Brilon. Weil er rund um die Insolvenz verbotene Insider-Geschäfte getätigt haben soll, steht ein Unternehmer aus Brilon im Mai vor Gericht.

Neun Jahre nach der Insolvenz der Solarhybrid AG muss sich dessen damaliger Vorstandsvorsitzender wegen verbotener Insider-Geschäfte vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. Prozessauftakt ist am 7. Mai, insgesamt sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Die Anklage wirft dem Unternehmer vor, im Zusammenhang mit der sogenannten ad hoc-Meldung über den drohenden Zusammenbruch des Geschäftsmodells des Solarkraft-Projektierers vom 7. März 2012 schnell noch Kasse gemacht zu haben.

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In sechs Tranchen soll er vor dem absehbaren Sinkflug der Aktie schnell noch Wertpapiere aus dem Bestand seiner Holding und seiner Familie veräußert haben. Auf diese Weise, so die Anklage, soll er rund 510.000 Euro Verlust vermieden haben. Außerdem soll er sein Insider-Wissen jemandem weitergegeben haben, der auf diese Weise ebenfalls noch Verluste vermeiden konnte.

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Das sind Verstöße gegen die § 38 und 39 des Wertpapierhandelsgesetzes, und zwar in dessen zum Zeitpunkt der Tat geltender Fassung.

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität Bielefeld hatte in diesem Zusammenhang auch gegen drei weitere Führungskräfte aus dem Unternehmensgeflecht Anklage erhoben.

BaFin schöpft Verdacht

Auch sie, so die Vorwürfe, hätten - allerdings in wesentlich geringerem Umfang - diese Insider-Informationen genutzt, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Gegen einen habe man das Verfahren gar nicht erst eröffnet, bei den beiden anderen laufe das Einstellungsverfahren, teilte das Landgericht der WP mit.

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Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) hatte bereits kurz nach der Insolvenzanmeldung bei der routinemäßigen Überprüfung der sog. Director’s Dealings - das sind Eigengeschäfte von Führungskräften mit Wertpapieren ihres Unternehmens - Verdacht geschöpft und interne Ermittlungen angestellt. Die führten 2015 zur Anzeige und zu einer großen, 17 Objekte betreffende Durchsuchung von Geschäfts- und Privaträumen u.a. in Brilon, Düsseldorf, Köln und Frankfurt

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Was war geschehen? Die Wurzeln des Solarkraftwerk-Projektierer aus dem Sauerland liegen in Markranstädt, einer Kleinstadt mit rund 16.000 Einwohnern in der Nähe von Leipzig. Fußballfans werden es wissen: Die 1. Mannschaft des SSV Markranstädt trat zur Saison 2009/10 nach Einstieg des Sponsors Red Bull als RB Leipzig in der Oberliga Nordost auf - der weitere Werdegang ist bekannt.

Steiler Aufstieg

Auch mit der Solarhybrid ging es nach der Gründung 2007 steil nach oben. Der regionale Handel mit Solarpaneelen florierte, erster Großauftrag war Ende 2008 die Lieferung von 100 Hybridkollektoren an ein Wellness-Hotel. Größe der Fläche: 250 Quadratmeter. Mit dem durch eine attraktive Einspeisevergütung befeuerten Boom der Erneuerbaren Energien wuchs auch Solarhybrid. Das Unternehmen entwickelte sich zu den Top-Adressen in Deutschland. Höhepunkt: Der Bau des Solarparks Finow Tower, einem auf einem ehemaligen Militärflughafen in der Schorfheide angelegten Kraftwerk, für das auf einer Fläche von 185 Hektar rund 318.000 Module mit einer Gesamtleistung von 84 MW installiert wurden. Investitionsvolumen: rund 120 Millionen Euro.

248 Gläubiger

In der Solarhybrid-Insolvenz haben 248 Gläubiger insgesamt rund 83 Millionen Euro Forderungen angemeldet.

Allein das Finanzamt macht nach Angaben des Insolvenzverwalters etwa 17 Millionen Euro Steuerschulden geltend.

Eine Zeit lang galten die Sauerländer als sechstgrößter Solar-Projektierer der Welt.

Das Ende bahnte sich zur Jahreswende 2011/12 mit der Diskussion um die Änderung des EEG-Gesetzes an. Als sich Anfang März 2012 abzeichnete, dass es für Freiflächen-Sonnenkraftwerke ab einer Leistung von 10 MWp keine Einspeisevergütung mehr geben sollte, war es soweit. Am 7. März um 8.02 Uhr morgens teilte das Unternehmen per ad hoc-Meldung mit, dass damit das gesamte Geschäftsmodell der Solarhybrid AG in Frage gestellt sei und geplante Projekte nicht mehr finanzier- und realisierbar seien.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass der Vorstandsvorsitzende bereits um 7.25 Uhr 200.000 Aktien verkauft haben soll, weitere 225.000 in zwei Paketen im Lauf des Vormittags und noch einmal 100.000 am Nachmittag. Am Tag darauf soll er versucht haben, aus einem Bankdepot weitere 100.000 Stück zu veräußern, das ging aber nur zum Teil, weil der Rest verpfändet gewesen sein soll.

Am 20. März 2012 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Am 19. November 2012 zeigte der Insolvenzverwalter aus der Dortmunder Kanzlei Husemann & Partner an, dass Masseunzulänglichkeit vorliege.

Vergleich im Solar Millennium-Insolvenzverfahren

Das sieht mittlerweile anders aus. „Ein bisschen Geld“ habe man eingenommen, das Arbeitsamt jedenfalls habe bereits die den rund 30 von der Insolvenz betroffenen Mitarbeitern vorgestreckten Leistungen zurück bekommen. Geld wird auch von einem anderen ehemaligem Star der Solar-Branche erwartet. der ebenfalls insolventen Solar Millennium AG. Der hatte die Solarhybrid AG im Oktober 2011 ein 7,5 Millionen Euro schweres unbesichertes Darlehn gewährt, um ein gigantisches Solar-Projekt in der Wüste Nevadas zu übernehmen. Diesbezüglich habe es einen Vergleich gegeben, bei dem der „der größere Teil anerkannt“ worden sei, so der Insolvenzverwalter zur WP. Was sich davon allerdings realisieren lasse, sei noch offen.: „Ich hoffe, dass ein Teil der Summe ankommt.“

„Gesetzeskonform verhalten“

Die WP hat dem Vorstandsvorsitzenden Gelegenheit zu einer Stellungnahme geboten, davon hat er bis gestern Nachmittag keinen Gebrauch gemacht. Im Zusammenhang der Durchsuchung der Geschäfts- und Privaträume hatte der Unternehmer gegenüber der WP mitgeteilt, sich seiner Kenntnis nach „gesetzeskonform verhalten“ zu haben. Und Anfang vergangenen Jahres hatte er nach Erhebung der Anklage die Vorwürfe als seines Wissens nach „recht harmlose Sache“ bezeichnet.