Marsberg. Die Stadt Marsberg verliert 2,5 Millionen Euro durch die Greensill-Pleite. Wie konnte es dazu kommen? Der Kämmerer sieht die Schuld woanders.

Seit 12 Jahren drehen die Stadt Marsberg, die Politik und die Bürger jeden Cent dreimal um, um die Stadtfinanzen aus den Miesen zu holen. Alle städtischen Ausgaben stehen seitdem auf dem Prüfstand. Endlich. Die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes 2021 ist gerade von der Bezirksregierung genehmigt. Der Haushalt für dieses Jahr weist zum ersten Mal aus eigener Kraft ein positives Ergebnis vor, so wie es die Vorgaben des NRW-Stärkungspaktes Stadtfinanzen vorschreiben.

Noch vor wenigen Wochen gab es nur zufriedene Gesichter bei der Verabschiedung des städtischen Haushaltes für dieses Jahr. Witterten Stadt und Politik doch endlich wieder eigenen Gestaltungsspielraum. Und dann das, der Stadtrat steht unter Schock.

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Zwei Wochen vor Insolvenz

Wie am Donnerstag berichtet, ist die Greensill-Bank insolvent. Die Stadt hat dort 2,5 Millionen Euro angelegt. Zwei Wochen vor deren Insolvenz. Um Negativzinsen zu sparen. Denn: wenn sie das Geld bei den Hausbanken geparkt hätte, wären Zinsen fällig geworden. Bei der privaten Greensill-Bank hätten sie Zinsen für ihre Anlage erhalten.

Es sei gängige Praxis, dass die Kommunen ihr Geld bei privaten Banken parken, so auch für Marsberg, war in der Sitzung des Stadtrates am Donnerstagabend zu dem Thema zu hören. Rund 50 Kommunen haben mehrere hundert Millionen Euro bei der Greensill Bank geparkt. Die Bank hat mit vergleichsweise hohen Zinsen um Kunden geworben. Auch die Stadt Marsberg konnte nicht widerstehen. Die Bank hat seine Bilanzsumme von 2017 bis 2019 mehr als verzehnfacht. Jetzt wirft die Staatsanwaltschaft ihr Bilanzfälschung vor.

Für ein Jahr sollten die 2,5 Millionen Euro dort geparkt werden, weil die Stadt Marsberg die Summe in diesem Jahr nicht benötigt, wie Antonius Löhr, Allgemeiner Vertreter und Stadtkämmerer, vor dem Stadtrat vollkommen zerknirscht sagte. Gehandelt hätte die Finanzabteilung wie immer nach der Dienstanweisung zur Abwicklung von Finanzgeschäften aus 2017. Festgeschrieben ist, dass mindestens bei drei Finanzdienstleistern ein Angebot einzuholen ist. Diese Ausschreibung ging am 16. Februar, an vier Finanzdienstleister und drei (Haus-)Banken.

Keine Hinweise auf Debakel

Seitens des Finanzdienstleister mit dem besten Angebot sei keinerlei Hinweis eingegangen, dass die BaFin bei der ausgewählten Greensill-Bank bereits mehrfach Sonderprüfungen vorgenommen habe und Manipulationsvorwürfe gegen die Bank im Raum stünden, so. Löhr: „Es gab keinerlei Hinweise für die Stadt Marsberg, dass hier auch nur der Hauch einer Gefährdung des Geldes in Frage stehen könnte.“ Auch die anderen Dienstleister, die dieses Angebot der Greensill Bank ebenfalls in ihrem Protfolie hatten, hätten nichts dazu geäußert.

Nun hat, wie gestern auch berichtet, der Bürgermeister die Bestätigungserklärung von der Greensill Bank noch nicht unterschrieben, weil er am 3. März in den TV-Nachrichten von der Finanzmisere um die Greensill Bank gehört habe. Einen Tag später war die Unterschriftenfrist abgelaufen. Das Geld konnte trotzdem nicht zurückgebucht werden.

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Die Stadt hat sich anderen betroffenen Kommunen angeschlossen und hofft, das noch etwas von dem Geld zu retten sein könnte. Die Insolvenz der Bank ist eingeleitet. Bürgermeister Thomas Schröder hofft im Zuge der Aufarbeitung durch den Insolvenzverwalter zu erfahren, wieso die BaFin nichts von den Finanzproblemen habe bekanntgegeben. Die Stadt lasse auch prüfen, ob die Vermögenseigenschadenversicherung greifen könnte.

