Willingen. Party bis spät in die Nacht mit Trinkgelagen auf der Straße. Das soll es in Willingen nicht mehr geben. Wie der extreme Kurswechsel klappen soll.

Zeitgemäßes und marktgerechtes Marketing einer touristischen Destination ist eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe. Um die Weichen zu stellen für eine weitere gute Entwicklung hat die Gemeinde Willingen ein neues Marketingkonzept in Auftrag gegeben. Die fast finale Vorabversion wurde jetzt dem Gemeindevorstand präsentiert. Das alte Marketingkonzept ist auf den Prüfstand gekommen, kritisch durchleuchtet anhand der externen Sicht einer Fachagentur. Diese hat eine Bestandsaufnahme gemacht, Stärken und Schwächen ermittelt, Experteninterviews geführt, das Ganze anhand einer Marktanalyse ausgewertet und in einem fast 70 Seiten starken Konzept gut strukturiert festgehalten. Eine Ergebnis: Weg vom Partytourismus und mehr Familien-Urlauber. Ein Konzept, wie es Winterberg im benachbarten Sauerland macht.

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Gesehen, wie Willingen ohne Partygäste aussehen kann

„Was wir hier präsentieren ist ein Meilenstein. Eine sehr gute und sehr ambitionierte Grundlage für unsere künftige Arbeit“, betont Bürgermeister Thomas Trachte. Und: „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für einen Imagewandel.“ Corona habe den Tourismusmarkt nachhaltig verändert. In den zurückliegenden Monaten hätten alle Beteiligten gemerkt wie Willingen ohne Partygäste aussehen kann. Mehr und mehr Touristiker haben entschieden: „Wir wollen das!“

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Kern des Konzeptes ist die neue Positionierung, das Festlegen von Zielgruppen und Schlüsselmaßnahmen, um die neuen Ziele zu erreichen. Das Leitbild Willingens als „lebendiger Outdoor-Spot im Sauerland für die ganze Familie“ gibt die Richtung vor. Anders als bisher rücken Familien deutlich stärker in den Fokus. Stärker als bisher ist auch die Gewichtung der Outdoor-Aktiven. Die Top-Themen sind dabei Mountainbike, Familie und Kinder, Wandern, Naturerleben, Ski und Snowboard sowie Winterurlaub. Während das Bild von Willingen als Wintersportort in den Köpfen der meisten Gäste klar vorhanden ist, soll das Sommerprofil geschärft und bestehende Potenziale noch besser genutzt werden. Auch die regionale Ausprägung Willingens spiegelt sich im Marketing-Konzept wieder. Sowohl auf hessischer Seite, vertreten durch die GrimmHeimat Nordhessen und beim Sauerlandtourismus in Nordrhein-Westfalen finden die Zielgruppen sehr große Überschneidungspotenziale, so dass in Zukunft die Synergien einer gemeinsamen Vermarktung der Regionen besser genutzt werden.

Partytourismus in extremer Form unerwünscht

Nach wie vor ist der Partytourismus ausdrücklich kein Bestandteil des Tourismuskonzeptes der Gemeinde Willingen, im speziellen der Tourist-Information. Allerdings stellen sich die Verantwortlichen jetzt die Frage: Wen wollen wir hier haben – und wen nicht? Um das zu verdeutlichen enthält das neue Marketingkonzept eine Festlegung auf ganz bestimmte Zielgruppen, die durch Beschreibung einer jeweiligen fiktiven Persona sehr plakativ ins Bewusstsein rücken. Damit ganz klar ist, welcher Partygast erwünscht und welcher unerwünscht ist, wurde zudem eine Anti-Persona geschaffen. „Es geht hier nicht um den Clubtourist, der abends in geselliger Runde den Tag ausklingen lässt, sondern um diejenigen, die uns ausschließlich Probleme bereiten und wirtschaftlich so gut wie keinen Nutzen haben“, betont Bürgermeister Trachte.

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Stärker als bisher Thüringen und Niedersachsen angesprochen

Die Hauptquellmärkte bleiben bestehen. Stärker als bisher sollen Thüringen und Niedersachsen angesprochen werden. Wichtig ist den Verantwortlichen auch die ganzheitliche Betrachtung der Situation unter Berücksichtigung der Belange der Bürger. Anspruchsvolle Aufgabe für die Kommunikation Die Mitglieder des Gemeindevorstands verfolgten die Präsentation mit Interesse. Darüber, dass die Ziel- und Schwerpunktsetzung die richtig ist, herrschte Einigkeit. Diskutiert wurde jedoch über die Umsetzung. Wie bekommen wie Unterstützung und Akzeptanz von der breiten Masse der ortsansässigen Betriebe? Welchen Handlungsrahmen haben wir überhaupt, dem exzessiven Partytourismus zu begegnen? Deutlich wurde: Die Unternehmen müssen von den Zielen überzeugt sein und mit daran arbeiten, sie umsetzen – ein hoher Anspruch an das Binnenmarketing. Trotz dieser Bedenken war das Urteil positiv: „Wir arbeiten daran!“ Stärkere Nachfrage nach Familienurlaub jetzt schon spürbar Gut eineinhalb Jahre Arbeit stecken in den Ansätzen.

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Quellmärkte werden Dänemark und Polen ins Auge gefasst

„Damit hat Willingen die Zeit der Pandemie sinnvoll genutzt, um nach der Krise direkt durchstarten zu können“, blickt Tourismusdirektor Norbert Lopatta optimistisch in die Zukunft. „Die Fokussierung auf die neuen Zielgruppen ist genau richtig. Bereits jetzt merken wir, dass Familienurlaub deutlich stärker nachgefragt wird, als zuvor.“ Mit der Fokussierung auf die Haupttätigkeitsfelder ließen sich die begrenzten Mittel besonders effizient einsetzen. Ein paar Feinheiten sollen nun noch ergänzt werden. Als weitere potenzielle Quellmärkte werden Dänemark und Polen ins Auge gefasst. Machbarkeit, Möglichkeiten und Kosten sollen anhand von Konzeptansätzen ermittelt werden. Weiterhin denken die Verantwortlichen darüber nach für die Bereiche Nachhaltigkeit und Organisation eigene Konzeptansätze zu entwickeln. Möglichst bald soll die Struktur der Tourist-Information optimiert werden. Dabei soll getrennt werden zwischen Service und Marketing, um klare Kompetenzen zu bilden und die vorhandenen Kompetenzen optimal zu nutzen. Die finale Konzept-Version wird sobald wie möglich der Gemeindevertretung zur Abstimmung vorgelegt.