Brilon. Der Arbeitskreis Alte Schriften in Brilon übersetzt alte Briefe, die aus dem HSK stammen. Diese Geschichten blieben den Übersetzerinnen im Kopf.

Der Arbeitskreis „Alte Schriften“ aus Brilon des Heimatbundes Semper Idem sucht dringend Nachwuchs. Das Nesthäkchen im Team wird bald 80 Jahre, die älteste Dame ist 94 Jahre alt. „Wir sind über Jede und Jeden froh, der kommt.“ Denn: Alte deutsche Handschriften entziffern, das kann heute kaum noch jemand.

Seit einigen Jahren treffen sich etwa zehn Seniorinnen zu diesem kulturellen Hobby und besitzen mittlerweile „geballte Kompetenz auf diesem Gebiet“, ist Museumsleiter Carsten Schlömer froh über das Team. Sie treffen zwei Mal im Monat im Museum Haus Hövener am Marktplatz aufeinander und arbeiten sich durch Schriftstücke der historischen Bibliothek. Manchmal stoßen sie dabei auf unglaubliche Vorkommnisse und spannende Geschichten.

Projektwochen in Schulen veranstaltet

Jeder Erstklässler braucht etwa ein Jahr, bis er alle großen und kleinen Buchstaben des Alphabets in Schreibschrift schreiben und lesen kann. Damit auch alte Schriftarten wie etwa die alte deutsche Schrift (16. bis 20. JH), die Kanzlei- oder die Sütterlinschrift nicht völlig in Vergessenheit geraten, finden in manchen Schulen sogar Projektwochen mit Schreib- und Leseübungen zu diesem Thema statt. Die nach dem Berliner Grafiker Ludwig Sütterlin (1865-1917) benannte Süttlerin-Schrift wurde zwischen 1915 und 1941 an deutschen Schulen geschrieben. Die Damen im Museum kennen diese Schrift fast in- und auswendig.

Dem AK Alte Schriften macht die Erforschung alter Unterlagen Spaß.
Dem AK Alte Schriften macht die Erforschung alter Unterlagen Spaß. © Monika Wiegelmann | Monika Wiegelmann

Auf dem großen Tisch im Museum liegt jetzt wieder ein hoher Stapel kopierter Unterlagen. Viele Seiten in vergrößerter Schrift, die darauf warten von den AK-Damen, darunter die 94-jährige Gerda Neuhaus, transkribiert zu werden. Es sind wertvolle historische Unterlagen wie alte Briefe, Testamente, Gerichtsakten oder Firmenchroniken. Bei einigen Schriftstücken sind die Anfangsbuchstaben kunstvoll verziert. Die Damen notieren Wort für Wort erst einmal handschriftlich in heutiger Schreibschrift auf Papier und dann am Laptop.

Texte sind manchmal nur schwer zu entziffern

Manchmal ist ein Text gut zu lesen, aber oftmals auch schwer, entweder durch eine unleserliche Schrift des Verfassers oder es kommen Worte darin vor, die man heute nicht mehr kennt. Dann wird gemeinsam überlegt, bis das unbekannte Wort entziffert ist und der Satz einen Sinn macht. „Es schreibt nicht jeder ordentlich“, ist man sich unter den Frauen einig. „Ich mach auch gerne zu Hause weiter, ich habe ja Zeit“, betonte Gerda Neuhaus. „Es ist auch schön, dass die Museumsmitarbeiterinnen dabei schreiben, wer die Übersetzung gemacht hat“, freuen sich die Damen über diese Wertschätzung. Alle sind mit viel Spaß dabei. „Über manche Sachen haben wir auch gelacht“, erinnerten sie sich an einige der ältesten Unterlagen wie Besitzstreitereien von 1530 aus Altenbüren, die auf ihrem Tisch landeten.

