Hochsauerland. Die Zahl der Wohnmobil-Anmeldungen im HSK steigt: Warum der Urlaub auf Rädern generell und das Wintercampen im Speziellen so viel Freunde findet.

„Frostköttel“ müssen keine Bange haben. Denn so muckelig warm wie im Campingwagen wird es sonst nur noch vor dem offenen Kamin. Den gibt’s im Wohnmobil zwar nicht, aber trotzdem ist Wintercampen voll im Trend. Liegt’s an Corona, das den Ferien auf vier Rädern generell Beine gemacht hat? Ist es der in Pandemiezeiten ausgebrochene Drang nach individueller Freiheit? Ist es einfach nur ein temporäres Phänomen? Oder von jedem etwas? Allein im HSK wurden 2015 gerade mal 30 Wohnmobile angemeldet, 2019 waren es immerhin schon 197 und im vergangenen Jahr schon 295!

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Camping hat an Fahrt aufgenommen

„Insgesamt merken wir, dass das Thema Camping und Wohnmobile so richtig an Fahrt aufgenommen hat – auch im Winter“, sagt Winfried Borgmann, Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH. Und weil die Nachfrage zwischen Weihnachten und Ostern so groß ist, hat die Stadt auf dem alten Gelände der Stadthalle eine provisorische Anlage eingerichtet. Toiletten, Duschen – alles ist mobil und kann nach der Einsatzphase wieder abgebaut werden. „Wir haben dort 40 Plätze und alles läuft sehr unkompliziert. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Niemand muss sich anmelden. Der Stellplatz kostet über Nacht 25 Euro plus Kurbeitrag, dafür gibt es den Zugang zu den Sanitäranlagen und zum Stromstecker“, erklärt Borgmann.

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Wintercamping ist stark im Kommen.
Wintercamping ist stark im Kommen. © Camp Kom | HAnnes Camper

Die Stadt beobachtet den Trend sehr genau. Erst neulich wurde im Bauausschuss über den weiteren Bedarf an Wohnmobilstellplätzen beraten. Der liegt bei 40 bis 50. Jetzt muss nur noch eruiert werden, ob die Gäste, die im Wohnmobilhafen ankern, die Nähe zur Innenstadt suchen oder lieber ins Grüne bzw. ins Weiße möchten. Borgmann: „Und dementsprechend suchen wir einen Standort, wo so ein Wohnmobilhafen realisiert werden könnte.“

Sehr vom Wetter abhängig

Wintercamping ist aber speziell im Sauerland schon sehr vom Wetter abhängig: „Die Gäste, die im Winter campen, wollen Schnee haben“, sagt Petra Terhardt vom Camping & Ferienpark in Brilon. Momentan sei die Nachfrage an Wochenenden gut, unterhalb der Woche aber eher verhalten. Das ändere sich im Winter mit der Wetterlage. Generell habe das Interesse am Camping-Urlaub aber stark zugenommen. Im vergangenen Jahr habe es viele New-Camper gegeben. Zum Teil seien das Gäste, die einen Pauschal-Urlaub gewohnt sind und von routinierten Campern erstmal mit einigen Gepflogenheiten vertraut gemacht werden mussten. Vor allem bei Winterurlaubern seien die Chalets sehr gefragt, die man im Ferienpark buche kann.

Auch in den Dörfern rund um Winterberg ist die Nachfrage nach Winter-Camping eher witterungsabhängig. Das Interesse sei stabil und nicht größer als sonst, so ein Betreiber. Aber die Klientel komme sehr zielorientiert – zum Beispiel zum Skifahren oder zum Mountainbiken. Und da müsse das Wetter stimmen.

Ganzjahrestrend

Robert Meschede spricht beim Urlaub auf vier Rädern von einem Ganzjahrestrend. Er und sein Vater Wigbert sind vor zwei Jahren als Partner mit eigenem Standort beim etablierten Anbieter „Hannes Camper“ aus Braunschweig eingestiegen. In Büren-Weiberg bei Alme betreiben sie eine von acht Vermietungsstationen dieses Unternehmens bundesweit, von wo aus rund 120 Reisemobile auf Tour gehen. „Selbst über Silvester war kein Fahrzeug mehr frei. Camping ist und bleibt zwar vornehmlich ein Schön-Wetter-Thema und man kann die Attraktivität zwischen Sommer und Winter nicht vergleichen. Aber es wird auch in der kalten Jahreszeit immer beliebter. Manche fahren in den Wintersport, andere bis ans Meer oder einfach zum Wandern in den Harz oder in die Sächsische Schweiz“, sagt Robert Meschede.

