Brilon. Rätsel gelöst: Warum das Briloner Rathaus schon so lange „kopflos“ ist und warum der Youtube-Kanal des Museums schon über 100.000 Besucher hat.
Die Zeit der (ausschließlich) digitalen Ortserkundung ist vorbei. Ab sofort bieten der Briloner Heimatbund Semper Idem und das Stadtmuseum „Haus Hövener“ wieder Stadtführungen mit Händen, Herz und Füßen an.
„Wir sind froh, dass wir wieder von Mensch zu Mensch unterwegs sein können“, sagt Vorsitzender Winfried Dickel. Dennoch waren auch die Online-Geschichtsstunden auf dem heimischen Sofa stark gefragt. Seit Ende 2020 hatten Museum und Heimatbund Videoclips auf den museumseigenen Youtube-Kanal gestellt. Auf 54 Videos gab und gibt es Wissenswertes über Brilon und seine 16 Dörfer. Mehr als 100.000 Mal wurden die Clips inzwischen geklickt.
Zuschauer aus aller Welt
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Die meisten Geschichtsinteressierten kommen aus Deutschland. Aber die Analyse des Kanals zeigt, dass auch Zuschauer aus England, Italien, Spanien, Österreich, Polen, Bulgarien, Frankreich, Tschechien, den USA und Brasilien „alles use“ zu schätzen wissen. „Vor allem Geschichten, die sich mit Menschen vergangener Jahrhunderte beschäftigen, sind beliebt. Alte Bauernhäuser, herrschaftliche Residenzen und bekannte Denkmäler werden oft angeklickt“, sagt der Museumsleiter und stellv. Heimatbundvorsitzende Carsten Schlömer. Aber auch Traditionen und vergangene Lebensarten finden ihre Beachtung. „Mit dem YouTube-Channel sind wir neue Wege gegangen. Wir haben es geschafft, auch während der Pandemie den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass die Geschichten weitergeschrieben werden. Anders als an vielen Orten ging es uns nicht um eine Werbekampagne, sondern allein darum, unseren Gästen einen Blick in die Briloner Vergangenheit vom heimischen Sofa aus zu bieten“, so Schlömer weiter.
Und von solchen Einblicken gibt es jede Menge. Ein Online-Beitrag widmet sich quasi dem Ordnungsamt von damals. Im Dezember 1911 – also vor 110 Jahren – wurden in Brilon Kontrolluhren installiert. Mit Parkscheinautomaten hatte das nichts zu tun. Vielmehr mussten die Nachtwächter vor allem in den Außenbezirken diese Uhren „umschließen“, um damit zu dokumentieren, dass sie vorschriftsmäßig ihre Runden gedreht hatten.
Mit Nachtwächtern wäre das nicht passiert
Hätte es diese Vorschriften und die Nachtwächter 50, 60 Jahre später noch gegeben, dann hing vielleicht heute noch - neben den vier Hirschgeweihen an der Rathausfassade - ein bronzener Hirschkopf mit Sechzehnender-Geweih. Jener Hirsch hätte in diesen Tagen ebenfalls 110-Jähriges feiern können. Der inzwischen verstorbene Stadthistoriker Gerhard Brökel hat für eine der Briloner Chroniken herausgefunden, dass die Jagdgesellschaft Niederwald im Frühjahr 1911 aus Anlass ihres 30-jährigen Bestehen der Stadt einen metallenen Hirschkopf samt Geweih eines Sechzehnenders stiftete. Diese Trophäe blickte lange Zeit vom Rathaus auf den Marktplatz. Doch Jahre später wurde der Kopf gestohlen. Von heute auf morgen war das Rathaus quasi kopflos.
Stadtführungen nach Voranmeldung wieder möglich
Die Datenbank und jahrelange Arbeit des Briloner Heimatbundes werden genutzt und für das neue Jahrhundert aufbereitet. Mit mehr als 30.000 historischen Fotografien ist das Archiv des Heimatbundes eine wahre Fundgrube an Erinnerungen der Stadt- und Landschaftsgeschichte. Ohne diese Arbeit des Bewahrens wäre ein solcher Erfolg nie möglich gewesen. Ab sofort sind samstags um 11 Uhr wieder Stadtführungen nach Voranmeldung möglich. Anmeldung museum@haus-hoevener.de oder 02961 9639901.
Ein Streich aus Übermut
Vor zehn Jahren hatte der Heimatbund über die WP einen Aufruf gestartet, der Kopf-Räuber möge sich melden, um das Mysterium der verschwundenen Trophäe zu lüften. Winfried Dickel: „Das hat er inzwischen auch getan. Es war ein Streich. Einer der Beteiligten hat mir den Fall geschildert.“ Die vier jungen Männer hatten demnach ordentlich gebechert und beim Zug durch die Kneipen quasi die Witterung des Hirsches aufgenommen. Sie wollten den Kopf kidnappen und gegen Zahlung einer Kiste Bier wieder freigeben. „Der Mann hat mir berichtet, dass sie Räuberleiter gemacht hätten, er auf das Dach des Bildstockes geklettert sei, aber das Gewicht der Beute maßlos unterschätzt habe.“ Angeblich sei ihm der Hirschkopf aus der Hand gerutscht und auf der Rathaustreppe in mehrere Teile zersprungen. Auf einem Feldweg in Richtung Thülen soll die Trophäe ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Im Durchschnitt 35 Jahre und älter
Solche Anekdoten und Geschichten finden immer wieder ihre Freunde. Die Zuschauer auf dem historischen Briloner Youtube-Kanal sind übrigens laut Auswertung. 35 Jahre oder älter. Aber laut der Analyse wachsen auch die Abonnenten bei den sozialen Medien. Allein auf der Instagram-Seite des Heimatbundes haben sich mittlerweile 500 Follower gefunden. Das Interesse an immer neuen Beiträgen scheint ungebrochen zu sein. In Zukunft möchte man weitere Videos bereitstellen, achtet jedoch gleichzeitig darauf, das Angebot mit Stadtführungen und Vorträgen zu erweitern. Schlömer: „In einem Video von drei bis vier Minuten können schließlich nur ausgewählte Informationen präsentiert werden. Jetzt, wo es die pandemische Lage wieder zulässt, wollen Heimatbund und Museum Haus Hövener auch wieder Stadt- und Museumsführungen anbieten.