Marsberg. Jung und Alt, Alleinstehende, Paare, junge Familie: Im Mehrgenerationenhaus in Marsberg wird Gemeinsamkeit und Unterstützung großgeschrieben.
Gerlind Ulrich (80) und Elfie Schinschilla (64) können es kaum noch abwarten. Der Umzugstermin für Elfie Schinschilla steht kurz bevor. Gerlind Ulrich wird am 1. Juni in ihre neue Wohnung einziehen können. Beide werden zur Hausgemeinschaft Diemelaue gehören. Mit ihnen werden weitere neun Mitparteien ins neue Mehrgenerationenhaus mitten in Marsberg einziehen.
Die Transformation in ein Mehrgenerationenhaus hat das ehemalige Hotel Kurhaus Karp hinter sich. Wie berichtet, hat Jewgeni Mula, Inhaber der Autoverwertung vor Bredelar, die leerstehende Immobilie gekauft und in ein modernes Wohnhaus umgebaut, in dem Senioren, Singles, Paare, Alleinerziehende und kleine Familien gemeinsam unter einem Dach wohnen und auch gemeinsam leben können.
Leben in Gemeinschaft
Die Idee dazu hatte Gerlind Ulrich. Sie ist rührige Vorsitzende der Bürgerhilfe Marsberg. Das gemeinsame Leben in einer großen Gemeinschaft, den Wunschtraum hegt sie schon lange, wie sie im Gespräch mit der WP sagt. Sie ist verwitwet, ihre drei Kinder leben mit ihren Familien längst in anderen Städten. Das Eigenheim wurde ihr eigentlich mehr und mehr zur Last. Sie möchte es verkaufen.
Eine kleine Wohnung, innenstadtnah, idyllisch gelegen an der Diemel, die Bürgerwiese gleich nebenan und demnächst auch noch die Stadtbibliothek, „ das ist genau das Richtige für mich“, sagt sie und für Elfie Schinschilla auch. Vor allem aber Gemeinschaft leben, das ist es, worauf es den Frauen ankommen.
Ehemalige Kurhaus Karp
Die Familie Mula hat das ehemalige Kurhaus Karp in ein Mehrgenerationenwohnhaus umgebaut nach dem Konzept der Bürgerhilfe Marsberg.Das Hotel Kurhaus Karp hatte die Familie Karp Mitte der 1970-er Jahre im Herzen der Stadt direkt an der Diemel erbaut. Im Februar 2006 hatte Ladislav Karp Insolvenz angemeldet.Die neuen Betreiber Monika Grimm und Werner Froese hatten es zunächst als Hotel „Stadt Marsberg“ weitergeführt und später in „Diemelhotel“ umgenannt. 2018 verstarb Werner Froese. Das Hotel wurde geschlossen.
Elfie Schinschilla ist Schriftführerin der Bürgerhilfe und musste ihre bisherige Wohnung wegen Eigenbedarfs aufgeben. Sie wohnt zwischenzeitlich zur Untermiete bei einer Freundin. Im Mehrgenerationenhaus Diemelaue hat sie eine Wohnung im Erdgeschoss zur Diemel hin angemietet. Die einzige mit einer großen Terrasse. Viel Platz also für Hochbeete. „Auf das Gärtnern freue ich mich besonders“, sagt Elfie Schinschilla und dass „ich endlich wieder so leben kann, wie ich möchte.“
Eine Wohnung ist bereits bezugsfertig. Drei Wohnungen sind noch frei. Vadim Mula, der Bruder des Eigentümers, hat die Bauaufsicht übernommen. Dem Projekt „viele Generationen leben gemeinsam unter einem großen Dach“ kann er viel abgewinnen, wie er sagt. Privat praktiziert er das gleiche Modell. „Wir wohnen mit drei Generationen in einem Haus“, sagt der Vater von drei Kindern. Seine Eltern wohnen in eigener Wohnung im gleichen Haus.
Aus Hotel wird Wohnprojekt
In dem ehemaligen Hotel sind über drei Etagen elf Wohnungen mit 70 bis 90 Quadratmeter Größe entstanden mit großzügigen Wohnbereichen, vorwiegend bodentiefen Fenstern. Balkone gewähren einen Blick auf die Diemel oder die Stadt. Barrierefreiheit garantiert ein Aufzug, größere Türbreiten und Bäder mit den erforderlichen Sanitärausstattungen. Von der früheren Hotelimmobilie stehen quasi nur noch die Außenwände und die Fußböden.
Im Erdgeschoss wird im ehemaligen Hotel-Restaurant ein großer Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile entstehen, dem „Offenen Treff“. Hier wird die Hausgemeinschaft Zeit zusammen verbringen können. Gerlind Ulrich: „Willkommen sind natürlich alle Marsberger, unabhängig von Alter und Herkunft.“
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In dem offenen Treff soll das Herz des Hauses schlagen. Hier können die Bewohner, Besucher und Gäste bei einem Kaffee ins Gespräch kommen, eine schöne Zeit miteinander verbringen, gemeinsam kochen und essen, spielen, Filme schauen, musizieren oder Yoga machen oder den Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Gerlind Ulrich: „Hier soll gefeiert werden, diskutiert und gelacht.“ Das bunte Zusammenleben soll allen Generationen Freude bereiten und ihre Leben bereichern. Jeder kann. Keiner muss.
Bewusste Entscheidung
Eigentlich sollte unter den Mietparteien schon vor dem Einzug Gemeinsamkeit und Kennenlernen praktiziert werden. Laut Gerlind Ulrich gehörte das zum Konzept, das wegen Corona leider vorerst auf Eis gelegt werden musste. „Zu unserem Konzept gehört, dass sich die Menschen bewusst entscheiden, gemeinsam zu leben, sich gegenseitig zu unterstützten, und den Alltag kommunikativ und anregend zu gestalten.“
Eine Wohnung im Erdgeschoss wird zur Kurzzeitvermietung zur Verfügung stehen, wenn zum Beispiel Familienmitglieder der Hausgemeinschaft zu Besuch kommen werden.