Hochsauerlandkreis/Berlin. Friedrich Merz, Patrick Sensburg Dirk Wiese und Carlo Cronenberg über Freiheiten, Druck, Zwang und Abwägungen beim Impfen in der Corona-Krise.

Die Corona-Fallzahlen bewegen sich im HSK weiter auf niedrigem Niveau. In den vergangenen Wochen ging die Infektionskurve aber leicht nach oben. Das Impftempo dagegen nimmt ab. Die Sorge um eine schnelle Ausbreitung der Delta-Variante im Herbst haben eine Debatte um eine Impfpflicht bzw. Impf-Anreizesowie den Umgang mit Ungeimpften aufflammen lassen. Wie positionieren sich die drei aktuellen HSK-Bundestagsabgeordneten sowie CDU-Kandidat Friedrich Merz in der Debatte?

1. Sollten gegen Corona Geimpfte künftig mehr Freiheiten genießen als Ungeimpfte?

2. Welche Anreize könnte man schaffen, um Unentschlossene von einer Impfung zu überzeugen?

3. Wie stehen Sie zum Thema Impfpflicht für bestimmte Gruppen, wie z.B. für Personal im Gesundheitswesen?

Friedrich Merz (CDU)

Friedrich Merz (CDU).
Friedrich Merz (CDU). © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

1. Grundrechte sind Individualrechte, aber keine kollektiven Rechte, die der Staat bei Bedarf allen entzieht und nur allen gleichzeitig zurückgewährt, wenn es die Lage wieder erlaubt. Man wird deshalb einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe von Geimpften, Gesunden und Genesenen nicht mehr pauschal Grundrechte vorenthalten können, weil eine immer kleinere Gruppe nach wie vor durch das Virus gefährdet ist.
2. Der größte Anreiz für die Corona-Impfung sollte der hohe Schutz vor einem schweren Verlauf sein. Auch können Geimpfte freier reisen und müssen sich nicht mehr testen lassen, um an Veranstaltungen teilzunehmen. Manche Unternehmen setzen für ihre Mitarbeiter zusätzliche Anreize, um eine möglichst hohe Impfquote in der Belegschaft zu erreichen.
3. Ich finde, dass Ärztinnen und Ärzte ebenso wie das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eine besondere Verantwortung haben, die diese Gesellschaft ihnen gegeben hat und auf die sie sich mit ihrem Beruf eingelassen haben. Diese Berufsgruppen haben eine besondere Schutzfunktion gegenüber kranken oder älteren Menschen. Und deshalb erwarten wir als Gesellschaft von diesem Personenkreis zu Recht, dass er sich impfen lässt. Das gilt auch für das Personal in Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten.

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Patrick Sensburg (CDU)

Patrick Sensburg (CDU).
Patrick Sensburg (CDU). © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

1. Impfungen dienen dem eigenen Schutz und dem Schutz aller anderen Mitbürger. Das Ziel der Impfungen ist es gerade auch den Geimpften wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Ungeimpfte können daher künftig nicht alle Freiheiten genießen, wie Geimpfte oder Genesene.
2. Wir werden den Zugang zu Impfungen noch weiter erleichtern. So kann es z.B. Impfungen an Schulen und Hochschulen geben oder z.B. in Einkaufszentren. Alle müssen dann aber auch mitmachen, denn nur so können wir erneute Einschränkungen im Herbst vermeiden.
3. Wenn es uns nicht gelingt, die Pandemie in den Griff zu bekommen, müssen wir auch über Impfpflichten nachdenken. Die Impfung bietet umfangreichen Schutz und der Grundrechtseingriff einer Impfpflicht ist nicht schwer. Ein ganzes Land wieder in einen Lockdown schicken zu müssen, ist aus meiner Sicht ein weitreichender Grundrechtseingriff.

