Medebach. Männer aus Medebach finden über ihr Hobby zueinander und gründen einen Club, der sich mit Dampfmaschinen beschäftigt. Sie sprechen über den Reiz.

„Wat is´n Dampfmaschin´?“ Diese Frage aus dem Film-Klassiker „Die Feuerzangenbowle“ können Norbert Jacobsmeier, Matthias Petri, Wolfram Reuter und Daniel Schröder aus Medebach ganz klar beantworten. Die vier Nachbarn haben vor vier Jahren einen Dampfmaschinen-Club gegründet und sich entsprechendes Fachwissen sowie viele Maschinen angeeignet.

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Der Anfang entstand wie so oft aus einem Jux. „Einen Tag vor Heiligabend zeigte ich Daniel meine Wilesco-Maschine. Auch er kramte seine altes Möfchen hervor. Wir hatten richtig Spaß mit den Dingern. Schnell kam die Idee auf, sich mit dem Thema mehr zu beschäftigen. Ein Club musste also her“, erinnert sich Matthias Petri an den Anfang.

Dampfmaschinen begeistern Clubmitglieder in Medebach

Die großen Dampfmaschinen, die den Spielzeugen als Vorlage dienen, lösten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein neues Zeitalter aus. Die Industrialisierung schritt voran. Der schottische Erfinder James Watt verbesserte die vorausgegangenen Erfindungen und meldete seine Konstruktion 1769 zum Patent an. Er perfektionierte sein Werk stets weiter und gilt als Entdecker des Nutzens der Dampfexpansion. „Je tiefer ich in die Materie eintauchte, desto mehr packte sie mich. Nun bin ich in einen echten Dampfmaschinenwahn geraten“, schwärmt Norbert Jacobsmeier. Sein erstes eigenes Modell schenkte ihm seine Frau Birgit 2018 zum Geburtstag. Matthias Petri bemerkt: „So eine Apparatur zeigt sowohl simpel als auch anschaulich, wie Physik und Mechanik funktionieren. Es gleicht dem System einer Dampflokomotive. Das kann echte Abwechslung für Kinder und Jugendliche sein. Viele sitzen ja heute nur noch zockend vor der Spielekonsole.“

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Während des Gesprächs zischt und qualmt es immer wieder. Regelmäßig werden die Maschinen mit Lampenöl , die Neueren mit dem Trockenbrennstoff Esbit befeuert. Man fühlt sich förmlich in die anfängliche Zeit der industriellen Revolution zurückversetzt. Die Liebhaberschätzchen sind aber keineswegs verrußt oder verstaubt. In Regalen und auf Tischen stehen blitzende Messingkessel neben geölten Motoren umrahmt von zahllosen bunten, detailgetreuen Anbauteilen, die durch die Dampfmaschinen zum Leben erweckt werden. Hier eine kleine Kirmes mit Karussells. Dort eine Windmühle. Kreischende Kreissägen nebst Schleifstein oder auch eine knallorange Betonmischmaschine. Das alte Hammerwerk von 1920 hat einen Ehrenplatz gefunden.

Dampfmaschinen erinnern an Kindheit

Dampfmaschinen wecken bei mir Kindheitserinnerungen. Es macht einfach Spaß, alte Werte aufleben zu lassen und in die Anfänge des früheren wirtschaftlichen Wohlstands reinzuschnuppern“, erzählt Wolfram Reuter. Den gebürtigen Medebacher verschlug es vor vielen Jahren in die Schweiz. Der 52-jährige kann den regelmäßigen Treffen daher meist nur per Videoschaltung beiwohnen.

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Das tut der Sache aber keinen Abbruch, denn fachsimpeln kann er mit den Kumpels auch über den Monitor. Dabei tüfteln die Nachbarn, die mittlerweile beste Freunde geworden sind, an ihren alten Schätzchen herum. Mittlerweile gehören mehr als 60 Maschinen und Anbauteile zum Fundus des Clubs. Viele Stücke haben ihre eigene Geschichte. Dazu gehören echte Flohmarktschnäppchen, andere stammen von verstorbenen Sammlern, deren Nachkommen nichts mit den alten Gerätschaften anfangen können.

Besonderer Anreiz: Kaputte Dampfmaschinen reparieren

Der kleinste „Dampfer“ ist rund 25 cm hoch und gleicht eher einer uralten Petroleumlampe. Das Pendant misst dagegen 45 cm und wird von den Clubmitgliedern liebevoll „der Berg“ genannt. Das älteste Stück stammt ca. von 1890. Auf der edlen Prägung ist das Herstellerwappen der Firma Junger Ruh aus Karlsruhe erkennbar. Defekte Maschinen haben für die vier Clubmitglieder erheblichen Reiz. Mit Lötlampe, Schraubenzieher sowie Minihammer hauchen sie fast jedem Problemfall wieder neues Leben ein.

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„Wenn wir schrottreife Geräte repariert, zusammengebaut und ans Laufen gebracht haben, ist das immer etwas ganz Besonderes“, berichtet Daniel Schröder. Das Werkeln hat auch für Matthias Petri einen hohen Stellenwert: „Nach einem stressigen Arbeitstag komme ich beim Schrauben und Löten runter. Wenn die Maschine später tuckert, ist das pure Entspannung.“

Taufe für neue Mitglieder

Die Geselligkeit kommt im Verein ebenfalls nicht zu kurz. Jedes neue Mitglied im Maschinenpark des Clubs wird getauft. Ein befreundeter Mosel-Winzer hat extra für die Medebacher Dampfmaschinenfreunde einen „Kesselbrand“ kreiert. Normalerweise bedeutet ein Kesselbrand für jede Maschine den Totalschaden. Dieser Brand aus besten Trauben ist jedoch genau das Gegenteil. Der Geschmack ist nur leckerer Nebeneffekt der Taufzeremonie.

Am ersten Advent treffen sich die vier Freunde bei Feuerzangenbowle und wissen sicher ganz genau, „wat´n Dampfmaschin is“. s