Altkreis Brilon. Den Kirchen laufen die Gläubigen davon. In Brilon, Olsberg, Marsberg, Winterberg, Medebach und Hallenberg schnellen die Zahlen nach oben.

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus – auch hier bei uns im Sauerland. Das zeigen die Zahlen der drei bei uns im Altkreis Brilon zuständigen Amtsgerichte. Denn dort muss man hin, wenn man aus der Kirche austreten möchte. Insgesamt 720 Menschen haben ihr in den sechs Städten des Altkreises im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt. Das sind 306 mehr als 2020. Überwiegend handelt es sich dabei um Mitglieder der katholischen bzw. evangelischen Kirche.

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Persönliche Vorsprache

Die Aufteilung nach Konfessionen liegt uns allerdings nur für den Bereich des Amtsgerichts Marsberg vor, das für das gesamte Marsberger Stadtgebiet zuständig ist. Demnach haben 2021 in Marsberg 169 Menschen durch persönliche Vorsprache ihren Kirchenaustritt vollzogen; 30 evangelische und 136 katholische Christen. Nur drei Personen waren Angehörige einer anderen Konfession. Insgesamt sind das 73 Austritte mehr als 2020.

Während die Zahl der evangelischen Kirchenaustritte im Bereich der Stadt Marsberg im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesunken ist, hat sich die Zahl der Katholiken in diesem Zeitraum von 64 auf 136 mehr als verdoppelt. Blickt man in der Marsberger Statistik zehn Jahre zurück, zeigt sich deutlich ein Anstieg: 2011 gab es insgesamt lediglich 38 Austritte (10 evangelisch, 28 katholisch), 2014 waren es 81 (20 ev. und 61 kath.), 2019 insgesamt 124 (davon 96 Katholiken).

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Das Amtsgericht Medebach ist zuständig für den Bereich Medebach, Winterberg und Hallenberg. Dort wurden im vergangenen Jahr 199 Kirchenaustritte registriert. 2020 waren es 135, im Jahr 2019 waren es 151 Menschen, die ihrer Kirche den Rücken gekehrt haben. Die Statistik unterscheidet nicht zwischen den einzelnen Konfessionen. Das gilt auch für das Amtsgericht Brilon. Hier die Zahlen: Im Jahr 2021 gab es 352 Kirchenaustritte. Zum Vergleich: 2020 waren es 183 und 2019 waren es 253.

Beweggründe

Propst Dr. Reinhard Richter erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, dass sich im Pastoralen Raum Brilon im vergangenen Jahr 168 Katholiken von ihrer Kirchenzugehörigkeit verabschiedet haben, 2020 waren es 104. Diese Zahl müsse man allerdings auch in Relation zu den 15.530 Katholiken sehen, die dem Pastoralen Raum insgesamt angehören.

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Propst Richter sieht unterschiedliche Beweggründe für die Kirchenaustritte. Das seien zum einen die Missbrauchs-Skandale oder auch andere Kritikpunkte an der Kirche, die bei den Betroffenen dann zu einer Protest-Entscheidung führen. Es gebe aber auch Christen, die sich von Gott und der Kirche entfernt haben oder zum Beispiel mit der Kirchensteuer nicht einverstanden seien. Bemerkenswerter Weise gebe es aber auch Menschen, die austreten, aber trotzdem weiter in die Kirche kommen.

Sichtbare Zeichen setzen

Ein weiteres Beispiel: Der Pastoralverbund Bigge-Olsberg hat nach Angaben von Pfarrer Richard Steilmann im vergangenen Jahr 90 Mitglieder verloren. Aktuelle Zahlen für das gesamte Dekanat Hochsauerland-Ost liegen ihm zurzeit nicht vor. Auch der Dechant vermutet, dass viele Austritte mit der Affäre um den Kölner Kardinal Woelki, dem Fehler bei der Aufarbeitung von Missbrauchsvorfällen vorgeworfen werden, zusammenhängen. „Die gesamte Missbrauchs-Thematik und der Umgang der katholischen Kirche damit sind wahrscheinlich bei vielen der entscheidende Grund für ihren Austritt“, so Dechant Steilmann.

Ein Gesangbuch liegt in einer Kirche, die Bänke dort sind immer leerer - auch im Altkreis Brilon.
Ein Gesangbuch liegt in einer Kirche, die Bänke dort sind immer leerer - auch im Altkreis Brilon. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Er kritisiert: „Von Seiten der Kirche darf nicht immer nur das zugegeben werden, was bekannt wird. Wir müssen glaubwürdig alle Missbrauchsvorwürfe aufarbeiten und die Opfer entschädigen. Bischöfe und andere Verantwortliche müssen zu ihrer Schuld stehen. Wir müssen als Kirche sichtbare Zeichen setzen.“ Generell könne man feststellen, dass viele Gläubige heute die Kirche nur noch für die Spende der Sakramente wie Taufe, Kommunion, Hochzeit und Beerdigungen brauchen würden. Das zeige sich auch an den rückläufigen Gottesdienst-Besuchen. Durch die Corona-Pandemie werde dieser Trend noch weiter verstärkt, so dass leider immer mehr Gläubige am Ende sagen würden: „Eigentlich geht es auch ohne Kirche.“

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Ev. Kirchenkreis Soest-Arnsberg

Auch die evangelische Kirche hat mit rückläufigen Mitglieder-Zahlen zu kämpfen. Hier einige Zahlen (2020/21): Brilon: 26/44; Olsberg/Bestwig: 17/32; Marsberg: 33/30; Medebach: 12/15.

Hans-Albert Limbrock, Leiter Öffentlichkeitsarbeit beim Evangelischen Kirchenkreis Soest-Arnsberg, sieht in der Entwicklung folgende Gründe: „Die Diskussionen um Missbrauchsfälle, von der die Katholische Kirche zwar deutlich stärker betroffen ist, die aber auch auf die Evangelische Kirche abfärben. Ökonomische Überlegungen, die dazu führen, dass man die Kirchensteuer sparen will. Hinzu kommt ein generelles Abwenden von der Kirche und ihren Angeboten sowie ein Loslösen vom Glauben allgemein: Es gibt leider immer mehr Menschen, die davon überzeugt sind, dass sie Glaube, Gott und Religion nicht für ihr Leben brauchen und sich daher von den Kirchen loslösen.“ Insgesamt sind in dem Ev. Kirchenkreis Soest-Arnsberg im vergangenen Jahr 999 Christen aus der Ev. Kirche ausgetreten, 2020 waren es 781.