Hallenberg. Nina Homrighausen ist medizinische Fachangestellte in Hallenberg. Sie erklärt, womit Patienten sie konfrontieren und wieso ihr Privatleben leidet

Mit Stress kennt sich Nina Homrighausen eigentlich aus. Die medizinische Fachangestellte arbeitet seit 2012 in der Sauerlandpraxis in Hallenberg, aber was sie derzeit erlebt in ihrem Alltag erlebt, bringt sie an ihr Limit. Auch weil ihr Beruf stellenweise schon auf ihr Privatleben übergreift.

Auf die Frage wie sich der Arbeitsalltag seit Corona und vor allem den Impfungen dagegen verändert hat, muss die 31-Jährige lachen bevor sie ernst antwortet: „Drastisch. Den normalen Arbeitsalltag gibt es nicht mehr. Es dreht sich alles um Corona, Abstriche undImpfungen. Andere Sachen bleiben liegen. Für Abrechnungen am Quartalsende bleiben kaum Zeit. Es wäre praktisch, wenn ein Tag mehr Stunden hätte.“

Corona-Abstriche sorgen für viel Bürokratie

Das Personal hilft in Testzentren aus, macht Abstriche in Medebach und Winterberg, weil eine räumliche Trennung in der Praxis in Hallenberg nicht möglich ist. Eine Prozedur, die pro Patient nicht lange dauert, aber dann ist da noch die Bürokratie. Der Aspekt, der laut Homrighausen am meisten Zeit raubt, denn eine Routine konnte sich lange Zeit nicht einspielen, weil die Vorgaben für die Abrechnungen immer wieder geändert wurden. „Die Bürokratie ist der Wahnsinn“, sagt die 31-Jährige. Die Zahl der Abstriche im Alltag nimmt mittlerweile ab. An dieser Front ist es ruhiger geworden, aber dafür gibt es bereits eine neue.

 Eine Arzthelferin nimmt in einer Arztpraxis einen Abstrich für einen PCR-Corona-Test.
Eine Arzthelferin nimmt in einer Arztpraxis einen Abstrich für einen PCR-Corona-Test. © dpa | Kay Nietfeld

Das Telefon steht nämlich nicht still in der Praxis. Wer Probleme hat, ruft an. Symptome werden im Vorfeld am Telefon abgefragt, um Risiken zu minimieren und gegebenenfalls sofort einen Abstrich zu veranlassen, falls beispielsweise Erkältungssymptome vorliegen. Ein Aufwand, der in diesem Umfang vorher bei Gesprächen nicht notwendig war. Seit Hausärzte auch gegenCorona impfen, gibt es auch in dieser Hinsicht viel Gesprächsbedarf. Von beiden Seiten, was dazu führt, dass die Patienten kaum durchkommen. „Die Patienten wollen dann mal hören, wie es um ihre Impfung steht, weil sie schon seit zwei Wochen auf der Liste eingetragen sind. Sie hoffen, dass sie nicht vergessen wurden. Aber wir arbeiten noch immer die Prioritätslisten ab. Mit mehrImpfstoff wären wir weiter“, sagt die medizinische Fachangestellte.

Mehr Personal in Hallenberg nötig

Mittlerweile wurde bereits mehr Personal eingestellt, um die Arbeit am Telefon besser bewältigen zu können. Die Mitarbeiter sprechen schon vom Praxishandy und von ihren eigenen Apparaten, um Patienten über ihre Termine zu informieren, denn die Hauptleitung lässt das kaum noch zu. Nina Homrighausen tut der Umstand leid, dass es schwierig ist, die Praxis zu erreichen, aber sie sagt, dass sie auch nicht noch mehr arbeiten können.

Das Verständnis für die Situation ist von Seiten der Patienten nur zum Teil da. Auf der einen Seite gibt es Personen, die wissen, dass die Fachangestellten ihr Bestes geben und schenken ihnen Süßigkeiten. Auf der anderen Seite gibt es viel Unverständnis, weil es beim Impfen nicht weitergeht. „Sie bekommen dann nicht mit, dass es kaum Impfstoff gibt und gleichzeitig wollen sie unbedingt nur mit Biontech geimpft werden. Das ist alles mühselig zu erklären“, sagt Homrighausen. Gerade jetzt in der Urlaubszeit möchten ihrer Erfahrung nach einige Patienten ihre Impfung gerne vorziehen. „Ich kann verstehen, dass jeder Normalität will. Aber man sollte dennoch anderen Leuten die Chance geben, die erste Impfung zu erhalten und ein Stück weit geschützt zu sein, statt an den eigenen Urlaub zu denken“, appelliert die sie.

Patienten stören im Privatleben

Sie und ihre Kollegen arbeiten stellenweise auch Samstags, um die Patienten über ihren Impftermin zu informieren. Das schlaucht. Die Bad Berleburgerin war froh, dass sie 14 Tage Urlaub hatte. Obwohl dieser auch mit einem schlechten Gewissen gegenüber den Kollegen einherging. Doch die Auszeiten sind wichtig. Die Belastung ist groß. „Es geht an die Substanz und es gibt Momente in denen ich mich frage, wie schaffen wir das alles? Und es gibt auch Momente, wo es einem zu viel wird,“ sagt sie ehrlich. Augenblicke in denen der Ton ungewollt etwas ruppiger wird, auch im Privatleben.

Das wird ohnehin auf eine Probe gestellt. Denn auch am Wochenende ist es schwierig abzuschalten. Das Thema Impfen kommt auch dort auf. Über Facebook und Instagram kommen plötzlich Anfragen von Patienten, ob sie nicht auf die Impfliste gesetzt werden könnten. Statt Entspannung an freien Tagen, ist Nina Homrighausen im Kopf sofort wieder im Arbeitsmodus. Dabei sollte das Privatleben auch genau das sein. Sie hofft, dass bald mehr Impfstoff zur Verfügung steht, damit sich die Situation entspannt und ein normaler Alltag wieder Einzug in der Praxis finden kann. Denn bisher kennt sie nur eines: „So viel schaffen, wie es nur geht, damit alles ein Ende haben kann. Dafür nehmen wir den Aufwand in Kauf.“