Brilon. Es ist ein Pilotprojekt: Für 4,5 Millionen Euro rüstet der Ruhrverband seine Kläranlage in Brilon auf. Das sind die Gründe:

Nach einem Platzregen läuft der Kanal entlang der Kläranlage am Ostring inBrilon binnen Minuten meterhoch voll. Zurzeit ist das Bachbett aber mal wieder furztrocken. Nichts, aber auch gar nichts kommt von der Möhnequelle oberhalb des Kurparks am anderen Ende der Stadt an. Was dort in die Hunderbecke plätschert, ist in diesen niederschlagsarmen Tagen reines, unvermischtes Abwasser. Immerhin: „Fische können da drin leben“, sagt Betriebsleiter Andreas Osebold. Um dieses Wasser noch weiter zu reinigen, investiert der Ruhrverband rund 4,5 Millionen Euro in eine vierte Aufbereitungsstufe.

Hier der abgepumpte sog. Schönungsteich, auf dem die neue Reinigungsstufe installiert wird.
Hier der abgepumpte sog. Schönungsteich, auf dem die neue Reinigungsstufe installiert wird. © Unbekannt | Jürgen Hendrichs

Grund: Der Ablauf der Kläranlage belastet dieAlmequellen und damit ein bedeutendes überregionales Grund- und Trinkwasserreservoir zu etwa fünf Prozent. Das Abwasser versickert auf dem Weg in die Möhne und dort auch noch Stücke entlang der B 480 in dem karstigen Untergrund und bahnt sich seinen Weg in Richtung Alme, erklärt Projektleiter Christoph Henke: „Die Belastung der Almequellen durch Spurenstoffe wurde mittlerweile nachgewiesen.“

Aktivkohle kommt hinzu

Das hat auch die vor einigen Jahren erfolgte Renaturierung und Abdichtung der Hunderbecke vom Klärwerk bis zur B480 nicht komplett abstellen können.

Christoph Henke, Projektleiter beim Ruhrverband, mit einem der Vlies-Elemente, mit denen die neue Aufbereitungsstufe in der Kläranlage Brilon ausgerüstet wird.
Christoph Henke, Projektleiter beim Ruhrverband, mit einem der Vlies-Elemente, mit denen die neue Aufbereitungsstufe in der Kläranlage Brilon ausgerüstet wird. © Unbekannt | Jürgen Hendrichs

Nach den mechanischen und biologischen Reinigungsstufen wird künftig eine Reinigung mit Pulveraktivkohle und einer nachgeschalteten Filtrierung die Wasserqualität weiter erhöhen. Bevor das Abwasser letztlich die Kläranlage verlässt, fließt es durch ein Mikrofaser-High Tech-Vlies, an dem die Aktivkohle zur Wiederaufbereitung abgekämmt und abgeschöpft wird.

Fünf Meter tiefes Becken

Die Anlage wird auf dem innerhalb des Betriebsgeländes angelegten sogenannten Schönungsteich errichtet. Sie besteht im Wesentlichen aus einem 16 mal 14 Meter großen, fünf Meter tiefen und in zwei Kammern unterteilten Stahlbetonbecken. In der ersten Kammer befindet sich die Aktivkohle, in der anderen die Mikrofaser-Walze zur Filtrierung.

Brilon, so Projektleiter Henke, ist beim Ruhrverband Vorreiter für diese Technologie. Optisch am stärksten ins Auge fallen wird jedoch das rund 20 Meter hohe Silo für die Aktivkohle.

Problematisches WC-Papier

Die zusätzliche Reinigungsstufe ist erforderlich, weil sich immer mehr Chemie im Abwasser ansammelt - von Medikamenten jeder Art, Cremes und Salben und im Spülwasser gelösten Beschichtungen. Östrogene sind ebenso nachweisbar wie Antibiotika. Problematisch ist auch all jenes, was in WCs oder Waschbecken weggespült wird: Ohrreinigungsstäbchen etwa oder auch Frittierfett. Ganz besonders tückisch: Feuchtes Toilettenpapier und Haushaltstücher. „Das verzopft sich und verstopft die Pumpen“, weiß Betriebsleiter Osebold aus leidiger Erfahrung.

Einzugsbereich umfasst 1163 Hektar

Die Kläranlage am Ostring ist 1966 errichtet, sukzessive erweitert und zuletzt zwischen 2000 und 2002 für rund neun Millionen Euro groß ausgebaut worden; 2009 kam das Blockheizkraftwerk hinzu.Einzugsbereich ist die Kernstadt Brilon sowie Altenbüren und Wülfte mit insgesamt 1163 Hektar Fläche und 24.000 Einwohnergleichwerten.Bei Trockenwetter werden bis zu 125 Liter pro Sekunde behandelt, bei Regen bis zu 250 Liter.Durchschnittlich fließen pro Tag rund 5700 cbm zu.

Markanter Duft zieht eigentlich nur am Eingangstor in die Nase. Dort befindet sich das Rechengebäude. Das fängt alle festen Fremdbestandteile, die über Hausabflüsse oder wie auch immer in die Kanalisation gelang sind, ab 6 mm Größe ab. In der Regel sammelt sich alle zwei Wochen ein Kubikmeter an. Wenn es nach längerer Zeit aber mal einen richtigen Schauer gibt, kann diese Menge aber auch schon mal an einem Tag aus der Kanalisation herausgedrückt werden.

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Etwa 40 bis 50 Kubikmeter Klärschlamm fallen beim Alltagsbetrieb an. Dieses organische Material wird in einem 1200 Kubikmeter großen Bottich „ausgefault“. Mit dem dabei entstehenden Methangas betreibt der Ruhrverband ein Blockheizkraftwerk. Das liefert nicht nur etwa die Hälfte des benötigten Betriebsstromes, sondern bringt auch mit seiner Abwärme den Faulbehälter wiederum auf Temperatur.

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Mit dem Bau der vierten Reinigungsstufe will der Ruhrverband im Frühjahr beginnen. Die Arbeiten sind auf zwei Jahre angesetzt. Den dafür benötigten Schönungsteich hat der Ruhrverband bereits abgepumpt - er sollte nicht wieder als Brutrevier für Wasservögel genutzt werden.