Olsberg/Brilon. Wegen der Zusammenlegung der Notarztstandorte Brilon und Olsberg hagelt es Kritik. Jetzt wehrt sich der zuständige Gutachter exklusiv.

Jens-Christian Petri ist ein Mann der Zahlen. Der 53-jährige Karlsruher ist Geschäftsführer der Orgakom Analyse + Beratungs GmbH. Seine Expertise beschäftigt nun gerade die politisch Verantwortlichen im HSK. Denn aufgrund seines Gutachtens, dem neuen Rettungsdienstbedarfsplan, soll es zu einer Zusammenlegung der Standorte in Brilon und Olsberg kommen. Gegenüber der WP hat er sich nun exklusiv geäußert.

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Gutachter „entkräftet“ Vorwürfe

Vonseiten der Politik, wie vom SPD-Kreistagsabgeordneten Ludger Böddecker, war immer wieder kritisiert worden, dass das Gutachten nicht die Topographie des HSK miteinbezogen habe und somit die vorgegebenen Fahrzeiten zu einem Einsatzort nicht einzuhalten sei.

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Dem widerspricht der diplomierte Techno- und Wirtschaftsmathematiker. „Den Vorwurf, dass ich keine Ahnung von der Topographie des Hochsauerlandkreises habe, kann ich entkräften. Ich selbst komme aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis und bin daher mit den Gegebenheiten hier durchaus vertraut, sagt Petri. Darüber hinaus sei er im November 2018 an zwei Tagen zu allen Rettungsstandorten gefahren und habe sich vor Ort ein Bild der Situation machen können.

Die Zusammenhänge verstehen

Dabei habe er unter anderem feststellen können, dass der Notarztstandort in Olsberg „nicht optimal“ sei. Er selbst sei den Weg des Fahrers des Notarzteinsatzfahrzeuges (NEF) nachgegangen und habe festgestellt, dass der sehr lang gewesen sei. „Vom Aufenthaltsraum bis zur Garage braucht man anderthalb Minuten durch das Gebäude. Und dann ist der Weg des Arztes, der ja auch Aufgaben im Krankenhaus wahrnimmt nicht eingerechnet“, sagt er.

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Kritik an einem Gutachter sei immer legitim, sagt er. Aber man müsse auch die Zusammenhänge verstehen. Man müsse sich zunächst einmal fragen, wann und wie oft überhaupt ein Notarzt gebraucht würde. Dies sei in einem Drittel aller Notrufe der Fall, sagt der Gutachter. Das Ziel, der so genannte Zielerreichungsgrad sieht vor, dass im Hochsauerlandkreis 90 Prozent aller Notfälle innerhalb zwölf Minuten von den Rettungskräften erreicht werden müssen. Und zwar von einem Rettungswagen (RTW).

Kein Anspruch auf Notarzt innerhalb von zwölf Minuten

„Kein Bürger hat ein Anspruch darauf, dass ein Notarzt innerhalb von zwölf Minuten da ist. Das ist auch nicht notwendig. Wichtig ist nämlich, ob eine Rettungswache den Einsatzort innerhalb dieses Zeitrahmens abdecken kann“, sagt Petri. Man müsse auch bedenken, dass in einem NEF kein Platz für einen Patienten sei und man somit ohnehin auf den RTW warten müsse.

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Die Notfall- und Rettungssanitäter seien so hoch qualifiziert, dass sie den Großteil aller Notfälle eigenständig bearbeiten können. Ein Notarzt werde in der Regel hauptsächlich dazu gebraucht, Medikamente oder Schmerzmittel zu verabreichen. Denn dazu seien die Sanitäter nicht befugt, so Jens-Christian Petri.

Relevanz des Notarztes am Einsatzort nimmt ab

„Die Relevanz eines Notarztes am Einsatzort nimmt stetig ab. Besonders im Hinblick auf den zukünftigen Einsatz von Telenotärzten“, sagt Petri. Bei diesem System, das aktuell in Aachen erprobt und nach dem Willen des NRW-Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann bald immer mehr zum Einsatz kommen soll, wird ein Arzt von einer Leitstelle aus per Videotelefonie zugeschaltet. Er kann dann unter anderem auch den Patienten sehen, das EKG kontrollieren und wenn nötig den Rettungssanitätern die Medikamentengabe erlauben.