Dirk Wiese (SPD)

Dirk Wiese (SPD).
Dirk Wiese (SPD). © Unbekannt | Karma Marketing GmbH

1. Es geht aktuell die Besorgnis bei einigen Menschen um, dass die Impfkampagne nicht genügend Erfolg hat. Ich finde allerdings, wir sollten jetzt erstmal weiter unermüdlich dafür sorgen, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen, bevor wir Drohkulissen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern aufbauen, die zudem verfassungsrechtlich mindestens fragwürdig sind. Es gibt noch viele Impfwillige, die sich noch nicht impfen lassen konnten, aus welchen Gründen auch immer. Das müssen wir mit Beharrlichkeit und Kreativität ändern. Ein gutes Beispiel gab es dafür am Samstag am Rande des Zweitligaspiels in Dresden. Man sollte auch vermehrt über das Impfen bei Kulturveranstaltungen oder in Kneipen oder Biergärten, wie zum Beispiel in Israel, nachdenken.
2. Wenn später wirklich alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen, müssen wir zudem darüber sprechen, ob die Weigerung, sich impfen zu lassen, auch noch mit der Kostenfreiheit für Tests belohnt werden kann. Ich fände das dann nicht richtig. Wer die Impfung ohne Grund ablehnt, der sollte dann auch für die Tests zur Kasse gebeten werden.
3. In Deutschland gibt es keine Impfpflicht. Dies wurde von Seiten der Bundesregierung auch immer wieder klar kommuniziert. Leider sind in den sozialen Netzwerken hierzu viele Falschmeldungen unterwegs. Allerdings hat man in bestimmten Berufen eine sehr hohe Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen, insbesondere im Gesundheitsbereich. Aufklären und sachlich informieren ist aber auch hier immer der bessere Weg als ein Zwang.

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Carlo Cronenberg (FDP)

Carl-Julius Cronenberg (FDP). 
Carl-Julius Cronenberg (FDP).  © Unbekannt | MdB-Büro Cronenberg / K. Ehrig

1. Die Frage suggeriert, der Staat könne Freiheiten zuteilen. Das ist falsch. Jeder Bürger hat jederzeit alle Freiheitsrechte. Dazu gehört auch das Recht, sich nicht impfen zu lassen. Andererseits gibt es Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Die sind in besonderem Maße auf die Solidarität aller angewiesen. Deshalb kann der Staat Gewerbetreibenden kaum verwehren, gewollt Ungeimpfte anders zu behandeln als Geimpfte oder solche, die sich nicht impfen lassen können. Letzteres sollte vom Hausarzt bestätigt, im Impfpass vermerkt und in einer App dokumentiert werden.
2. Jeder sollte sich impfen lassen. Das ist eine Frage der Solidarität. Es gibt Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht impfen lassen können und deshalb Schutz durch Herdenimmunität brauchen. Das sollte deutlich in öffentlichen Appellen kommuniziert werden. Dass man ausgerechnet diejenigen mit einer Prämie belohnt, die sich bislang eher egoistisch verhalten, erschließt sich nicht. Wie schon bei der vorherigen Frage angedeutet: wer sich nicht impfen lassen möchte, muss die Konsequenzen tragen, z.B. verschärfte Kontrollen oder gar Einschränkungen bei Reisen oder dem Besuch von Veranstaltungen. Das ist ein Gebot der Rücksichtnahme auf diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Darüber hinaus befürworte ich niedrigschwellige Impfangebote, z.B. vor Supermärkten oder Möbelhäusern oder in Flughäfen.
3. Eine Impfpflicht ist nicht zielführend – auch nicht für bestimmte Berufsgruppen wie Pfleger oder Lehrer. Jeder hat das Recht, sich nicht impfen zu lassen. Allerdings muss der Arbeitgeber auch das Recht haben, Ungeimpfte von der Arbeit freizustellen, wenn mit Risiken für Dritte zu rechnen ist. Das ist dann so wie unbezahlter Urlaub. Dabei zähle ich auf die Unterstützung durch die Betriebs- und Personalräte sowie der Gewerkschaften.