Winterberg. „Es macht einfach Spaß“, sagt ein Mann, der immer aus Paderborn nach Winterberg zum Driften kommt. Eine Nacht zwischen Drifter-Szene und Polizei:
Das Schneetreiben an diesem späten Freitagabend ist dicht. Die Strecke hoch zum Kahlen Asten bei Winterberg ist weiß. Es ist stockdunkel. Eigentlich sollte man meinen, dass man bei diesem Wetter und zu dieser Zeit, 23 Uhr, sich den Weg nach oben - und zwangsläufig auch wieder nach unten - spart. Doch es herrscht Hochbetrieb. Wie Glühwürmchen huschen die Lichter fahrender Autos den Weg nach oben. Ihr Ziel: der Parkplatz rund um das Hotel und den Astenturm.
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Mit hochmotorisierten Wagen auf glatter Piste
Manchem kann es dabei nicht schnell genug gehen. Mit ihren hochmotorisierten Wagen, meist Marke BMW und Mercedes, überholen sie sogar halsbrecherisch auf der glatten Piste. Noch ist die Polizei nicht vor Ort. Das muss genutzt werden. Schließlich sind sie nicht nach Winterberg zum Skifahren oder Wandern gekommen. Sie wollen driften. Das bedeutet, den eigenen Wagen zum Übersteuern zu bringen und dabei trotzdem die Kontrolle zu behalten. Und das ist nur bei einer geschlossenen Schneedecke wie hier in Winterberg möglich.
Polizei beendet die Drifter-Party
Schon lange ärgern sich die Stadt Winterberg und viele Bürger des Wintersportortes über diese PS-Junkies. Sie beklagen Schäden an Wiesen und achtlos weggeworfenen Müll. Manche haben Angst um Leib und Leben. Genau an diesem Wochenende hat der Bürgermeister der Stadt, Michael Beckmann, die Daumenschrauben enger gedreht und die Maßnahmen gegen die Fahrer, die zumeist eine lange Strecke bis ins Sauerland auf sich nehmen, deutlich verschärft.
Zumindest ist an diesem Freitagabend nicht so viel los. Auch wenn sich jetzt am Kahlen Asten um die acht Autos versammelt haben. Viele stehen einfach nur rum. Beobachten. Checken die Lage. Ist die Luft rein? Keine Polizei? Ein BWM-Fahrer wagt es. Er lässt den Motor laut aufheulen. Doch plötzlich geht alles ganz schnell. Der Sportwagen fährt wieder zurück in eine Parklücke. Drei Autos mit Kennzeichen aus Dortmund und Essen setzen sich langsam in Bewegung und fahren bergab. Die Party ist vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat. Der Grund: Ein Polizeiauto ist aufgetaucht.
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Treffen bei McDonalds und der Tankstelle
Etwas früher am Abend. Tobias und Abdul arbeiten an einer Tankstelle in der Nachbarschaft zum McDonalds am Ortseingang von Winterberg. „Die Drifter kommen bei Schnee meistens so ab zehn Uhr und treffen sich hier“, sagt Tobias und Abdul nickt. Oft würden sie einfach dort parken, obwohl dies eigentlich nicht erlaubt ist. Das Areal rund um die Tankstelle sei teilweise voll von den Driftern. „Die fahren in der Regel hochwertige Autos. Zumeist BMW mit bis zu 250 PS“, sagt Abdul. Schon auf dem großen Kreisverkehr direkt vor der Tankstelle würden sie dann schon hin und wieder Gas geben und durchdriften.
Jung und mit PS-starker Edelmarke unterwegs
Auch an diesem Abend stechen ein paar Autos direkt ins Auge, die auf die typischen Beschreibungen von Driftern hindeuten: viele PS, Edelmarke, top gepflegt. Der Fahrer: jung, zumeist männlich und mit auswärtigen Kennzeichen unterwegs. Meistens sitzt man zu zweit im Boliden. Auf Ansprache vom Pressevertreter antworten sie freundlich belustigt und teil spöttisch. „Drifter? Wir? Nein! Wir wollen uns nur den Schnee hier anschauen“, sagte einer und grinst über das ganze Gesicht. Mit quietschenden Reifen braust er davon.