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„Vieles bringen auch Privatpersonen. Das Museum ist Ansprechpartner für die Bevölkerung. Die Leute haben zu Hause ihre Familienschätze und können sie nicht lesen“, meinte Carsten Schlömer. „Wir hatten einmal ein Tagebuch mit den Briefen des Vaters der Familie Liebers aus Meschede. Wir bieten an, das dann kostenlos zu übersetzen.“ Auch zwei Briloner Hexenprozessakten aus dem Landesarchiv in Münster wurden im Museum erschlossen. „Man muss sich immer erst richtig einlesen, denn mancher Schriftführer schrieb besser und der andere schlechter“, meinte Frau Stolze, die als ehemalige Apothekerin mit vielen unleserlichen Schrift umgehen musste.

Kriegserlebnisse der Frau geschrieben

Auch lyrische Texte mit schönen Gedichten sind schon einmal dabei. Und berührende Feldpostbriefe von Ulrich Hövener. „Eigentlich banale Dinge, die er jeden Tag seiner Frau geschrieben hat. Aber mitzulesen, wie jemand die Kriegserlebnisse genau schildert, auch wie ihm ein Bein amputiert wurde, das war schon berührend.“ Es sein immer wieder tolle Geschichten dabei, wie die von 1920. Damals hatte ein Wilddieb zwei Förster erschossen und wurde zum Tode verurteilt. Er habe nur einen erschossen, erklärte er daraufhin; also wollte er auch nur ein Mal zum Tode verurteilt werden.

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„Die größte Barriere sind Schrift und Sprache, so etwas ist in Schulbüchern nicht zu lesen“, erklärte der Museumsleiter. „Daher sind die Bemühungen der Schriftenleserinnen Gold wert.“ Für Brilon ist die wertvolle historische Bibliothek im Museum ein Glücksfall und macht Haus Hövener zum Mittelpunkt der Stadt.

Große Geschichte schrieb man auch in kleinen Städten. Erst kürzlich wurde ein kostbares Werk dem Museum Haus Hövener wiedergegeben. Die älteste Luther-Bibel Brilons, die sich einige Zeit zur Analyse in der Landesbibliothek NRW befand. Als 1655 die Minoriten in ihr Kloster im Stadtkern Brilons einzogen, erklärten sie sich bereit, eine Lateinschule zu errichten. In ihrer Bibliothek wurden Schriften gesammelt, die ihnen das „theologische Handwerkszeug“an die Hand gaben. In ihrer Bibliothek wurden katholische Messbücher gesammelt, aber auch eine Sammlung an protestantischen Texten angelegt. Auch die älteste noch erhaltene evangelische Bibel, die es in Brilon und den 16 Dörfern gibt, enstammt dieser wertvollen Bibliothek der Minoriten.

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„Leider ist sie in einem sehr schlechten Zustand“, bedauert Carsten Schlömer. „Einige Seiten sind eingerissen, die Schließung des Buchdeckels ist zerstört und der hölzerne Kern angegriffen“. Sie sollte in Münster restauriert werden und ich habe sie selbst dahin gebracht. Aber sie wurde nicht restauriert. „Wir restaurieren sie jetzt selbst durch die Buchhandlung Depping. Dafür wollen wir die Bevölkerung aufrufen Stifter zu werden, um die Stadtgeschichte zu erhalten.“ Die Restaurierung wird schon einige Tausend Euro kosten. „Aber diese alte Bibel ist es wert, dass vergessene Geschichte wieder lebendig gemacht wird. Wenn sie fertig restauriert ist, wird sie im Museum ausgestellt. Ein unermesslicher Kulturschatz.“ Der Arbeitskreis „Alte Schriften“ trifft sich jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 15 bis 17.30 Uhr im Museum Haus Hövener am Markt in Brilon.

Durch Spenden können Bürgerinnen und Bürger mithelfen, Gescichte wirklich zu bewahren und die Schätze der Vergangenheit zu erhalten. Spendenkonten für Stifterinnen und Stifter: Sparkasse Hochsauerland: IBAN DE63 4165 1770 0000 0602 51, SWIFT BIC WELADED1HSL, Volksbank Brilon-Büren-Salzkotten: IBAN DE 52 4726 1603 0046 2141 00