Winterberg. Die Drifter-Szene hält Winterberg in Atem. Immer wieder schleudern Autos über Felder und Wiesen. Bürger sind genervt und haben auch Angst.

In der Wohnung von Hildegard Hester riecht es verführerisch. Gerade backt die 67-jährige Winterbergerin Plätzchen. Es ist weihnachtlich dekoriert. Gemütlich und heimelig. Doch immer wieder wird diese Gemütlichkeit gestört. Immer dann, wenn es geschneit hat - und die Drifter kommen. Auto-Chaoten, die Winterberg seit einiger Zeit in Atem halten.

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Immer wieder strömen bei Schnee zumeist junge hochmotorisierte Fahrer in die Winterberger Umgebung, um das maximale aus ihren Wagen herauszuholen. Dabei bringt der Fahrer sein Fahrzeug zum Übersteuern, während er versucht die Kontrolle und ein hohes Fahrtempo beizubehalten - das klappt dann mehr oder weniger. Es gibt tatsächlich offizielle Wettbewerbe auf extra ausgewiesenen Flächen. In Winterberg sind es private und öffentliche Parkplätze aber auch Wiesen und Felder.

Organisation über die sozialen Netzwerke

Sucht man beispielsweise auf der Internetplattform Youtube den Begriff Winterberg und Drifter, findet man zwei Videos in denen ein Fahrer die Kontrolle verliert und unter dem Gejohle einer großen Zuschauer-Menge gegen einen anderen Wagen donnert. Das Phänomen der Drifter in Winterberg stellt dabei Polizei, Stadt und Ordnungsamt vor großen Problemen. Die Szene ist über die sozialen Netzwerke wie beispielsweise Instagram immer bestens informiert und gibt sich gegenseitig Tipps, wo man am besten driften kann. Treffpunkt sei in der Regel eine Tankstelle in Winterberg, heißt es.

Manchmal geht bei den Touren durch die Botanik auch mal was schief.  
Manchmal geht bei den Touren durch die Botanik auch mal was schief.   © WP | Polizei

Der Lärmpegel ist enorm

Hester runzelt die Stirn. Ihr Haus steht direkt am Kirmesplatz in der Innenstadt. In der Nachbarschaft liegt das Franziskus-Hospital und die Feuerwehr. Doch die vereinzelten Alarmmeldungen für Rettungsdienst und Feuerwehr stören weniger als der heulende und röhrende Motorenlärm in der Nacht und vor allem am Wochenende. Doch nicht nur dann. Sogar unter der Wochen und tagsüber drehen die Motor-Freaks auf dem Platz ihre Runden. Der Lärmpegel sei enorm, so Hester. „Denen ist völlig egal, ob Sie erkannt werden“, so die 67-Jährige. Ihr Mann, früher beim Ordnungsamt, habe mal einen Drifter zur Rede gestellt. „Mein Mann hat da eine klare Ansprache gehalten und die jungen Männer haben dann versucht, sich rauszureden und sind davon gefahren“, sagt sie.

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„Diese Massen machen mir echt Angst“

Dass die Fahrer auch mal außerhalb von Parkplätzen und Wiesen das Gaspedal durchdrücken, habe sie auch schon erlebt. „Die sausen hier teilweise den Kreuzweg hoch, da muss man schon sehen, dass man rechtzeitig in Deckung geht“, sagt sie. Sie und ihr Mann seien „entsetzt“ gewesen, als sie mal eine von Driftern zerfurchte Wiese gesehen haben. Dagegen, dass junge Menschen auch „Spaß“ mit ihren Autos haben wollten, könne sie schon verstehen. Aber: „Diese Massen machen mir echt Angst“, sagt sie.

Ein weiterer 38-jähriger Anwohner ärgert sich auch über die Geschehnisse auf dem Kirmesplatz. „Es sind immer fremde Kennzeichen. Teilweise aus dem Ruhrgebiet, aber beispielsweise auch aus Lippstadt“ , sagt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will. Zeitweise würden bis zu 20 Autos ihre Stunts auf dem Platz durchführen. „Sobald man bei der Polizei anruft, hat man das Gefühl, die merken das und verschwinden rechtzeitig“, sagt er. Zum Glück habe er moderne Fenster, die den Lärm der Motoren absorbieren würden.

Baum wird auf der Straße platziert

Auch die Freiwillige Feuerwehr Winterberg hat direkt und indirekt mit den PS-Junkies zu tun, erklärt deren Pressesprecher Jens Vogelsang. So sei ein Auto eines Feuerwehrkameraden durch herumfliegende Steine, mutmaßlich ausgelöst durch einen Drifter, beschädigt worden. Doch das, was vor zwei Wochen geschah, hätte eher ins Auge gehen können. Da wurde die Feuerwehr in der Nacht zu einem Einsatz am Parkplatz des Skigebiets Sahnehang gerufen. Unbekannte hatten einen Baumstamm auf die Straße geschleppt, der eigentlich dazu gedacht war, Drifter davor abzuhalten auf das Gelände gelangen. Der Baum blockierte dann die angrenzende Straße und sei eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer gewesen. „Das ist dann kein Jugendstreich mehr. Das ist eine gefährliche Sache“, sagt Pressesprecher Vogelsang.

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Direkte Konfrontation führt zu nichts

Joachim Sögtrop atmet tief durch. Hier in seinem Büro im Erdgeschoss des Rathauses, bekommt der Leiter des Ordnungsamtes die unschönen „Ergebnisse“ der nächtlichen Drifter-Touren regelmäßig auf seinen Schreibtisch. Sobald es zu Beschädigungen auf öffentlichen Grund kommt, ist er zuständig. Außerdem koordiniert er gemeinsam mit der Polizei das Vorgehen, um den Driftern Einhalt zu gebieten.

Doch das erweise sich als schwierig. Die Verfolgung der PS-Rowdys sei in erster Linie Aufgabe der Polizei. Die Szene sei sehr gut vernetzt und warne sich gegenseitig wenn die Beamten angefahren käme. „Man muss die auf frischer Tat ertappen und das ist sehr schwer“, sagt er. Videoüberwachungen im öffentlichen Raum seien aufgrund hoher rechtlicher Hürden nur sehr schwer umsetzbar.

Auch die direkte Konfrontation mit den Driftern führe zu nichts. Im Gegenteil. Als Sögtrop einmal einen Drifter direkt ansprach habe dieser gesagt: „Das seid Ihr doch selber Schuld. Ihr könntet uns ja auch eine Fläche bereitstellen.“ Je länger Sögtrop über die Szene spricht, desto mehr ärgert er sich. „Leider haben die einfach keinen Respekt vor Umwelt und privaten Eigentum“, sagt er.