Hochsauerlandkreis/Brilon. Mangelware Psychotherapie: Einen Therapieplatz im HSK zu bekommen ist schwer – gerade zur Corona-Zeit. Unmöglich? Nein. Psychologin gibt Tipps.

Zahlreiche Experten schlagen Alarm: Die Nachfrage nach Therapieplätzen ist nicht nur seit Corona gestiegen. Allerdings fehlt es an Plätzen und Kapazitäten in den Praxen, die Wartezeiten auf einen Platz können mitunter sehr lang werden. Was man für einen schnellen Termin tun muss und wie gefährlich lange Wartezeiten wirklich sind, erklärt Dr. Elisabeth Weinrich, psychologische Psychotherapeutin mit ihrer Praxis in Brilon.

Stationäre Einweisung, wenn es nicht anders geht

Für einen ambulanten Therapieplatz braucht es ein halbes Jahr Geduld – oder länger. Das bestätigt auch Elisabeth Weinrich.

  Dr. Elisabeth Weinrich ist Diplom-Psychologin in Brilon. In ihrer Praxis berät sie Menschen zu mehr Selbstvertrauen und will ihre Patienten zu der Erkenntnis hinleiten, was sie wirklich wollen. In der Therapie bietet sie nicht nur Verhaltenstherapie an, sondern auch Hypnose, Neurolinguistisches Programmieren, Provokative Therapie nach F. Farrelly oder die EMDR-Methode an.
  Dr. Elisabeth Weinrich ist Diplom-Psychologin in Brilon. In ihrer Praxis berät sie Menschen zu mehr Selbstvertrauen und will ihre Patienten zu der Erkenntnis hinleiten, was sie wirklich wollen. In der Therapie bietet sie nicht nur Verhaltenstherapie an, sondern auch Hypnose, Neurolinguistisches Programmieren, Provokative Therapie nach F. Farrelly oder die EMDR-Methode an. © Privat

„Ja, wenn Sie jetzt wegen eines Termins anrufen, können Sie mit viel Hoffnung in einem halben Jahr einen Platz erhalten“, sagt die Psychologin. Eine lange Zeit, besonders, wenn die mentalen Probleme drücken. „Sollte es nicht anders gehen, erwäge ich natürlich eine stationäre Einweisung“, sagt Elisabeth Weinrich. Es habe keinen Zweck, leidende Patienten ein halbes Jahr zu vertrösten. „Jemand, der selbstmordgefährdet ist, den schicke ich nicht einfach nach Hause.“ Es sei aber oftmals auch nicht allzu schlimm, wenn ein Patient länger auf seinen Platz warten muss. „Viele Menschen tragen diese Probleme schon jahrelang mit sich herum. Eine psychische Erkrankung hat eine lange Vorzeit. Diese Menschen haben die Problematik so lange ausgehalten, dass es dann auf diese Monate nicht unbedingt ankommen muss.“

Hausaufgaben für die Wartezeit

Elisabeth Weinrich gibt ihren angehenden Patienten zusätzlich Hausaufgaben für die Wartezeit mit. „Um über sich nachzudenken, empfehle ich passende Bücher zu bestimmten Themen. So haben die Menschen das Gefühl, es geht schon los und sie müssen nicht nur warten.“ Für sie sind die Erledigung der Hausaufgaben zudem ein Indikator dafür, dass die Motivation der Patienten anhält. „Wer nach einem halben Jahr zu mir kommt und das Buch gelesen hat, der zeigt Eigeninitiative. Patienten, die ihre Hausaufgaben nicht machen, lassen mich innerlich zurücklehnen. Ich will dann erstmal sehen, wie hoch die Motivation ist. Denn eins ist klar: Ich kann die Arbeit für die Patienten nicht übernehmen.“

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Eigeninitiative ist auch bei der Therapieplatzsuche und Terminvereinbarung gefragt. Entgegen der gängigen Vorurteile sei die Situation auf dem Land nicht prekärer als in größeren Städten. „Allein in Brilon sind doch um die fünf Plätze geschaffen worden“, sagt Elisabeth Weinrich. Trotzdem ist die Suche nicht leicht, die Plätze rar. „Wir arbeiten den ganzen Tag in der Praxis, viele bieten aber geringere Stundenumfänge an und können daher nicht so viele Patienten aufnehmen“, erklärt die Diplom-Psychologin.

Das Erstgespräch als wichtiger Indikator

Wer einen Therapieplatz braucht oder möchte, kann sich telefonisch zu den verschiedenen Sprechzeiten in den Praxen melden. Dann findet relativ zeitnah – „wir versuchen es innerhalb von zwei Monaten möglich zu machen“ – ein Erstgespräch statt. In diesem wird die grundsätzliche Problematik besprochen und der Patient kann erklären, für welche Symptomatik er Hilfe braucht. Dann beginnt die Wartezeit auf den Beginn der Therapie – und apropos Eigenleistung: jeder Patient muss sich selbst nach Verstreichen der Wartezeit melden, um einen Termin auszumachen. „Die Patienten sollten selbst aktiv werden“, betont auch Elisabeth Weinrich.

Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht

Sie bestätigt, dass die Nachfrage besonders nach Corona gestiegen sei. „Wir leben in einer Extremsituation und ein soziales Kontaktverbot geht gegen unsere Natur. Verbindungen sind ein Grundbedürfnis von uns und für viele ist die Pandemie eine ganz schwierige Situation.“ Wer ohnehin schon Vorerkrankungen gehabt hätte, leide nun mehr. Zwar vermutet Elisabeth Weinrich, dass viele Menschen jetzt langsam in eine Entspannung gehen würden, weil die Aussicht auf Reisen und mehr Kontakte bestünde, allerdings würde das die Nachfrage nach Therapieplätzen ihrer Einschätzung nach nicht regulieren. „Nach einem Jahr in einer permanenten Stresssituation reagieren auch viele Menschen erst verspätet mit einem Zusammenbruch, weil sie bis jetzt nur funktioniert haben und erst drei bis sechs Monate nach der Stresssituation eine Belastungsreaktion zeigen.“ Ihre Vermutung: Die Anmeldungen werden nicht sinken – und Wartezeiten nicht kürzer.

Bei akuten Beschwerden hilft die Telefonseelsorge, deutschlandweit täglich 24 Stunden kostenfrei und anonym erreichbar unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222. Auch der ärztliche Notdienst kann helfen. Auch die Caritas im Dekanat Hochsauerland-Ost betreut seelsorgerisch, Ansprechpartner ist Uli Schilling, Caritas-Koordinator Dekanat HSK Ost.