Brilon. In Sachen rote Nase hat der Raum Brilon viele weiße Flecken. Anne Schwede wirbt mit einem Humor-Seminar für die Arbeit als Klinikclown.
Thomas Winterberg
Brilon. „Ich weiß, wie tief ein Tief sein kann und wie hoch ein Hoch geht. Lachen und weinen, Freude und Trauer liegen eng beieinander. Und das Schöne in meinem Job ist: ich darf all diesen Gefühlen Raum geben.“ Mit wenigen Worten hat Anne Schwede treffend beschrieben, dass ihr Beruf eigentlich Berufung ist. Die 54-Jährige hat vor sieben Jahren ihre wahre Passion entdeckt. Nach Umwegen über Zahnarzthelferin und Bürokauffrau – „weil man ja was Vernünftiges machen muss“ – arbeitet sie im Raum Paderborn als Klinikclown PfefferMinze. Im April bietet sie bei der Volkshochschule in Brilon einen Clown-Workshop an. Vielleicht der Grundstein für die Klinik-Clownerie im Hochsauerland? Schön wär’s, denn hier gibt es auf der Landkarte für rote Nasen bislang überwiegend weiße Flecken.
Klinikclown ist nicht immer ein lustiger Job
Wenn das Lachen von Anne Schwede einmal Kinder bekommen sollte, würden sicherlich viele gerne eines davon adoptieren. Die Paderbornerin – verheiratet, drei Kinder, ein Mann, ein Hund - ist eine Frohnatur. „Ich war schon immer der Klassen-Clown, aber es sollte ein paar Jahre dauern, bis ich diese Grundveranlagung und meine Energie in die richtigen Bahnen lenken konnte“, erzählt sie. Der passende Moment kommt, als der Verein der Paderborner Klinikclowns per Anzeige Nachwuchs sucht. „Ich dachte immer, das sei etwas Ehrenamtliches. Das macht man so nebenbei.“ 80 Interessenten melden sich damals; nur drei bleiben bei der Stange. Anne Schwede beginnt eine richtige Ausbildung zum Clown und sammelt parallel dazu ihre ersten praktischen Erfahrungen in Krankenhäusern.
Zur Ausbildung nach Hannover
Rote Nase aufsetzen, albern sein und die Leute womöglich unter der Bettdecke kitzeln – wer sich den Alltag eines Klinikclowns so vorstellt, der ist wahrlich ein dummer August. Ein knappes Jahr dauert die Clown-Lehre, die aus vielen Workshops besteht und Facetten wie Slapstick, Improvisieren oder Musizieren beinhaltet. Heutzutage gibt es bundesweit vielleicht eine Handvoll Schulen, an denen man die Lizenz zum Lachen erwerben kann. Anne Schwede war dazu in Hannover. Inzwischen hat sie ihre Arbeit und das Drumherum von Jahr zu Jahr immer mehr professionalisiert. Sie hat eine eigenes Humorkolleg ins Leben gerufen und bildet inzwischen selbst Clowns aus. „Ich weiß, wie nervig es ist, wenn man in der ganzen Republik umherfahren muss. Eine wohnortnahe Ausbildung ist von Vorteil. Unser Dachverband arbeitet gerade an einheitlichen Kriterien für die Lerninhalte.“ Außerdem bietet die 54-Jährige Seminare für Firmen an, um etwas mehr Farbe, Lächeln und Lockerheit in den Berufsalltag zu bringen. „Das mit den Betrieben läuft aber eher schleppend. Die meisten investieren vermutlich lieber in Seminare zu noch effektiverem Arbeiten. Dabei könnte man das auch durch eine Prise Humor und Lockerheit erzielen.“
Doch zurück zu den Klinik-Clowns. Stundenweise werden sie von den Krankenhäusern und Seniorenheimen gebucht. Über den Förderverein Paderborner Klinik-Clownarbeit bekommen die Auftraggeber dann einen finanziellen Zuschuss. „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass wir immer zu zweit unterwegs sind. Man kann sich dann verbal und mit Gesten die Bälle zuspielen. Das ist einfacher. Optimal ist es, wenn das Gespann aus Mann und Frau besteht. Dann geht das mit dem Frotzeln besser. Aber leider trauen sich generell nur wenige Männer auf dieses Terrain“, bedauert Anne Schwede.
Das Türöffnen muss man sich erarbeiten
Jeder „Klinik-Auftritt“ ist harte Arbeit. Im Vorfeld spricht sie im Krankenhaus oder im Seniorenheim mit Ärzten, Schwestern oder dem Sozialdienst. Der Clown kennt die Patienten und deren Geschichte. „Wir platzen nicht einfach ins Zimmer und treiben Schabernack. Man muss sich ganz vorsichtig nähern, sich das Türöffnen erarbeiten. Manche wollen auch einfach nicht. Das ist auch o.k. Wenn sie uns dann doch zu sich lassen, wird nicht nur gelacht. Wer gerade eine schlechte Diagnose bekommen hat, der ist verzweifelt, wütend, aufgebracht. Dann sind wir mit ihm gemeinsam verzweifelt, wütend, aufgebracht und schimpfen. Das hilft.“
Schwerstarbeit im rosa Dirndl
Zwei Stunden Clown sein - das bedeutet für PfefferMinze Schwerstarbeit im rosafarbenen Dirndl, mit knallroten Schuhen, Ranzen auf dem Rücken und roter Nase im Gesicht: „Das ist anstrengend wie ein achtstündiger Arbeitstag, weil ich alles zeitgleich machen muss. Ich muss meinen Kollegen im Auge behalten, den Patienten, den Menschenverkehr auf den Fluren. Zwischendurch muss ich improvisieren, neue Ideen finden und mich selbst neu erfinden. Wir greifen ganz bewusst nicht auf ein Repertoire zurück, wir wollen frisch bleiben.“
Hochs und Tiefs selbst erfahren
Ein guter Klinikclown zu sein, bedeutet daher nicht, sich selbst witzig zu finden. „Solche Leute sollten es besser gleich sein lassen. Wenn ich in ein Krankenzimmer gehe, resette ich mich vor der Tür einmal komplett. Wenn man dann drin ist, wabert einem die aktuelle Stimmung gleich entgegen. Ich weiß sofort, was los ist. Ich gehe da nicht rein, um Schabernack zu treiben. Wir wollen die Menschen besuchen, ihnen begegnen. Wenn es sein muss, ihnen die Hand halten und auch mit ihnen weinen. Ich springe dort nicht herum, wie ein angestochenes Huhn, ich bin ganz normal, bin authentisch. Im Grund genommen ist der Clown ganz viel ich selbst – nur beherrscht er Techniken, um schneller von einer Stimmung in die andere switchen zu können. Ein Clown muss in erster Linie empathisch sein, sich in andere hineinversetzen können.“ Und damit wären wir wieder beim Anfang. Er muss Hochs und Tiefs selbst erfahren haben.