Telenotärzte können perspektivisch den Notarzt vor Ort überflüssig machen. Wie hier in Aachen beobachtet ein Notarzt von einer Leitstelle aus, die Vitalfunktionen eines Patienten.
Telenotärzte können perspektivisch den Notarzt vor Ort überflüssig machen. Wie hier in Aachen beobachtet ein Notarzt von einer Leitstelle aus, die Vitalfunktionen eines Patienten. © dpa | Marius Becker

Sobald sich dieses System auch im Hochsauerlandkreis etabliert habe, würden, nach Meinung von Gutachter Petri viele Besatzungen überhaupt nicht mehr auf die Hilfe eines Notarztes am Einsatzort angewiesen sein. Er appelliert an die Kreistagsabgeordneten, dem Plan am nächsten Freitag, 10. September, zuzustimmen. Denn sonst würden auch die Verbesserung für andere Kommunen wie der Neubau von Rettungswachen nicht umgesetzt.

Und auch direkt vor Ort in Brilon und Olsberg würde sich eine deutliche Verbesserung verschieben. So stehe bisher in Olsberg an Sonn-und Feiertagen kein zweiter Rettungswagen bereit. Das würde sich mit Inkrafttreten des neuen Rettungsbedarfsplan dann ändern.

Olsberger Bürgermeister ist die Entscheidung der der Kostenträger schleierhaft

Auf der Olsberger Ratssitzung am Donnerstag (3. September) hat sich auch der Olsberger Bürgermeister Wolfgang Fischer zu der von der Bezirksregierung Arnsberg angeordneten Zusammenlegung der beiden Notarztstandorte Brilon und Olsberg geäußert.

Due Rettungswagen des HSK rücken auch bei Schnee und Regen aus. Deren Besatzung sind hochqualifiziert und sind in den allermeisten Fällen nicht auf einen Notarzt angewiesen.
Due Rettungswagen des HSK rücken auch bei Schnee und Regen aus. Deren Besatzung sind hochqualifiziert und sind in den allermeisten Fällen nicht auf einen Notarzt angewiesen. © Hartwig Sellmann

Dabei wiederholte er noch einmal die Argumente, die seiner Meinung nach gegen eine solche Zusammenlegung sprechen. Er machte noch einmal deutlich, dass ein „bestehende System zerstört werde“, falls es zu diesem Schritt komme. Schließlich stünden beispielsweise Ärzte der Elisabethklinik in Bigge für den Notarztdienst bereit. Ihm sei es „schleierhaft“, warum die Kostenträger, sprich die Krankenkassen, sich gegen die Entscheidung des Kreistages ausgesprochen hatten und somit die Verfügung der Bezirksregierung in Arnsberg erzwangen.

„So kann man nicht mit uns umgehen“

Viel Hoffnung versprühte der Bürgermeister bei der Ratssitzung nicht, diese Verfügung noch einmal zu stoppen. Sollte der Kreistags dem neuen Rettungsdienstbedarfsplan nicht zustimmen, bliebe Landrat Dr. Karl Schneider wahrscheinlich nicht viel mehr übrig, als das Ergebnis zu beanstanden und somit die Verfügung der Bezirksregierung zu exekutieren. Das müsse rechtlich aber erst noch geklärt werden, so der Olsberger Fischer.

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Fischer kritisierte auch das Verfahren, mit dem die Bezirksregierung zu ihrer Entscheidung kam. Man sei beim gesamten Prozess nicht angehört worden. Er und sein Briloner Amtskollegen Dr. Christof Bartsch konnten deshalb bei der Anhörung von Kreis und Kostenträgern bei der Bezirksregierung keinerlei Argumenten für das Fortbestehen der Notarztstandorte vorbringen, so Bürgermeister Fischer. „So kann man nicht mit uns umgehen“, sagte er.

Am Freitag (3. September) wollen er und Bartsch noch einmal beim Landrat vorsprechen. Doch die Hoffnung schwindet. „Wir fühlen uns als ländliche Region wieder mal vernachlässigt. Am Ende entscheiden die Krankenkassen und die Bezirksregierung“, sagte Fischer.