Hallenberg. Als Jungspund aus dem Stand an die Spitze des einst CDU-dominierten Hallenberger Rathauses: So sieht Enrico Eppners (FDP) 100-Tage-Bilanz aus.

Vor genau einem Jahr entschied sich Enrico Eppner aus Hallenberg, mit damals 33 Jahren bei der Kommunalwahl als Bürgermeister-Kandidat für seine neu gegründete FDP-Ortspartei anzutreten. Ein so junger Spund ohne Verwaltungserfahrung in einer Stadt, die seit Jahrzehnten als eine der stärksten CDU-Bastionen gilt? Aussichtslos, so schien es anfangs vielen. Es kam bekanntlich ganz anders: Enrico Eppner überzeugte samt seinem Parteiteam mit einem starken Wahlkampf, gewann mit großer Mehrheit gegen seinen CDU-Herausforderer und trat vor genau 100 Tagen seinen Dienst als Stadtoberhaupt im altehrwürdigen Hallenberger Rathaus an. Zeit also, eine erste Bilanz zu ziehen.

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Wie haben Sie Ihren ersten Arbeitstag als Bürgermeister der Stadt Hallenberg in Erinnerung?

Der Tag war sehr ungewöhnlich, denn mit meiner Amtszeit hat gleichzeitig der „Lockdown light“ begonnen. Ich war morgens ganz früh allein im noch dunklen Rathaus. Und statt einem zünftigen Einstand auf Sauerländer Art mit einer Kiste Bier nach Feierabend zu geben, konnte ich den Mitarbeitern nur ein in Tüten abgepacktes Frühstück an den Bürotüren reinreichen. Das holen wir alles nach. Meine Arbeit hat bisher komplett unter Corona-Bedingungen stattgefunden. Aber gerade wegen dieser schwierigen Rahmenbedingungen spreche ich meinen Mitarbeitern hier im Rathaus meinen großen Dank und ein Riesen-Kompliment aus: Ich bin hier sehr gut aufgenommen worden, werde toll unterstützt und lerne von ihnen jeden Tag ganz viel dazu.

Hat man als neuer Bürgermeister anfangs eine Schonfrist?

Nein, da startet man direkt durch und wird von den Bürgern sofort angesprochen, wenn z.B. der Winterdienst nicht pünktlich kommt oder es mit der Müllabfuhr hakt. Aber genau das finde ich gut, den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen möchte ich ja haben. Ich sehe mich als Sprachrohr und Bindeglied zum Rathaus und zum Stadtrat.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Ich möchte nicht nur bestimmen, sondern mitnehmen, und nicht über, sondern neben den Menschen und Dingen stehen.

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Ist der Corona-Lockdown eher ein Bremsklotz oder eine Chance für einen ruhigeren Start?

Eher ein Bremsklotz, denn ich möchte Leute treffen und Netzwerke aufbauen. Mir fehlt der persönliche Kontakt mit Bürgern, Mitarbeitern und Partnern von Hallenberg. Vielleicht hätte ich am Wochenende meine erste Büttenrede im Lieser Karneval halten dürfen und danach sicher viele gute Gespräche an der Theke führen können.

Welche Punkte stehen ganz oben auf Ihrer Liste?

Hallenberg ist abhängig von seinen starken Unternehmen, deshalb ist mir ein enger Austausch mit der Wirtschaft wichtig, um den Bestand zu erhalten und Neuansiedlungen zu fördern. Um jüngere Bürger zu erreichen, wollen wir mit städtischen Themen noch mehr in sozialen Medien vertreten sein. Hallenberg hat seit kurzem auch einen Instagram-Account. Wenn Corona es wieder zulässt, möchte ich gerne Ratssitzungen auch in Braunshausen, Hesborn und Liesen veranstalten sowie Grundschule und Kindergärten besuchen. Außerdem möchte ich das Thema Stadtmarketing angehen und dafür Einzelhandel, Industrie und Touristiker an einen Tisch holen, um einen Wiedererkennungswert und Identifikation der Bürger mit der Stadt schaffen. Jetzt gerade sind wir dabei, den Haushalt aufzustellen. Corona und die Trockenheit unserer Wälder sind Jahrhundertprobleme, da müssen wir die Finanzen in den Griff bekommen und Kosten kritisch hinterfragen.

