Winterberg. Tausende Touristen, Chaos auf den Straßen und Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung. Die Stadt Winterberg steht vor einem Problem.

Winterberg arbeitet das Chaos des Sonntags auf: Einen solchen Andrang von Tagesausflüglern wie an diesem Tag habe es in den vergangenen 20 Jahren nicht gegeben, so Stadtsprecherin Rabea Kappen am Montag. Staus bis in die viele Kilometer entfernten Olsberg, Siedlinghausen und Gleidorf habe man noch nie erlebt. Kennzeichen aus dem gesamten Ruhrgebiet, dem Münsterland oder aus Düsseldorf waren Ort. Die Straßen waren völlig überfüllt. Viele Autos rutschen und standen quer. Rettungswagen hatten erhebliche Probleme zu den Einsatzstellen zu kommen. Die Polizei zählte zahlreiche Unfälle. Meist blieb es bei Blechschäden.

Tankstellen waren völlig überlaufen

Das Ordnungsamt habe – wie bereits im Vorfeld angekündigt – am Samstag und Sonntag mit mehreren Teams die Einhaltung der Corona-Regeln kontrolliert. „Natürlich können unsere Mitarbeiter nicht an jeder Stelle dauerhaft und gleichzeitig sein. Verkehrsordnungswidrigkeiten, wie das Behindern von Rettungswegen, wurden verfolgt“, so Kappen. Am Samstag hätten sich die Menschen weitestgehend noch an die Regeln der Corona-Schutzverordnung gehalten.

Am Sonntag jedoch habe es „einige Verstöße“ und „etliche Verwarnungen“ gegeben. Die Parkplätze waren am Sonntag völlig überfüllt. An Hotspots wie an den Skiliften waren Menschentrauben zu beobachten, die den Abstand, den die Verordnung vorsieht, nicht einhielten. Denn: Gaststätten sind auch in Winterberg im Lockdown geschlossen.

Tagestouristen sorgen für Chos in Winterberg

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Schneechaos in Winterberg mitten im Lockdown. 
Schneechaos in Winterberg mitten im Lockdown.  © Rita Maurer / Honorarpflichtig | Rita Maurer
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Das Chaos in Winterberg.
Das Chaos in Winterberg. © Rita Maurer / Honorarpflichtig | Rita Maurer
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Am Sonntag und am Montag sorgten tausende Tagestouristen für Chaos in Winterberg.
Am Sonntag und am Montag sorgten tausende Tagestouristen für Chaos in Winterberg.
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Notdurft einfach am Straßenrand entrichtet

Nicht zu akzeptieren sei, dass viele Besucher nicht die eigens geöffneten Toilettenanlagen genutzt hätten. Viele Tagestouristen entrichteten ihre Notdurft einfach am Straßenrand. Ebenfalls nicht zu akzeptieren sei, dass die verschneiten Straßen, auch in den Wohngebieten, zum Driften genutzt worden seien. Die Zuständigkeit dafür liegen jedoch bei der Polizei, die ebenfalls im Einsatz war. Die Polizei wurden zwölf derartige Verstöße gemeldet. In zwei Fällen traf sie Jugendliche an und es gab Ordnungswidrigkeitsanzeigen.

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Ein Konzept, wie derartige Situationen in den kommenden Tagen verhindert oder entschärft werden können, gab es am Montag noch nicht. „Wir stehen in Gesprächen mit Kreis und Land, um notwendige Maßnahmen abzustimmen“, hieß es. Sobald es konkrete Informationen gebe, werde eine Pressemitteilung herausgegeben.

Vorab könne die Stadt aber mitteilen, dass als kurzfristige Maßnahme ab sofort noch einmal das Ordnungsamt mit Mitarbeitern aus allen städtischen Betriebsteilen verstärkt worden sei. Damit seien nun noch einmal mehr Teams ab sofort im Einsatz, um die Regeln der Corona-Schutzverordnung zu überprüfen. Bürgermeister Michael Beckmann (CDU) kündigte am Dienstagmorgen auf WDR2 an, dass auch das Land vor dem Wochenende mit zusätzlichen Polizisten unterstütze.

Am Montag reisten erneut viele Tagestouristen an. Die Lage war weniger chaotisch als am Sonntag. Da über den Jahreswechsel weiter viele Menschen frei haben, könnten sich Szenen wie am vergangenen Wochenende wiederholen.

