Marsberg. Wen trifft die Schuld? Wie soll das Geld künftig angelegt werden? Sind die 2,5 Mio. Euro futsch? Neues aus Marsberg in Sachen Greensill-Pleite:

Die Stadt hat 2,5 Millionen Euro bei der Greensill Bank angelegt, wenige Tage bevor die Privatbank pleite ging. Höchstwahrscheinlich ist das Geld weg. Eigens zu dem Thema fand am Dienstagabend eine öffentliche Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschusses statt (wir berichteten). „Das ist für uns, die Verwaltungsspitze und die Finanzabteilung mehr als frustrierend“, sagte Antonius Löhr, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und Stadtkämmerer, in seiner sachlichen Art.

„Machenschaften der Bank“

Die politischen Gremien der Stadt, die Verwaltung und die Bürger hätten „in den vergangenen Jahren deutliche Anstrengungen unternommen und die finanzielle Lage der Stadt erheblich verbessert, führte Löhr weiter aus. „Vorsätzliche Machenschaften der Bank haben uns um den Lohn gebracht.“ Einschätzungen, ob eine Bank zukunftsfähig ist, könnten Kämmerer nicht leisten. Löhr: „Dafür brauchen wir Informationen von Fachstellen.“ Die Bankenaufsicht Bafin hätte ganz klar versagt.

Ansprüche geltend machen

Anders als die Opposition aus SPD und Marsberger Bürgergemeinschaft (MBG) sieht Bürgermeister Thomas Schröder die „Zusammenarbeit mit der Interessensgemeinschaft der Kommunen um die Stadt Monheim als sinnvoll an“, wie er vor dem Rechnungsprüfungsausschuss betonte.

Insbesondere unter Beteiligung einer international tätigen Rechtsanwaltskanzlei erwartet er „detaillierte Informationen und Erkenntnisse zu der internationalen Verwicklung der Greensill Bank, die dann auch dazu beitragen können, etwaige Ansprüche zielgerichteter geltend zu machen.“ Für die konkrete Umsetzung dieser Erkenntnisse wurde ein Rechtsanwalt aus der näheren Umgebung beauftragt

35 Kommunen hätten an bisherigen Gesprächen teilgenommen. Insgesamt haben sie einen Betrag von 286 Milliarden Euro bei der Greensill Bank angelegt. Wenn die Stadt sich auch hier gemeinschaftlich vertreten lassen möchte, dann sind unterschriebene Vereinbarungen bis zum 30. April zurückzusenden.

Das kostet natürlich. Damit die Finanzierung sichergestellt wird, soll das Konto für Geschäftsaufwendungen von 42.100 Euro auf 52.000 Euro erhöht werden. Die SPD verspreche sich von der gemeinschaftlichen Vertretung wenig, die Ausgaben dafür seien nicht gerechtfertigt, so Peter Prümper. Die Stadt solle lieber eigene Ansprüche prüfen.

„Wir sollten alle Ansprüche prüfen“, so Matthias Mönnighoff, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Mit fünf Ja-Stimmen und vier Nein-Stimmen ging die Eilentscheidung durch.

Nach Ansicht von Peter Prümper, Vorsitzender der SPD-Fraktion, lag das Versagen aber ganz und gar auf Seiten der Verwaltungssitze. Wenn man ein Risiko nicht einschätzen könne, dürfe man nicht 2,5 Million Euro wild in der Gegend herum überweisen.“

Öffentliche Sitzung

Der achtköpfige Rechnungsprüfungsausschuss tagte öffentlich in der Schützenhalle. Damit sollten auch Bürger die Gelegenheit bekommen, daran teilzunehmen. Etwa 40 waren gekommen. „Sie sollen vollumfänglich Einblick erhalten“, sagte Ausschussvorsitzender Dietmar Rosenkranz (CDU). Es gehe um Aufklärung und nicht um eine schnelle Vorverurteilung, so Christian Böttcher, Fraktionssprecher der Grünen.

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Bürgermeister Thomas Schröder, Antonius Löhr und die neue Leiterin der Finanzabteilung, Ann Christin Kern, erläuterten das Moratorium und Insolvenzverfahren der Greensill Bank, berichteten zur Liquiditäts-, Ergebnis- und Kreditanlage in Marsberg und gaben einen Überblick zum zeitlichen Ablauf bezüglich der Geldanlage ab dem 19. März bis zum 9. April und wie eine Angebotsabfrage bei verschiedenen Finanzvermittlern überhaupt abläuft.

17,6 Millionen Euro liquide Mittel

Zum heutigen Tag verfügt die Stadt über 17,6 Millionen liquide Mittel. Die sind bei verschiedenen Banken für einen Zeitraum angelegt, bei der Norddeutschen Landesbank, der Raiffeisen Bank Frankfurt, der Deutschen Hypothekenbank Hannover, der CreditPlus Bank und eben der Greensill Bank. Bei Privatbanken deshalb, weil die Kommunen dort Zinsen bekommen, die sie bei den Hausbanken wegen der Niedrigzinspolitik zahlen müssen. Am 16. Mai schließen einige Tagesanlagen. Dann verfügt die Stadt über 21,2 Millionen Euro.