Durch die Corona-Krise leidet das gesamte gesellschaftliche Leben. Welche Impulse können Sie geben?

Besonders unterstützen möchte ich das Ehrenamt, das Hallenberg stark prägt. Ich mache mir Sorgen um die vielen Vereine, die wegen Corona ruhen müssen. Die Musik-, Sportvereine und die Freilichtbühne stehen still, die Feuerwehr kann nicht üben, es gibt keinen Karneval und kein Schützenfest – alles Dinge, die uns als Stadt ausmachen. Ich hoffe, dass alle Ehrenamtler und Vereinsmitglieder nach der Corona-Pause wieder aktiv werden, genug Nachwuchs finden und unsere Traditionen weiter hochhalten.

FDP fast gleichauf mit der CDU

Enrico Eppner ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder; er ist in Hallenberg aufgewachsen und hat an seine Handwerksausbildung das Fachabitur und ein duales Studium angehängt.

Von 2014 bis 2020 war er als Vertriebsingenieur bei der Firma Regupol BSW in Bad Berleburg tätig und dort schwerpunktmäßig für den asiatischen Markt zuständig.

2017 trat Enrico Eppner in die FDP ein und gründete ein Jahr später einen eigenen FDP-Ortsverband in Hallenberg.

Bei der Kommunalwahl setzte er sich mit 64,83 Prozent der Stimmen deutlich gegen seinen CDU-Mitbewerber Matthias Stappert durch und trat damit die Nachfolge von Bürgermeister Michael Kronauge an, der sich nach 26 Jahren Amtsjahren nicht wieder zur Wahl gestellt hatte.

Die FDP erreichte in Hallenberg bei ihrer ersten Kommunalwahl 46,27 Prozent und neun von 20 Sitzen im Rat.

Die CDU hat zehn Sitze (48,19 Prozent), die Bürger für Hallenberg (BfH) einen (4,79 Prozent).

Sie sind der jüngste Bürgermeister, den Hallenberg je hatte. Lässt sich das Amt mit einer jungen Familie und zwei kleinen Kindern vereinbaren?

In meiner vorherigen Tätigkeit als Vertriebsingenieur hatte ich auch viele Abendtermine und war oft eine ganze Woche oder länger auf Geschäftsreisen. Von daher ist das Bürgermeister-Amt sogar familienfreundlicher. In meinem Berufsleben arbeite ich zum ersten Mal überhaupt in Hallenberg und bin jetzt der Mitarbeiter mit dem kürzesten Weg zum Rathaus. Wenn abends oder am Wochenende Arbeit ansteht, laufe ich in fünf Minuten zu Fuß ins Büro. Die Zeit zuhause bleibt somit für die Familie.

Sie sind in Hallenberg groß geworden, in vielen Vereinen aktiv, jeder kennt Sie – hat man da Feierabend als Bürgermeister?

Vermutlich eher nicht. Noch kann ich das nicht beurteilen, es gibt ja keine Treffen. Ich möchte aber auch weiterhin bei der Feuerwehr, als Schießwart bei den Schützen oder als Musiker bei den Jagdhornbläsern mit meinen Vereinskameraden in der Reihe stehen und den engen Kontakt pflegen.

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Was wünschen Sie Hallenberg für die Zukunft?

Ich wünsche uns, dass wir alle die Lust auf ein Leben in ländlichen Strukturen behalten. Corona kann dafür auch eine Chance sein, indem wir die Vorteile unserer Heimat noch mehr schätzen lernen und die Digitalisierung schneller vorantreiben.