Hochsauerlandkreis. Die Impfquote verbessern? Die Sauerlandpraxis aus Winterberg und der HSK beziehen Stellung – und schlagen konkrete Anreize zur Corona-Impfung vor

Impfmüdigkeit macht sich breit. Nicht erst jetzt, aber die Zahlen bleiben alarmierend, besonders jetzt, wenn die Inzidenzen bundesweit wieder steigen und die Krankenhausbetten von Ungeimpften besetzt werden. Im Hochsauerlandkreis liegt die Impfquote bei der Gesamtbevölkerung bei rund 67 Prozent, bei den vollständig Geimpften bezogen auf Einwohner ab 12 Jahren und älter bei 75 Prozent. Das klingt nach einem hohen Wert, doch die Motivation verläuft sich immer schneller – das bestätigt das Impfzentrum, aber auch ein Arzt der Sauerlandpraxis in Winterberg auf Nachfrage der WP Brilon.

Das sagt der HSK zu der Corona-Impfmüdigkeit

333 Boosterimpfungen wurden bisher durch den Kreis verteilt. 2347 Impfungen wurden im Impfbus bei 16 Terminen vorgenommen. Die meisten Impfungen gab es am 14. August in Arnsberg/Neheim mit 292. Am stärksten wurde Biontech nachgefragt. Und dennoch: „Zwischen Mittwoch und Sonntag in der vergangenen Woche wurden nur 1343 Impfungen im Impfzentrum verteilt. Das ist im Vergleich sehr wenig“, sagt Martin Reuther, Sprecher des HSK. Am 26. September wird die letzte Spritze gesetzt, am folgenden Tag wird das Impfzentrum in Olsberg abgebaut.

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Corona in Winterberg: Das sagt der Hausarzt zu den Impfungen

„Im HSK wurde bisher sehr gut geimpft, mit nahezu 75 Prozent komplett geimpfter über 12 Jahren stehen wir im Bundesvergleich sehr gut da“, sagt Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis in Winterberg. Die Nachfrage habe demnach natürlich nachgelassen, aber „erfreulicherweise dürfen wir täglich einige Jugendliche unter 16 Jahren über die Impfung informieren und dann in den meisten Fällen auch impfen“, so Förster. Die Booster-Impfung sei sehr gefragt, die Bewohner des Altenheimes haben ihre schon bekommen. „In den nächsten Tagen werden wir die älteren Patienten aufsuchen, die zu Anfang der Impfkampagne geimpft wurden und boostern. Ideal wäre eine Empfehlung der Stiko zur Kombination mit der Grippeimpfung, das würde uns den Ablauf erleichtern“, wirft Tim-Henning Förster einen Vorschlag in den Raum.

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Allerdings: „Durch die Impfmüdigkeit droht besonders den Gruppen, die sich nicht impfen lassen können, den Immunsupprimierten und besonders den Kindern unter 12 Jahren ein sehr ungemütlicher Winter – eine Infektion scheint da fast unvermeidbar“, sagt der Mediziner. Je mehr der bisher ungeimpften Erwachsenen sich impfen lassen würden, desto besser wäre der Schutz für diejenigen, die sich nicht selber schützen können. „Hier übersehen die „Ungeimpften“ ihre gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Tim-Henning Förster.

Corona-Impfung in Brilon: Die Ideen der anderen Landkreise

Doch was fehlt der Impfkampagne an Initiativen, um wieder Fahrt aufzunehmen?

Martin Reuther verweist auf den Impfbus, der sehr gut angenommen werde. „Der Impfbus wird in den nächsten Tagen in Schmallenberg sein, in Sundern. In Bruchhausen wird er vor dem Kaufland parken und hoffentlich Kunden ansprechen. Jetzt gerade ist er an der Dachdeckerschule in Eslohe. Wir treffen verschiedenste Maßnahmen, um die Menschen zu erreichen.“

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Nachdem in Thüringen schon Bratwürste umsonst an diejenigen verteilt wurden, die sich impfen lassen wollten, kommen aus den verschiedensten Ecken neue Ideen und Initiativen um die Menschen zu erreichen, die eine Impfung bisher ablehnen. Der Kreis Paderborn beispielsweise setzt auf attraktive Rahmenbedingungen. Das Impfzentrum des Kreises Paderborn liegt in der Sälzerhalle in Salzkotten. Am kommenden Wochenende werden die Öffnungszeiten im Rahmen des Sälzer September Sommers mit Open-Air-Kino und Musik auf der Sälzerwiese ausgeweitet: Das Fest genießen und sich zwischendurch impfen lassen geht am Samstag, 11. September von 8 bis 13 Uhr sowie 14 bis 20 Uhr, Sonntag, 12. September, durchgehend von 11 bis 17 Uhr, für alle ab 12 Jahren. Auf dem Festival feiern und sich nebenbei impfen lassen – warum nicht?

Corona im HSK: Unterschwellige Angebote für die Impfung

Inzidenzen und andere Daten

Die Neuerungen in der Corona-Lage-Beurteilung die vorsehen, dass nicht nur die Inzidenz entscheidend ist, sondern auch die Hospitalisierungsrate sieht der Arzt Tim-Henning Förster aus Winterberg sehr differenziert. „Es ist schwer nur einen Parameter zu nehmen, um die Lage zu beurteilen. Die Hospitalisierungsrate korreliert stark mit der Inzidenz, sie kommt nur mit etwa zwei Wochen Verspätung. Die Auslastung der Krankenhäuser muss ein wichtiger Faktor sein, wobei dort nicht vergessen werden darf, das besonders die Pflegekräfte auch jetzt schon vielerorts am Limit arbeiten.“ Er befürchtet, dass es häufiger zu lokalen Ausbrüchen kommen wird, „da muss die Lage eigentlich individuell beurteilt werden.“

Im Märkischen Kreis wird die Hoffnung ebenfalls auf den Impfbus gesetzt. Dort fährt das Mobile Team aber nicht nur Märkte an. „Impfbus meets Fans“: Unter diesem Motto hatte der Märkische Kreis gemeinsam mit den Iserlohn Roosters zum ersten öffentlichen Training des DEL-Clubs eine Impfaktion auf die Beine gestellt. Mit Erfolg: 148 Menschen nutzten die schnelle und einfache Chance für eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus. Auch im Sauerlandpark in Hemer, beim „Music Fever Festival“ in Halver oder auf der Motorraddemo in Neuenrade wurden Impfaktionen angeboten. Der Märkische Kreis habe darüber hinaus alle weiterführenden Schulen angeschrieben und über die aktuellen Impfangebote für diese Personengruppe (12 bis 17 Jahre) informiert. So planen beispielsweise das Burggymnasium Altena und die Praxis Rönnecke eine gemeinsame Impfaktion.

Tim-Henning Förster befürwortet unterschwellige Angebote mit leichtem Zugang, so wie der Impfbus. „Warum nicht vor dem Supermarkt, beim Friseur, auf dem Fußballplatz? Aber letztendlich hatte jeder Erwachsene seine Chance, wer bis jetzt nicht geimpft ist, muss damit leben können, dass er sich und andere gefährdet.“