte, sei verständlich. „Aber uns sind die Hände gebunden.“ Das erwähnte 20-Stunden-Angebot einer Mutter wolle man als letzten Trumpf in der Hand behalten. „Auf diese Person wollen wir zurückgreifen, wenn das Thema Corona noch mal aufs Tapet kommt. Dann haben wir jemanden, der ,clean‘ in die Einrichtung gehen und so ein Loch stopfen kann.“ Zurzeit sei der Markt an Fachkräften komplett leer gefegt. Deshalb, so Regionalleiterin Weimer, würden derzeit aus anderen Einrichtungen für einen begrenzten Zeitraum Mitarbeiter/innen in Oberschledorn aushelfen. Damit komme man bei sparsamer Stundenbuchung über die Runden. Mit diesem Personalnotstand umzugehen, sei auch für den Träger ein Lernprozess: „Wir ziehen daraus unsere Erfahrungen auch in dem Bereich, wie man das Ganze kommunikativ besser hinkriegen kann.“ „Rettung“ ist erst ab 1. August in Sicht. Dann will der Träger im Bereich Winterberg/Medebach alleine 13 Mitarbeitende einstellen, die aus dem Anerkennungsjahr kommen. Weimer: „Indem wir unsere Mitarbeiter selbst ausbilden, versuchen wir, der Fachkraftflaute entgegenzuarbeiten.“
HSK sagt: Reaktion des Kita-Trägers ist rechtens
Das Jugendamt des HSK erklärte auf Nachfrage, dass es im Kreisgebiet „immer wieder mal zu vorübergehenden Schließungen von Kitas“ komme: Krankheiten, Schwangerschaften und Mangel an Fachkräften. Trotz des verbrieften Rechts auf Betreuung trete dieser Anspruch dann zurück, wenn nicht ausreichend Personal zur Verfügung stehe, so Kreissprecher Martin Reuther. Die Reaktion des Trägers in diesem konkreten Fall sei rechtens.
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Wer bestimmt, wer zu Hause bleibt?
Den Eltern brennen einige Fragen auf den Nägeln: Was passiert, wenn Betreuungsbedarf und Personal-Schlüssel nicht passen – wenn mehr Stunden benötigt werden, als Mitarbeiter verfügbar sind? Dazu Brigitte Weimer:Das ist eine Sache, die im „Rat der Tageseinrichtung“ vor Ort besprochen und geregelt werden muss. Er besteht aus Vertretern von Eltern, Träger, Mitarbeitenden und Kita-Leitung. Dort sind dann Kriterien zu entwickeln wie in so einem Fall zu verfahren ist. Das ist eine sehr schwierige Entscheidung. Es geht dabei um Berufstätigkeit von beiden Eltern, um soziale Härte, weitere pflegebedürftige Kinder oder persönliche Notlagen. All das versuchen wir zu umgehen, indem wir auf die Solidarität der Eltern setzen, indem wir sagen: Was können sie an Ermäßigungen verkraften, damit wir nicht zu solchen Auswahlkriterien greifen müssen. Für uns wäre das die allerletzte Karte, die wir ziehen.Strittig ist die Frage des Personalschlüssels. Könnten nicht wirklich Azubis oder Praktikanten vorübergehend eingesetzt werden?Wir haben wirklich alle Möglichkeiten ausgereizt. Eine Anregung haben wir aus der Elternversammlung mitgenommen, nämlich die Erzieherinnen im Anerkennungsjahr aus anderen Einrichtungen in Oberschledorn einzusetzen.Und die Gruppenstärke einfach vorübergehend erhöhen?Da haben wir klare Auflagen vom Landschaftsverband als oberste Aufsichtsbehörde. Die sagen: Zum Wohle und Schutz der Kinder und der Betreuer ist der Schlüssel zwingend vorgegeben. Ansonsten kann man uns anzeigen wegen Kindeswohlgefährdung.Können Sie die Aufregung der Eltern verstehen?Ja, das kann ich. Wir haben aber beim Landschaftsverband und beim Jugendamt zumindest erreichen können, dass die Unterbuchungen den Eltern dann wenigstens ersetzt werden. Sie zahlen nicht mehr, als sie bekommen. Aber es ist natürlich nicht das, was die Eltern möchten. Wir tun, was wir können und haben einfach zurzeit im Südsauerland keine Personlaressourcen mehr. Ich finde es bewundernswert und gut, wie die Eltern grundsätzlich mitziehen. Sie sehen die Zwangslage. Wir hätten nicht gedacht, dass wir das Angebot mit den 20 Stunden einer Mutter für alle Fälle in petto halten können.
Da die Aufgaben des Jugendamtes für die Stadt Medebach vom Kreis übernommen werden, ist die Kommune in die Problematik direkt nicht eingebunden. „Trotzdem liegt mir das Thema am Herzen, denn wir möchten natürlich für Kinder und Eltern in unserer Stadt ein optimales Betreuungsangebot vorhalten“, sagt Bürgermeister Thomas Grosche. In einem Gespräch mit der Kita GmbH habe er den dringenden Wunsch geäußert, eine Lösung zu finden. Eigentlich sei er davon ausgegangen, dass ein so breit aufgestellter Träger Personalausfälle kompensieren könne. Aber man habe ihm erklärt, dass dies nicht möglich sei.
Den Mitarbeitenden mache man keinen Vorwurf
Das Problem bleibt schlussendlich an den Eltern haften, die nach wie vor Zweifel haben, dass eine Gruppenschließung und das Verwehren zugesagter Betreuungsstunden rechtens sind. Den Mitarbeitenden vor Ort mache man keinen Vorwurf, betonen sie. Aber zufriedenstellend sei die Situation nicht.
Die Eltern bezweifeln, dass man von Kindeswohlgefährdung reden könne, wenn eine Fachkraft vorübergehend acht statt sieben Kinder zu beaufsichtigen habe. Und ob gestresste Eltern, die versuchen müssen, Beruf und Familie überein zu bringen, dem Kindeswohl dienten, sei auch fraglich. „Vielleicht kann man mal für ein paar Monate den Dokumentationswahnsinn einschränken?“, regt eine Mutter an.
Um die Bildung und Chancengleichheit der Kinder sowie die Erwerbstätigkeit der Eltern zu sichern, fordern sie eine multiprofessionelle Zusammenarbeit auf kommunaler und Landesebene.