Hochsauerlandkreis. Singles sind in der Corona-Pandemie allein. Zwei Frauen erzählen, wie einsam sich das anfühlt und wie Dates während der Pandemie funktionieren.
Lockdown macht einsam. Während viele Mütter sich endlich Zeit für sich wünschen und Familien das Homeoffice verfluchen und die Gesellschaft darüber diskutiert, wie einsam ältere Menschen gerade sind, werden manche fast vergessen: Singles. Menschen – egal welchen Alters – die allein sind. Die von keinem in den Arm genommen werden. Zwei Frauen aus dem Hochsauerlandkreis berichten über ein sehr persönliches Thema:
Wenn Dating im Sauerland zu einer Katastrophe wird
„Wenn Dating im Sauerland schon vor Corona schlimm war, ist es jetzt eine Katastrophe.“ Das sagt Claudia Pieper am Telefon – und klingt dabei bestimmt.
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Die 54-Jährige lebt im Hochsauerlandkreis, Schmallenberger Raum – seit vier Jahren allein. Akzeptieren will sie das nicht. Sie wünscht sich einen Partner, sucht schon vor der Pandemie aktiv. „Ich habe im Internet gesucht. Das ist wirklich schwierig. Zum einem definiert sich dort alles über das Foto und die Äußerlichkeiten. Viele wohnen dann aber auch noch sehr weit weg, meistens im Ruhrgebiet.“ Claudia Pieper befürchtet, dass sich viele Sauerländer nicht trauen, offen nach einer Partnerin zu suchen. „Also mein Nachbar darf gerne wissen, dass ich noch lebe und auf Dates gehe.“ Sie lacht.
Für sie ist das Dating ein lockeres Thema, Probleme darüber zu reden hat sie nicht. Zu groß ist der Wunsch, jemanden zu finden. Einfach ist es für sie aber nicht. „Wenn ich jemanden finde, hat der meist schon Kinder, ein eigenes Hobby, ein eigenes Leben. Ich meine, es ist nicht einfach, zwei Leben zu vermischen.“ Besonders in ihrem Alter sei es schwer, flexibel zu bleiben. „Und jeder schafft sich in der Pandemie einen Hund an. Das macht die Menschen doch noch abhängiger.“ Die Pandemie.
Im Lockdown oft allein
Claudia Pieper verbringt die Tage im Lockdown oft allein. Manchmal trifft sie ihre Kinder, aber das ist nicht dasselbe. „Ein Partner nimmt einen anders in den Arm. Von einem Partner bekommt man Rat und Trost zu Dingen, mit denen man seine Kinder nicht belasten will.“
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Die Pandemie macht den Wunsch nach einem Lebenspartner, nach Berührung und Verliebtsein größer. Die Erfüllung ungleich schwerer. „Alles hat zu, man kann jetzt nicht weggehen. Und ein Date bei einem Spaziergang draußen bei Minus 12 Grad?“ Sie schnaubt. Durch Zufall jemanden kennenzulernen, vielleicht Liebe zwischen den Supermarktregalen zu finden – wie im Film – sei schier unmöglich. „Jeder trägt eine Maske. Niemand erkennt die Mimik dahinter.“ Ein Flirt, ganz spontan? Unmöglich. „In der Richtung vereinsamt man.“
Sie probiert es manchmal noch über das Internet. Findet sie jemanden, chattet sie. Dann kommt das erste Telefonat. Dann das Treffen, irgendwo draußen. „Selbst wenn man stundenlang am Telefon quatschen kann, ist es oft etwas anderes, sich persönlich zu treffen. Wenn man sich dann sieht, ist es oft, als wäre da eine ganz andere Person.“ Während der Pandemie hatte sie ein Date. Ohne Erfolg. Im letzten Sommer meldet sie sich für eine Speed Date Walk an, als eine von 15 Frauen. Im Gegenzug melden sich drei Männer. Der Date-Spaziergang fällt aus. „Es passiert nichts, in der Westfalenpost werden keine Anzeigen mehr geschaltet. Im Internet ist kaum jemand mehr.“ Sie gibt trotzdem nicht auf. Sucht weiter, nach dem Verliebtsein.
Wenn sich Alleinsein wie ertrinken anfühlt
Lina Rossbach lebt noch nicht lang in Brilon. Deswegen will sie ihren Namen noch nicht in der Westfalenpost lesen. Nicht jeder soll wissen, dass sie gemeint ist, wenn sie darüber redet, wie einsam sie sich manchmal fühlt. Wie unerträglich es manchmal ist, allein Zuhause zu sein. Jeden Tag. „Meine Familie und meine Freundinnen leben alle in Paderborn, ich bin für meine Ausbildung hergekommen.“ Für die hat sie jetzt den theoretischen Teil absolviert. Homeschooling vor dem Rechner. „Ich bin danach stundenlang spazieren gegangen. Ich habe es Zuhause nicht mehr ausgehalten.“
Sie vermisst ihre Freundinnen. Die eine hat Zwillinge bekommen, lebt in Paderborn. Weil Lina Rossbach viel Kontakt zu anderen Menschen hat, trifft sie ihre Patenkinder erstmal nicht mehr. Zum Schutz. Die andere Freundin ist OGS-Leiterin, auch in Paderborn.
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Auch sie schränken zum Schutz den Kontakt ein. „Aber wenn man ehrlich ist, ist es auch nicht dasselbe, von einer Freundin umarmt zu werden, wenn kein Partner da ist“, sagt sie. Lina Rossbach geht es schlecht damit, allein zu sein. Sie suche nicht extrem nach einem Partner, will sich auch nicht direkt abhängig machen. Ihr ist wichtig zu betonen, dass es nicht krampfhaft um die Suche nach einem Freund gehe. Sondern um Berührungen. Zusammensein. Ganz schlicht.
Phasenweise bei Tinder unterwegs
Phasenweise ist sie bei Tinder. „Das ist eben die größte kostenlose Variante der Partnersuche. Und mittlerweile suchen die Männer selbst dort etwas festeres. Seit dem ersten und zweiten Lockdown jedenfalls.“ Dates? Die bestehen in der Pandemie aus Spaziergängen. „Es ist recht stumpf. Man geht zusammen spazieren, trifft hunderte anderer Menschen die dasselbe tun. Nach einer Stunde verabschiedet man sich wieder.“
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Keine romantische Stimmung. Nicht wirklich das Gefühl, sich kennenzulernen. Diese „Dates“ findet Lina Rossbach nicht schön. Und einen Fremden zu sich nach Hause einzuladen, das will sie nicht. „Ich hab schon fast keine Lust mehr auf diese Dates.“
Wegen ihrer Arbeit hat sie mittlerweile alle vier bis sechs Wochen eine Supervision. Dann kann sie erzählen, wie es ihr geht. Das braucht sie. „Wenn ich jetzt mal 14 Tage in Quarantäne müsste, das würde ich nicht aushalten“, sagt sie. Manchmal würde sie ihren Mitauszubildenden gerne zurufen: „Ihr wisst nicht, wie gut ihr es habt. Ihr wohnt doch bei euren Eltern. Ist doch egal, wenn ihr euch manchmal streitet.“ Das schlimmste Gefühl ist, nichts zu tun zu haben. „Ich fühle mich, als würde ich ertrinken. Und das schlimme ist, ich zwinge mich ja selbst zu diesem Gefühl, weil ich die Maßnahmen befolge.“