Je später der Abend wird, desto unruhiger wird es auf den Straßen rund um Winterberg. Es ist viel Bewegung drin. Überall begegnet man ihnen. Beispiel Remmeswiese: In dem Gewerbegebiet sind immer wieder welche unterwegs. Manchmal stehen sie einfach nur an den Straßen und unterhalten sich. Zwei Wagen. Heruntergelassene Autoscheiben.
Die Spuren im Schnee verraten es
Beliebt scheint auch die Straße Lamfert am Rande des Gebiets. Hier liegt der Schnee noch auf dem Weg. Zum Ende der Straße, die an einem Feld entlang führt auf dem es wohl auch schon häufiger Drifter-Schäden gegeben hat, befindet ein kleiner Kreisel. Die Spuren im Schnee verraten es. Auch hier geben die Fahrer Gas. Doch sobald sich ein fremdes Auto von Weitem nähert, verschwinden sie.
Drei Autos stehen dort beisammen. Drifter? „Nein“, sagt der junge Fahrer und zeigt seine McDonalds-Tüte. Sie würden sich hier nur mit Freunden treffen. „Wir kommen alle aus dem HSK. Das kannste ja an unserem Nummernschild sehen“, sagt er und deutet mit dem rechten Daumen nach hinten. Drifter seien aber auch heute wieder einige unterwegs. „Fahr mal in Richtung Altastenberg, die Parkplätze der Skigebiete und den Kahlen Asten an. Da sind bestimmt welche“, so der junge Mann.
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Erklärungen eines Drifters
Wenig später. Treffer. Am Parkplatz Bikepark beschleunigt gerade eine schneeweiße Mercedes-E-Klasse und jagt auf dem verlassenen, unbeleuchteten Parkplatz um die Kurve. Drei weitere Autos stehen an der Seite. Sie haben das Fenster auf. Jubel ist hören, verhallt aber wegen des Motorenlärms des Wagens. Als sich ein weiteres Auto anschickt, auch seine Driftkünste zu beweisen, ist der „Spaß“ auch schon wieder vorbei. Denn ein Polizeiauto biegt gerade um die Ecke. Ruhig und abgeklärt sprechen die Beamten mit den Fahrern, die bei dieser Aktion als Zuschauer am Rande stehen.
Dagegen fährt der Fahrer des weißen Mercedes auf den Reporter zu. Angelockt vom Blitzlicht der Kamera. Die Autoscheibe fährt nach unten. „Ey, was wird das, wenn es mal fertig ist“, fragt der Mann. Aus dem Inneren des Autos duftet es so, als seien sämtlichen Armaturen und Sitze mit einem teuren Parfüm eingesprüht worden. Alles blitzeblank. Kein Staubkorn zu sehen.
Seinen Namen will der 30-jährige Mann aus Paderborn, blondierte Haare und Bart, lieber nicht nennen. Auch nicht den seiner Freundin, die auf dem Beifahrersitz sitzt. Was macht denn die Faszination des Driftens aus? Er überlegt kurz. „Was soll ich sagen, es macht einfach viel Spaß“, sagt er. Er fahre nach Winterberg schon zum Driften, seit er einen Führerschein besitze. Hier seien die Bedingungen einfach am besten. Und Schnee liege eigentlich fast immer. Er selbst fahre aber nur auf leere Parkplätze und nicht auf Wiesen und Felder, beteuert. „Ich kann die Winterberger schon verstehen, dass sie vom Lärm und den Beschädigungen genervt sind. Aber ich halte mich an die Verkehrsregeln und rase auch nicht durch Wohngebiete“, sagt er und verschwindet in die Nacht.
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„Es ist ein Katz und Maus-Spiel“
Mittlerweile ist der Polizeiwagen wieder weg. Der Parkplatz ist leer. Keine 30 Sekunden leuchten dann schon wieder die Scheinwerfer eines Autos auf. Dann folgen drei weiterer Wagen. Zehn Minuten lang rasen die Autos abwechselnd ums Rondell. Bis schließlich erneut eine weitere Streife auftaucht. Das Spiel wiederholt sich. Schnell ist der Platz wie leer gefegt. Die beiden Polizisten sind tiefenentspannt. Heute sei es wirklich sehr ruhig, seiner einer. Da seien schon mal deutlich mehr Drifter unterwegs gewesen, so der Polizist. Er und seine Kollegen würden jeden Hotspot kennen, der von der Szene angesteuert werde. „Am Ende ist es ein Katz und Maus-Spiel“, sagt er.