Marsberg. Teilstücke der Diemel sind in einem Gemeinschaftsprojekt in ihren fast ursprünglichen Flussverlauf zurückversetzt worden. Das steckt dahinter:

Die Diemel fließt längst nicht mehr in ihrem ursprünglichen Bett. „Die Menschen passten sie bereits vor knapp 200 Jahren ihren Lebensumständen an, um Ackerland zu gewinnen oder Bergbau zu betreiben“, weiß Clemens Kirchhoff vom städtischen Bauamt und Vorsitzender des Marsberger Wasserverbandes Diemel. Der Flusslauf wurde verändert, Ufer begradig und die Höhe vereinheitlicht. So auch die Diemel bei Marsberg.

Aber in Teilstücken der oberen Diemel im Bereich der Wepa und im Bereich der Freizeitanlage Grube Christiane fließt sie jetzt so, wie es ihr das der Flusslauf einst vorgab. Dafür gesorgt hat, Jens Eligehausen, Lehrbeauftragter Landschafts- und Vegetationsökologe an der Universität Kassel und Mitgründer des Vereins Planar e.V. und der Marsberger Wasserverband. Planar ist das Planungsnetz für nachhalte Regionalentwicklung im Rahmen eines Kooperationsprojekts der Universität Kassel.

Idyllisches Fleckchen Erde in Marsberg

„Das ist hier so ein idyllisches Fleckchen Erde“, ist Prof. Eligehausen begeistert von der Landschaft des Diemeltals, der Wepa, die ihre Ausgleichsflächen für das Renaturierungsprojekt zur Verfügung gestellt hat ebenso wie die Stadt und natürlich dem Projekt selbst.

Steilhänge an dem wiederhergestellten Uferbereich der Diemel bieten zum Beispiel Eisvögeln Unterschlupfmöglichkeiten.
Steilhänge an dem wiederhergestellten Uferbereich der Diemel bieten zum Beispiel Eisvögeln Unterschlupfmöglichkeiten. © Annette Dülme

Beim Pressetermin mit der WP hat er seine Drohne dabei. Denn er ist regelmäßig wöchentlich und monatlich vor Ort, um die Projektentwicklung zu beobachten, Flora und Faune in um den Fluss zu dokumentieren. Denn auch das gehört zu den EU-Wasserrahmenrichtlinien, die dem Projekt zugrunde liegen.

Weit weg von naturnahem Zustand

Clemens Kirchhoff: „Die Richtlinien besagen, dass eigentlich schon bis 2015 alle Oberflächengewässer in einem guten ökologischen Zustand sein sollten.“ Aus ökologischer Sicht sei der Fluss weit weg von einem naturnahen Zustand, so Gewässerökologe Eiligehausen. Seltene Pflanzen- und Tierarten hätten dort gelebt. Zumindest in den Teilbereichen kommt er diesem aber jetzt schon nahe.

„Da eine junge Äsche“, zeigt der Professor begeistert auf den kleinen Fisch, der flink im glasklaren Diemelwasser in einem niedrigem Seitenarm hin und her schwimmt. Er wertet das als ein Zeichen, dass „unsere Maßnahmen schnell und kosteneffizient funktionieren.

Kostengünstig umgesetzt

Die Diemel entfesselt

Die Ergebnisse des Projektes “Die Diemel entfesselt“ sind unter www.diemel-entfesselt.de nachverfolgbar. „Für mich geht es darum, auch andere Leute ohne Hemmschwelle in die Lage zu versetzen, selbst tätig zu werden. Damit können sich auch Ehrenämtler und Bürger vor Ort für ihre Gewässer einsetzen. Das ist ein sehr attraktiver Ansatz für andere Gemeinden und Gewässer“, betont Eligehausen.

Die Entwicklung der aktuellen Renaturierungsmaßnahmen wird in den kommenden Monaten im Rahmen von Lehrveranstaltungen ökologisch begleitet und die Ergebnisse auf der Website www.diemel-entfesselt.de veröffentlicht.

Wir konnten die Maßnahmen für wenige tausend Euro umsetzen.“ Das kommt auch dem Marsberger Wasserverband und der unteren wie oberen Wasserschutzbehörde „sehr“ entgegen, wie Klemens Kirchhoff bestätigt.

Raus aus dem Betonkorsett

Ursprünglich sei die Diemel mal 20 Meter breit gewesen, an anderen Stellen nur fünf Meter. Vor 200 Jahren etwa habe man sie auf die gleiche Breite von zehn Metern in ein Betonkorsett gezwängt. Aus diesen Zwängen befreit hat sie der Professor mit Studierenden der Landschaftsplanung und dem Umweltingenieurswesen im Rahmen seiner Lehrveranstaltung am Projekt.

Die Studierenden entwickelten auch eigene Ideen, basierend auf drei verschiedenen Maßnahmenkategorien. Vorgegeben war das Entfernen von Uferbefestigungen, um die dynamischen Prozesse zu fördern und wiederherzustellen, das Modellieren von Flussstrukturen mit Totholz und Kiesbänke und das Schaffen von Nebengerinnen und strömungsberuhigenden Flachwasserzonen für Jungfische oder Amphibien. Mithilfe von Geoinformationssystemen (GIS) machten die Studierenden geeignete Bereiche für mögliche Maßnahmen aus. Umgesetzt wurden sie größtenteils im April 2020.

Alter Zustand nicht möglich

Bewachsene Flussinseln und niedrigen Seitenarme mit Totholz bieten neuen Lebensraum für Flora und Faune.
Bewachsene Flussinseln und niedrigen Seitenarme mit Totholz bieten neuen Lebensraum für Flora und Faune. © Annette Dülme

„Natürlich können wir den alten Zustand nicht 1:1 wiederherstellen. Aber wir können an den wichtigsten Stellschrauben drehen“, so Eligehausen. Das Gewässer kann sich nun seitlich verlagern, zudem besteht die vormals verdichtete Sohle aus lockerem Kies. Mit diesem Ansatz hat der Planar e.V. in Kooperation mit der Uni Kassel und dem Wasserverband Diemel(Marsberg) seit 2015 die Renaturierung von ungefähr 600 Metern Fließgewässer angestoßen.

Der renaturierte Diemelabschnitt weist nach Professor Eiligehausen bereits Charakteristika seines Urzustands auf. Das gefällt wohl auch einem Biber.

Der Professor hat einen in den Abendstunden mit seiner Handykamera festgehalten. Um den natürlichen Zustand der Diemel zu erreichen, müssten allerdings noch weitere Renaturierungsmaßnahmen am nördlichen Ufer der Diemel durchgeführt werden. Clemes Kirchhoff: „Die Flächen dieser Uferseite sind aber Eigentumsflächen, die deshalb nicht für die Renaturierung zur Verfügung stehen.“