Ein wichtiges Ziel dürfte daher sein, Ausflügler davon abzuhalten, sich überhaupt ins Auto zu setzen und nach Winterberg zu kommen. Dafür nutzt die Stadt verschiedene Kanäle: Die Webseite ist umgestaltet worden – statt attraktiven Bildern aus der Tourismusregion ist auf der Startseite nur noch eine unspektakuläre, schneelose Wald-Aufnahme zu sehen. Über dem Hinweis "Weiterhin Pause – wir bleiben auf Standby" und einem Link zu den gesammelten Corona-Infos ist eine Tickermeldung eingefügt worden, die vor glatten, vollen Straßen und einer schwierigen Anreise warnt. Auch in den sozialen Medien bittet die Verwaltung darum, auf Ausflüge zu verzichten.

Bürgermeister Beckmann erneuerte den Appell am Dienstagmorgen im Interview mit WDR2: "Bleibt zu Hause!", sagte er in Richtung der Radiohörer. Es sei nicht verboten, nach Winterberg zu kommen, aber die Situation sei auch für die Menschen in seiner Stadt belastend: Die seien im Lockdown auch gehalten, zu Hause zu bleiben. Touristen seien "gerne später wieder" in Winterberg willkommen - "aber aktuell sind wir damit einfach überfordert".

Besucher hatten auch Skier und Schlitten dabei

Viele Besucher am Wochenende und Montag hatten auch Skier und Schlitten dabei. Die Liftbetreiber sähen jedoch keine Möglichkeit, die Situation zu lösen, sagte Susanne Schulten, Pressesprecherin des Skiliftkarussells Winterberg und der Wintersport-Arena Sauerland. Zum einen befänden sich die meisten Pistenflächen nicht im Eigentum der Liftbetreiber, deshalb sähen sich diese bei geschlossenem Betrieb nicht in der Verantwortung.

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Zum anderen sei es praktisch unmöglich, eine Sperrung auch wirksam durchzusetzen. Denn dazu sei sowohl die Zahl der Abfahrtsmöglichkeiten zu groß als auch die Rechtslage zu unsicher. In der derzeitigen Lage eine Äußerung zu treffen wie "Die Pisten sind gesperrt", wäre Schultens Ansicht nach daher eher symbolisch. "Das könnte sogar kontraproduktiv sein, da es in der Praxis nicht zu kontrollieren und zu sanktionieren ist." Aus Sicht der Liftbetreiber könnten diese daher derzeit nichts tun, außer an die Vernunft der Menschen zu appellieren. In Skifahrern und Rodlern sehe man zudem nicht den Hauptteil der Besucher. "Die meisten sind Spaziergänger."

>>> Appell der Polizei

Besuche rechtssicher einzuschränken ist nicht ohne Weiteres möglich. Die Freizügigkeit ist in Deutschland ein Grundrecht und erlaubt allen Deutschen, sich im gesamten Bundesgebiet frei zu bewegen. Eingeschränkt werden darf diese Freiheit nur durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes – und das ist wiederum nur aus ganz bestimmten Anlässen möglich. Zu diesen möglichen Anlässen gehört unter anderem die "Bekämpfung von Seuchengefahr". Bisher gibt es ein solches, auf die Corona-Pandemie bezogenes Gesetz aber weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Stattdessen wird der Umgang mit der Pandemie bislang über Verordnungen geregelt.

Kommunen verfügen auch über eigene Instrumente: Sie können, wenn Gründe vorliegen, über eine Allgemeinverfügung beispielsweise Betretungsverbote für bestimmte Bereiche ihres Stadtgebiets erlassen. Vereinzelt haben deutsche Städte das während der Corona-Pandemie getan – so sprach zum Beispiel Freiburg im Breisgau im März ein Betretungsverbot für öffentliche Orte aus. Ausnahmen waren genau festgelegt. Damit sollte verhindert werden, dass die damals im nahen Elsass sehr hohen Infektionszahlen auf das Stadtgebiet übergreifen.

Die Polizei richtete daher am Montag einen Appell an potenzielle Tagestouristen: „Fahrten nach Winterberg sind grundsätzlich erlaubt", sagt HSK-Polizeisprecher Sebastian Held. Das gelte auch im Corona-Lockdown. "Es kann sich aber Jeder fragen, ob es zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist, das zu tun."