Marsberg. Zwei Exkursionen zu ehemaligem jüdischem Leben im Raum Marsberg - dazu hatten zwei Pfarrer aus dem HSK eingeladen. Was dabei alles entdeckt wurde

Einblick in die Geschichte der eigenen Lebensregion bekommen, sich bewegen und dabei freundliche und interessante Menschen kennenlernen, das hat den Teilnehmenden der Exkursionen zu jüdischen Orten imMarsberger Raum gut gefallen. Pfarrer Dietmar Schorstein und Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer hatten dazu im Juli eingeladen. Trotz Starkregens in Padberg hörte die Besuchergruppe Anfang Juli gespannt dem Vortrag Norbert Beckers in der ehemaligen Synagoge zu. Der Ortsheimatpfleger arbeitet seit Jahrzehnten die über 300-jährige lokale jüdische Geschichte auf. Besonders viel Energie steckte er in den Erhalt der ehemaligen Synagoge. Sie ist ein schlichtes Fachwerkhaus, das bis 1931 der jüdischen Gemeinde gehörte. Damals haben die wenigen Juden, die noch in Padberg lebten, sie verkauft. Sie wurde zur Lagerscheune eines Dachdeckers. Deshalb wurde sie am 9. November 1938 in der Pogromnacht nicht zerstört. Heute ist die Dorfgemeinschaft stolz, die einzige Fachwerksynagoge in Westfalen präsentieren zu können.

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Über 300 Jahre jüdisches Leben

Auf der E-Bike Exkursion standen die jüdischen Friedhöfe in Niedermarsberg, Madfeld, Beringhausen und Obermarsberg auf dem Besichtigungsprogramm. „Im östlichen Sauerland blicken wir zurück auf über 300 Jahre jüdischen Lebens. Leider nur auf Friedhöfen, da es aktuell keine erkennbare jüdische Bevölkerung hier gibt.“, eröffnete Pfarrer Dietmar Schorstein seinen Vortrag auf dem Niedermarsberger Friedhof. Am Zustand und an der Beschriftung der Grabsteine lässt sich ihr Alter und auch der gesellschaftliche Status der Beerdigten ablesen. Auf den ältesten, fast verwitterten, einfach behauenen Steinen stehen hebräische Buchstaben. Die Grabmale des 19. Jahrhunderts sind prächtiger gestaltet, die Inschrift auf der Vorderseite ist in der Regel deutsch, auf der Rückseite stehen hebräische Wörter. Dies belegt die wachsende Integration der Landjuden in Marsberg und Umgebung. Waren sie zunächst aus der Fremde kommende, eher geduldete Außenseiter, die beim Herzog einen Schutzbrief erstanden, waren sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts akzeptiert im Dorf.

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Geschichte jüdischen Lebens darf nicht vergessen werden

Die Informationen über jüdisches Leben auf dem Land vom ehemaligen Ortsvorsteher Heinz Bickmann in Madfeld, Norbert Becker in Padberg und Beringhausen und von Pfarrer Dietmar Schorstein an allen Orten brachten Fragen und Erinnerungen hoch. „Wie hätten wir gehandelt, wenn wir in Nazi-Deutschland aufgewachsen wären?“, fragten sich manche Teilnehmer. Andere erinnerten sich an Geschichten ihrer Großeltern und Eltern. Dass wir Verantwortung tragen dafür, dass die Geschichte jüdischen Lebens hier nicht vergessen wird und jüdische Menschen im heutigen Deutschland leben können, das wurde allen Teilnehmenden deutlich. Nur so bleibt Vielfalt bestehen.