Hochsauerland. Wie kann ich bei Verlust aller Nachweise belegen, dass ich geimpft bin? Und ist die elektronische Patientenakte die Alternative zum Impfregister?
Die Forderung nach einer Impfpflicht für alle, wird schon seit geraumer Zeit auf Bundesebene kontrovers diskutiert. Konsequenterweise bedarf es bei einer Impfpflicht aber auch eines Impfregisters, in dem festgehalten würde, wer überhaupt den Piks bekommen hat. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) fordert dieses staatliche Register schon länger.
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Unterschiedliche Bewertungen aus der Politik
Und bekommt dafür u.a. Zuspruch vom heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz. Auf Anfrage unserer Zeitung sagt er: „In der Tat spricht bei einer allgemeinen Impfpflicht, wenn wir sie denn einführen sollten, sehr viel dafür, zeitgleich ein nationales Impfregister einzurichten. SPD-Bundestagsabgeordneter Dirk Wiese hat eine andere Einstellung zum Impfregister: „Ich halte das in der aktuellen Diskussion für nicht zielführend. Die Einführung würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.“ FDP-Abgeordneter Julius Cronenberg meint dazu: „Der Aufbau eines rechtskonformen Impfregisters braucht viel Zeit. Zu viel Zeit, um die Omikron-Welle zu brechen.“ Hier lesen Sie die komplette Stellungnahme der heimischen Abgeordneten zu diesem Thema.
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Österreich macht es anders
Für Kritiker, die ein solches Zentralregister als Einstieg in den Überwachungsstaat sehen, lohnt sich ein Blick nach Österreich. Dort gibt es jeweils ein zentrales Steuerregister, ein Melderegister, ein Impfregister und eine Statistikbehörde, die diese Daten miteinander abgleichen darf. In Deutschland ist das offenbar problematisch.
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Aber welche Daten werden eigentlich bei den Corona-Impfungen abgefragt und hinterlegt? „Wer sich bis Ende September zum Beispiel im Impfzentrum des HSK den Piks/die Pikse verpassen ließ, von dem wurden Vorname, Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Postleitzahl, Impfdatum und Impfstoff sowie die Info ob erste, zweite oder Booster-Impfung und die Chargennummer des Impfstoffs ans RKI weitergeleitet“, erklärt HSK-Sprecher Martin Reuther. Wichtig für einen eher theoretischen Fall: Wer seinen Impfpass, das Zertifikat und sein Handy mit dem Impfnachweis in QR-Code-Form verlöre, könnte sich beim HSK neue Dokumente ausstellen lassen. Ist der Patient zum Beispiel in einem Impfzentrum oder bei einem anderen Arzt geimpft worden, steht das nicht automatisch in der Patientenakte beim Hausarzt.
Daten werden ans RKI übermittelt
Welche Daten „fließen“ bei einer Impfung in einer Arztpraxis? Dazu Daniel Müller von der KVWL: „Die Coronavirus-Impfverordnung sieht für Praxen die Meldung eines eingeschränkten Datensatzes vor. Täglich sind nur die Daten zu übermitteln, die das Robert Koch-Institut für die laufende Beobachtung des Impfgeschehens benötigt. Angaben zur Impfindikation sowie die Chargennummer werden später mit der Quartalsabrechnung erfasst und durch die KVen an das RKI übermittelt. Es gibt keine weiteren Dokumentationsvorgaben. Ärztinnen und Ärzte dokumentieren die Impfungen wie gewohnt in der Patientenakte.“ Für die tägliche Meldung, so Müller weiter, nutzen Praxen das Impf-Doku-Portal der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Diese Angaben sind täglich zu erfassen: Anzahl der Erstimpfungen aufgegliedert nach Impfstoff, Anzahl der Abschlussimpfungen aufgegliedert nach Impfstoff, Anzahl der über 60-Jährigen bei den Erst- und Abschlussimpfungen.“
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Was den Verlust von Dokumenten anbelangt, erklärt die KVWL: Für ärztliche Leistungen wie das Impfen muss die impfende Stelle eine Patientenakte vorhalten. Aus dieser lässt sich rekonstruieren, was wann geimpft wurde. Daniel Müller: „Merkformel ist also beim Verlust der Nachweise: Gehen Sie zu der impfenden Stelle!“ Wenn die Impfungen bei einem mobilen Angebot/kommunale Impfstelle erfolgt sind, sind die jeweiligen Kommunen zuständig. Wenn die Impfung bei einem niedergelassenen Arzt erfolgt ist, ist dieser erster Ansprechpartner. Das gilt auch für den Fall, dass ein Facharzt die Impfung vorgenommen hat.
Elektronische Patientenakte als Lösung?
Im Zusammenhang mit dem Impfregister stellt sich die Frage, ob nicht auch die Krankenkassen-Versichertenkarte oder die sogenannte elektronische Patientenakte beim Impfnachweis eine Rolle spielen könnte? Zu der Frage hat die Chefin des AOK-Bundesverbandes, Cornelia Reimann, aktuell in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ eindeutig Stellung. Bislang habe die Bundesrepublik keinen zentralen Überblick, wer geimpft ist und wer nicht. 90 Prozent der Deutschen seien gesetzlich versichert, deren Daten lägen also bei den Krankenkassen. Reimann: „Wäre es da nicht ein Leichtes, auf diesem Weg zu erfassen, wer schon alles geimpft ist?“
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Bei den ganzen Wirren um die Corona-Pandemie ist es mehr oder weniger untergegangen, dass viele Kassen schon seit geraumer Zeit die elektronische Krankenakte eingeführt haben. „Versicherte können dort über eine App zu jeder Zeit und an jedem beliebigen Ort den Zugriff auf ihre persönlichen Gesundheitsdaten eigenständig verwalten. So ist es möglich, die gesamten medizinischen Dokumente, wie zum Beispiel Arzt- und Krankenhausberichte oder einen Medikationsplan zentral an einem Ort zu speichern“, erklärt Jens Kuschel von der AOK Nordwest auf Nachfrage unserer Zeitung. Zusätzlich habe der Patient/die Patientin die Möglichkeit, Dokumente, die er/sie in der Vergangenheit in Papierform erhalten hat, digital in die elektronische Patientenakte einzupflegen.
Impfzahlen aus den Praxen
Der wöchentliche Impfbericht der KVWL zeigt, dass im Einzugsgebiet der KVWL vom 9. bis 16. Januar insgesamt fast 283.000 Impfungen verabreicht wurden, den Löwenatneil nahmen die Boosterimpfungen mit 203.000 Impfen ein. Erstgeimpft wurden in der Woche rund 21.800 Personen. Die Arztpraxen im HSK haben insgesamt laut KVWL 97.495 Menschen erstgeimpft, 86.173 zweitgeimpft und 111.049 geboostert.
AOK-Bundesvorsitzende Reimann hat den Vorschlag zur Nutzung der Patientenakte als Impfnachweis zusammen mit anderen Krankenkassen dem Bundesgesundheitsministerium unterbreitet. Denn ein Impfregister, wie es derzeit besprochen wird, wäre der komplizierteste und aufwändigste Weg. Anstatt unnötig Energie in ein Register zu investieren, das in der aktuellen Omikron-Welle kaum fertig werden dürfte, plädiert sie für eine pragmatische und aufwandsärmere Lösung, die das Impfgeschehen auch viel transparenter machen würde.