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Auch wenn im schlimmsten Fall von den 2,5 Millionen Euro nichts zurück käme, rechnete Löhr vor, bestehe „weder eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Stadt, der investiven Kredite oder einer Überschuldung.“ Die Überschuldung sei in den vergangenen Jahren gestoppt worden. Die Allgemeine Rücklage liegt bei 42 Millionen Euro. Das Eigenkapital bei 47 Millionen Euro, die Gesamtsumme der Kredite bei 2,5 Millionen Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung bei 60 Euro.

Ob denn mit dem Verlust der 2,5 Millionen Euro eigentlich die Vorgaben aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen, erfüllt werden könnten, oder ob Steuererhöhungen nötig wären, wollte Peter Prümper wissen. Das komme darauf an, wie hoch der Verlust sei, so Löhr. Hinweise dazu erhofft er sich aus der Gläubigerversammlung am 8. Juni.

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Erste Anlage unauffällig

Löhr erklärte ausführlich, wie eine Festgeldanlage bei Privatbanken nach Dienstanweisung abläuft. Die erste Anlage bei der Greensill Bank sei völlig unauffällig verlaufen. Eine Millionen Euro waren dort für drei Monate angelegt. Das Geld sei pünktlich zurückgekommen. Das Rating BBB+ sei identisch mit dem der Commerzbank. Laut Dienstanweisung sei das Risiko beherrschbar, wenn das Festgeld bei verschiedenen Banken angelegt werde, so Löhr weiter. Eine Risikoprüfung bestehe darin, konterte Prümper, „in dem ich aktiv werde und prüfe und nicht warte, bis mich einer warnt.“

Das Rating weise darauf hin, dass schon kleinere Verschlechterungen der Wirtschaft zu Problemen bei der Anlage führen könnte, so Prümper. Er sieht eine Fahrlässigkeit für gegeben. Er kritisierte nochmals die Informationspolitik und das Krisenmanagement des Bürgermeisters. Er findet es auch nicht für sinnvoll, die gesamten städtischen Anlagen bei Privatbanken abzuziehen. Prümper: „Das Risiko ist beherrschbar, wenn man vorher prüft.“

Schuld nicht im Rathaus suchen

50 Kommunen seien den „kriminellen Machenschaften der Greensill Bank auf dem Leim gegangen“, so Matthias Mönighoff CDU. „Das die Schuld im Rathaus gesucht wird, ist nicht nachvollziehbar.“ Jetzt gehe es darum, so Bürgermeister Schröder, „mit Ihnen darüber in den Dialog zu kommen, wie gehen wir weiter mit den Geldanlagen um.“ Ob die Verwaltung die Girokonten der Stadt bei Privatbanken möglichst schnell, spätestens bis zum 31. Dezember, auflösen soll, darüber konnte sich der Ausschuss nicht einigen. Das soll der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung beschließen.

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Ein wesentlicher Tagesordnungspunkt im nichtöffentlichen Teil war die Vorstellung des Berichtes über die Überprüfung des dienstlichen Vorgehens in Bezug auf die 2,5-Millionen-Euro-Einlage bei der Greensill Bank. Das gab Bürgermeister Thomas Schröder am Vormittag bekannt.

Prüfungsbericht

Bürgermeister Schröder hatte direkt am Tag nach Bekanntwerden des Zahlungsmoratoriums zwei Mitarbeiter des Rathauses, die mit der Abwicklung des Geldgeschäfts nicht befasst waren, mit einer internen Überprüfung beauftragt. Die Ergebnisse des 21-seitigen Prüfberichtes wurden den Ausschussmitgliedern im Detail vorgestellt. Für die Abwicklung von Geldanlagen besteht bei der Stadt Marsberg eine Dienstanweisung vom 13. Februar 2017. Diese wurde unter Verwendung einer noch immer gültigen Musterdienstanweisung des Deutschen Städtetages erstellt.

„Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Dienstanweisung bei der Abwicklung der Geldanlage bei der Greensill Bank bis auf einen Punkt eingehalten wurde“, so Bürgermeister Schröder. Zum 18. Februar 2021 sollten insgesamt 4,5 Millionen Euro angelegt werden. Dieser Betrag wurde in der Ausschreibung auf zwei Geldanlagen mit unterschiedlichen Laufzeiten aufgeteilt. Für beide Geldanlagen wurden die wirtschaftlichsten Konditionen für Geldanlagen bei der Greensill Bank abgegeben.

Risiko lieber streuen

Nach den Bestimmungen der Dienstanweisung hätten vom Grundsatz her beide Geldanlagen dort erfolgen sollen. Von diesem Grundsatz wurde jedoch abgewichen, um das Risiko zu streuen. Ein Teilbetrag in Höhe von 2 Millionen Euro wurde deshalb bei der privaten CreditPlus Bank angelegt. Bürgermeister Schröder: „Diese Entscheidung hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen, da der anzulegende Betrag von insgesamt 4,5 Millionen Euro auf zwei Institute verteilt wurde.

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Darüber hinaus konnten die Ausschussmitglieder im Vorfeld der Sitzung die Akte zur Festgeldanlage bei der Greensill Bank einsehen, „um sich ein detailliertes Bild über den Vorgang zu machen“, so der Bürgermeister weiter. Außerdem wurden die Konditionen aller Geldanlagen der letzten 15 Jahre den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis gebracht.