Wintercamping: Im Warmen sitzen und auf die verschneite Landschaft schauen.
Wintercamping: Im Warmen sitzen und auf die verschneite Landschaft schauen. © Camp Kom | Hannes Camper

Vater und Sohn stiegen zeitgleich mit Start der Pandemie ins Camper-Geschäft ein. Ein Risiko. Als aber ab Mai 2021 das Reisen wieder möglich war, begann eine Erfolgsgeschichte. „Wir waren auf einen Schlag ausgebucht. Vielleicht hat ein Wagen mal drei Tage gestanden. Mehr aber auch nicht. Wir haben sehr viele Kunden aus dem HSK; aber es gibt auch Urlauber, die aus Nürnberg kommen, hier im Sauerland Halt machen, um das Reisemobil zu übernehmen, und die dann weiter bis nach Skandinavien fahren.“

Zahlen rund um das Thema Camping

Wintercamping liegt im Trend: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Februar 2020 rund 1,5 mal so viele Übernachtungen wie im Februar 2010 verzeichnet. In der Winterperiode von November 2019 bis Februar 2020 konnte damit eine neue Rekordzahl von 1,5 Millionen Winterübernachtungen registriert werden.

Laut Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland sind Wintercamper oder an Wintercamping Interessierte tendenziell älter als Campingurlauber in der ganzjährigen Betrachtung. Rund 70 Prozent der Wintercamper oder an Wintercamping Interessierten sind mindestens 40 Jahre alt oder älter.

Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen hat die Urlaubstrends für das Jahr
2022
ermittelt: Von 50 Millionen Urlaubsreisen entfallen rund 3,8 Millionen auf Camping (7,5 Prozent) und von 47 Millionen Kurzurlaubsreisen werden 3,5 Millionen (7,4 Prozent) mit dem Campingwagen beziehungsweise dem Wohnmobil verbracht.

Von 2019 auf 2020 erlebte die Branche einen Zuwachs von jeweils rund 3 Prozent. Für den Zeitraum 2021 bis 2023 prognostizieren Fachleute dem Campingurlaub ein Riesenpotenzial. Das Interesse an Reisemobilurlaub steigt demnach um satte 15 Prozent, das an Caravanurlaub um 12 und das Interesse am Zelten um 9 Prozent.

Die europäische Caravaningindustrie blickt auf das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der europäische Markt für Freizeitfahrzeuge verbuchte im vergangenen Jahr ein Plus von 9,9 Prozent bei den Neuzulassungen.

Die Neuzulassungen von Reisemobilen und Caravans erzielten mit 259.393 Fahrzeugen das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Mit wenigen Ausnahmen lagen nahezu alle nationalen Märkte im Plus. Für 2022 wird weiteres Wachstum erwartet. Deutschland war auch im vergangenen Jahr anteilsmäßig mit 106.138 Reisemobilen und Caravans der bei Weitem größte Markt.

Wer im Winter campt, bekommt automatisch eine zweite Gasflasche fürs Heizen dazu und kein Wagen geht ohne entsprechende Bereifung und Wintercheck raus. „Ein Vorzelt braucht man in diesen Zeiten eher nicht, aber der Spaß am Urlaub ist keine Frage der Temperatur“, so Meschede. Der Reiz des Campens liege in der Flexibilität, sich kurzfristig für ein Ziel entscheiden zu können. Ist das Wetter im Allgäu zu schlecht, geht es rüber nach Südtirol oder an die Ostsee. „Außerdem glaube ich, dass viele Menschen die Lust an der Natur wieder gefunden haben. Es hat auch ein Wandel in den Köpfen stattgefunden. Man macht bewusster Urlaub und macht sich auch Gedanken über Nachhaltigkeit.“

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Dabei sei der Urlaub in einem Camper nicht unbedingt ein Billig-Urlaub. Den könne man machen, aber die meisten wollten einen Premium-Urlaub erleben und die Möglichkeiten dafür seien inzwischen auch Standard auf vielen Campingplätzen. „Viele, die einen Wagen bei uns buchen, sind Wiederholungstäter. Und manche probieren erstmal einen Leihwagen aus, bevor sie sich dann selbst einen zulegen.“