Von Schuldzuweisungen wollte in der Ratssitzung niemand sprechen. „Es ist Sch…. gelaufen“, so Peter Prümper, Vorsitzender der SPD-Fraktion. Aufklärung und Transparenz sei jetzt gefordert. Er möchte Akteneinsicht nehmen. Die Frage stelle sich, „ob wir liquide Mittel grundsätzlich noch bei Privatbanken anlegen sollen.“ Er forderte: „Lassen Sie uns gemeinsam den Sachverhalt klären und Schlüsse daraus ziehen.“

Antonius Löhr: „In den vergangenen Jahren sind Sie über alle Finanzgeschäfte informiert worden.“ Im Mai 2019 sei im Haupt- und Finanzausschuss darüber gesprochen worden, ob sich die Stadt bei Banken ohne Sicherheitsleistungen engagieren soll. Alle bis auf einen hätten Ja gesagt. Die 2,5 Millionen Euro seien für das nächste Jahr eingeplant gewesen. Deshalb belaste es jetzt im Moment nicht besonders, so Löhr weiter. „Aber es fehlt uns im Gesamtergebnis.“ Es handele sich auch nicht um die gesamte Festgeldanlage. Jetzt müsse abgewartet werden, ob „wir etwas wiederbekommen oder nicht, so Löhr weiter, und ob das dann als Fehlbetrag berücksichtigt werden könne und „ob wir die Deckung abfedern können.“ Soweit weitere Details vorliegen, werde entsprechend informiert.

Hannes Riedesel (SPD) wollte wissen: „Warum ist die Öffentlichkeit nicht eher informiert worden?“„Hier ist genau der Zeitpunkt, den Sachverhalt öffentlich zu machen“, brach Frank-Peter Folcz die Lanze für die Stadtverwaltung. „Sie habe das gemacht, was sie immer gemacht hat.“ Im Rating habe die Greensill Bank immer sauer dagestanden. „Wir haben gemeinsam diese Entscheidung getragen.“

Stimmen aus Politik und Verwaltung

Antonius Löhr (Kämmerer): Wir sind ganz sicher davon ausgegangen, dass die Geldanlage bei der Greensill sicher ist.

Matthias Mönninghoff (Vorsitzender der CDU-Fraktion): Wir haben uns auf die BaFin verlassen, Wir werden alles tun, Teile des Geldes oder alles zurückzubekommen.

Peter Prümper (Vorsitzender der SPD-Fraktion): Was ist das für ein perverses Finanzsystem? Wir müssen bei Hausbanken Geld zahlen, damit sie unser Geld aufbewahren.

Christian Böttcher (Vorsitzender der Grünen-Fraktion): Wir sind grundsätzlich immer sehr solide aufgestellt. Jetzt gilt es herauszubekommen, wie es soweit kommen konnte.

Franz-Josef Weiffen (Vorsitzender der Marsberger Bürger Liste): Die Verwaltungsspitze muss umgehend eine Neuregelung für Geldanlagen erarbeiten.

>>>> Kommentar

Die Stadt setzt 2,5 Millionen Euro in den Sand – Geld des Steuerzahlers wohlgemerkt. Geld, das eigentlich dringend benötigt wird für Investitionen – gerade in naher Zukunft, wenn auch die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie deutlich spürbar werden.

Und was passiert? Zwei Wochen, nachdem der Bürgermeister von dem Desaster erfährt, wird die Öffentlichkeit informiert. Viel zu spät. Dass der Tagesordnungspunkt in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung gepackt wird und erst am Tag der Ratssitzung selbst in den öffentlichen Teil verschoben wird – am Tag, als das NRW-Kommunalministeriums einen Bericht veröffentlicht, in dem Marsberg als Opfer der Greensill-Pleite genannt wird – lässt das Vertrauen in einer transparente Aufarbeitung schwinden. Genau darauf haben die Bürger, die darunter leiden werden müssen, wenn Marsberg erneut die Sparschraube enger drehen muss, ein Anrecht.

Es kann also nut heißen: Volle Transparenz. Jetzt! (Boris Schopper)