Brilon. Nicole Stremmel aus Brilon leidet unter schmerzhafter Endometriose. Im Interview erzählt sie, wie die Krankheit ihr Leben kontrolliert.
Nicole Stremmel leidet unter Endometriose. Die Brilonerin hat einen langen Weg hinter sich – von den ersten Beschwerden bis hin zur Diagnose der Gebärmuttererkrankung vergingen Jahre und noch heute kämpft sie gegen Unglauben, Stigmatisierung und für mehr Offenheit. Im Interview erzählt sie von ihrem langen Weg.
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Frau Stremmel, Sie leiden an einer chronischen Unterleibs-Erkrankung, Endometriose, die für viele Frauen großes Leid bedeutet. Wann haben Sie die ersten Anzeichen der Erkrankung bemerkt?
Nicole Stremmel (27): Ich hatte meine erste Regel mit elf oder zwölf Jahren. Ich muss dazu sagen, dass ich als Kind ohnehin sehr krank war, einen künstlichen Darmausgang hatte, Löcher im Herzen und dahingehend auch viele Operationen hinter mir. Meine Regel kam dann ziemlich heftig, eine Woche vor Beginn hatte ich stets starke Schmerzen und manchmal sieben Tage lang meine Periode. Mein Hausarzt sagte mir aber, es wäre alles in Ordnung und mein Gynäkologe war nicht über diese Krankheit aufgeklärt. Also habe ich die Beschwerden mit meiner Erkrankung verbunden.
Wie kann man sich die Schmerzen vorstellen?
Die sind nicht zu beschreiben. Wie, als würde jemand ein Messer in meinen Unterleib stechen und das bei vollem Bewusstsein. Es war nicht aushaltbar, ich musste ständig erbrechen. Ich war sehr oft krank.
Sie haben gedacht, die Schmerzen seien teil der Vorerkrankungen. Wie sind Sie dann auf Endometriose gekommen?
Um 2008 oder 2009 bin ich in ein Krankenhaus gegangen und habe meine Geschichte erzählt. Dort wurde mir nicht geglaubt. Bei der Ultraschalluntersuchung tat mir alles weh, es war die Hölle. Zwei oder drei Jahre später war ich wieder im Krankenhaus und endlich wurde festgestellt, dass ich Endometriose habe, denn zu diesem Zeitpunkt wurde zum ersten Mal eine Bauchspiegelung gemacht.
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Warum wurde die Bauchspiegelung erst so spät gemacht?
Ich erinnere mich noch gut, ich war 2010 in der Lok Fußball gucken. Ich habe meinen Vater irgendwann angerufen und gesagt, dass er mich abholen muss. Ich fühlte mich, als hätte ich Grippe, nur ohne Husten. Im ersten Moment haben sie gedacht, es wäre ein Narbenschub, wegen der Vorerkrankungen. Aber weil wir immer wieder gedrängt haben, wie schlecht es mir geht, hat ein Chirurg nachgeschaut. Als ich aus der Narkose aufgewacht bin, wurde mir gesagt, dass drei faustdicke und grüne Zysten entfernt wurden. Die Ärzte sagten, hätten wir vier oder fünf Stunden gewartet, wäre ich gestorben. Ab da hatte ich die Diagnose.
Wie lebt es sich mit einer solchen Krankheit? Wie wirkt sie sich auf den Alltag aus?
Ich wollte eigentlich Köchin werden, aber die Ausbildung musste ich abbrechen. Auch eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin musste ich abbrechen. Ich arbeite jetzt im Unternehmen meines Vaters und der sieht mir oft schon an, wenn es mir schlecht geht. Ich muss oft Zuhause bleiben und die Arbeit nachholen, aber er hat Verständnis. Freunde können einem nicht immer glauben, was los ist und distanzieren sich manchmal. 2013 habe ich meinen Mann kennengelernt und er hat genauso viel Verständnis für mich. Er nimmt sich Urlaub, fährt mich von A nach B, ist sofort da und geht auf mich ein. Zusammen hatten wir auch einen Kinderwunsch, doch die Ärztin hat zu mir gesagt, dass ich nicht schwanger werden kann. Ich konnte das nicht glauben und habe mich hilflos gefühlt. Wir sind von Klinik zu Klinik. Ein Arzt sagte zu mir, ich wäre eine Simulantin. Ein anderer sagte, dass wir die Gebärmutter rausnehmen müssen, da ich Endometriose im Stadium 3 habe.
Eine schwerwiegende Entscheidung...
Ja, ich habe mich dagegen entschieden. In München wurde ich von einem Facharzt untersucht, der mir eine Schmerztherapie empfohlen hat. Es folgte eine Operation, bei der Verwachsungen und Verklebungen entfernt wurden. Ich wurde daraufhin ins Kinderwunschzentrum überwiesen, vielleicht wird es danach ruhiger haben sie gesagt.
Wie ist es im Kinderwunschzentrum gelaufen?
Ich habe Tausende Euro für meinen Kinderwunsch ausgegeben. Zweimal habe ich einen Transfer versucht, zweimal hatte ich eine Fehlgeburt. Das kann ich nicht noch mal. Nicht nur mein Körper hat dadurch sehr gelitten, sondern auch meine Psyche. Ich wusste, es wird hart, aber dass es mich so aus der Bahn wirft… Ich war körperlich ein Wrack, aber ich bin auch eine Sauerländer Kämpferin. Trotzdem haben wir nun mit dem Kinderwunsch abgeschlossen.
Wie geht es Ihnen nach diesem Prozedere jetzt?
Durch die Kinderwunschbehandlung und die Hormone habe ich 20 bis 25 Kilo zugenommen. Ich habe Stimmungsschwankungen. Manchmal geht es mir eine Minute gut, in der nächsten könnte ich rumbrüllen. Mal geht es mir super, mal richtig schlecht. Ich habe noch immer starke Schmerzen, fast jeden Tag.
Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, damit Frauen ein Weg wie Ihrer erspart bleibt?
Aufklären! Frauenärzte müssten Schulungen machen. Die Krankheit wird zwar anerkannt, aber viele Frauenärzte machen nichts. Es reicht nicht, wenn Gynäkologen einem IBU 800 verschreiben und wieder wegschicken. Es muss mehr Wissen über diese Krankheit vermittelt werden. Anna Wilken zum Beispiel ist eine Influencerin, die sich sehr für mehr Aufklärung einsetzt. Ich stand für kurze Zeit in Kontakt mit ihr, bin selbst in sämtlichen Endometriose-Foren und hoffe, dass mehr aufgeklärt werden kann.
Wie geht es für Sie jetzt weiter?
Ich bin bald zu einem Erstgespräch in der Berliner Charité bei einer Fachärztin für Endometriose. Dann wollen wir nochmal schauen, was jetzt los ist und was wir tun können. Selbst eine Entfernung der Gebärmutter muss nicht zwangsläufig heißen, dass es einem dann gut geht, denn das Gewebe kann trotzdem weiter wachsen. Aber jetzt warte ich erst einmal auf das Gespräch, dann heißt es weiterschauen.