Olsberg. Unsichere Perspektive, wirtschaftliche Schwierigkeiten, lahmgelegtes Kulturleben: Alles nicht einfach, aber „es wird weitergehen“.
Kein Adventskonzert, keine Weihnachts-Gala – auch der bisher angeblich nur leichte Lockdown machte die Herzen schwer. Das kulturelle Leben ist erstarrt.
Auf Bühnen, Kinoleinwänden und in Sälen bleibt es traurig leer. Konzertveranstalter Gisbert Kemmerling hat an dieser Stelle bereits erzählt, wie es ihm und seiner Branche geht. Kabarettistin Frieda Braun, alias Karin Berkenkopf, hat bewegende Worte an die Politik gerichtet und auch Brilons Kulturbüro-Leiter Thomas Mester, Robotman Oliver Kessler und Florian Hinxlage, Regisseur an der Freilichtbühne Hallenberg, haben deutlich gemacht, dass Kultur, wie wir sie gewohnt waren, an einem Scheideweg steht.
Heute kommt Davina Sauer-Wundling zu Wort. Sie ist Bühnentanzpädagogin und hat ein eigenes Studio in Olsberg.
Na gut, dann kann man halt nicht tanzen – mögen einige auf den ersten Blick meinen. Doch Bewegung zu Musik ist mehr als nur Freizeitbeschäftigung. Sie fehlt den vielen Menschen, die darin für sich eine Passion und einen Ausgleich gefunden haben. Nach dem ersten großen Lockdown konnte Davina Sauer-Wundling Ende Mai wieder mit dem Tanzunterricht starten. Noch jetzt sind auf dem Boden ihres Studios Quadrate abgeklebt. In ihnen durften sich die Kursteilnehmer/innen bewegen. Es gab ein Hygienekonzept, das u. a. verhindert, dass zu viele Personen auf einmal in der Tanzwerkstatt waren. Wie in den Schulen wurde regelmäßig gelüftet und Abstand zueinander gehalten. Aber das hilft jetzt alles nichts. Das Studio ist geschlossen.
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„Als es im Frühling wieder los ging, hatte ich echt ein bisschen Bammel, wie es wohl mit den Tanzquadraten sein würde. Aber erstens staunt man, wie viel Bewegung innerhalb eines zwei mal zwei Meter großen Quadrates möglich ist. Und zweitens waren wirklich alle sehr froh, überhaupt wieder gemeinsam tanzen zu dürfen.“ Die Tanzstunde an sich habe sich sehr schnell für alle wieder vertraut angefühlt. „Trotz aller Einschränkungen hatten wir gemeinsam eine wertvolle Zeit.“ Und dann kam der nächste Lockdown.
Wie geht die 43-Jährige damit um? „Aufgeben ist keine Option! Ich habe das Glück, dass die meisten meiner Teilnehmer/innen höchstwahrscheinlich wieder am Start sind, sobald wir erneut loslegen dürfen. Ich probiere in Kontakt zu bleiben, mache ein paar Stunden als Online-Unterricht und schicke jede Woche kleine Tanzvideos an die Kinder.“
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Aber zwischendurch keimen auch bei ihre Gedanken nach einer beruflichen Alternative auf: „Im Frühjahr, als total unklar war, wie lange die Schließung für mich noch dauern würde, hatte ich bereits Kontakt aufgenommen, um mich über einen Quereinstieg ins Lehramt zu informieren. An anderen Tagen sah ich mich eher Regale im Supermarkt einräumen. Irgendwie wird es aber weitergehen. Eine gewisse Kreativität, die wir ja berufsbedingt dabei haben sollten, hilft in dieser Situation bestimmt auch moralisch.“
Davina Sauer-Wundling ist optimistisch, dass es weitergeht. Irgendwie. „Viele Künstler haben in dieser Zeit alternative Wege gefunden, ihre Kunst zu veröffentlichen, Kunst und Kultur weiterhin einem Publikum zugänglich zu machen. Gerade im Frühjahr spürte man da eine große Kreativität, Mut und natürlich die Hoffnung, dass es bald weitergehen würde. Ich denke, dass diese ,aus der Not’ geborenen Outdoor- und Online-Optionen weiterhin bestehen bleiben, zusätzlich oder in Kombination zu den bisherigen Möglichkeiten. Wenn die Bedingungen bezüglich der Hygienemaßnahmen noch deutlich länger so bleiben wie aktuell, wird es aber sicherlich schwierig, wieder auf die Beine zu kommen.“
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Die Tanzpädagogin ist der Ansicht, dass Tanz- und Theatervorstellungen sowie Konzerte erstmal so weit subventioniert werden müssten, dass es für den Zuschauer überhaupt möglich bleibt, Kunst und Kultur live zu erleben - auch finanziell betrachtet. Denn wenn ein Saal nur zur Hälfte belegt werden darf, könnten Eintrittskarten ja nicht einfach das doppelte kosten. „Wenn dadurch Kultur als etwas Unbezahlbares Luxuriöses empfunden würde, gibt man sich am Ende doch mit seinem Netflix-Abo zufrieden, und holt sich alles aus der Konserve. Das wäre schlimm, für alle. Am Ende geht es auch hier um die Wertschätzung.“
Von der hat sie selber sehr viel aus ihrem beruflichen Umfeld erfahren. „Viele ihrer Teilnehmer/innen und Tanzfamilien sind ihr in dieser Zeit eine sehr wertvolle moralische Unterstützung. „Ich merke, wie wichtig das ist und bin dafür sehr dankbar. Von Seiten der Politik verlange ich noch nicht mal, dass sie im Einzelnen wissen, wie viele Arten künstlerischer Bildung angeboten werden. Und ich bin auch nicht beleidigt, dass nur wenige wissen, was genau man unter einem Studio für Bühnentanz versteht und dass man dieses erstmal unter dem Thema Sport laufen lässt. Aber selbst wenn ich mich in das riesige Feld der Kulturschaffenden einordne, habe ich den Eindruck, dass wir zu schnell in eine Schublade abgelegt wurden: Wir gehören zum Bereich Freizeit, die darf erstmal hintenan stehen. Vielleicht herrscht noch das Bild vor, dass wir alle vor allem etwas machen, was in der Regel Freude bereitet. Und die Arbeit hinter einer fertigen Produktion sieht man als Kulturkonsument nicht unbedingt, soll man ja auch gar nicht, das ist ja gerade das Faszinierende. Das bedeutet aber nicht, dass da auch keine Arbeit hinter steckt.“
Novemberhilfe in Anspruch nehmen
Für Davina Sauer-Wundling war der November der dritte Monat ohne den Einzug von Monatsbeiträgen bei ihren „Kunden“. Was sie an Videos und online anbiete, ist im Grunde „Service“. Es gibt einzelne Teilnehmer, die sie mit ihrem Beitrag auch trotz Schließung finanziell unterstützen würden, bzw. dies auch im Frühjahr getan haben, „aber in diesem Fall habe ich mich ganz klar dafür entschieden, die angekündigte Novemberhilfe in Anspruch zu nehmen.“ Irgendwie will sie den „Goodwill“ ihrer Teilnehmer/innen und Familien noch nicht verpulvern. „Mal sehen, wie ich es jetzt im Dezember machen werde. Schwieriges Thema...“
Mit Optimismus und großen Erwartungen blickt die Tanzpädagogin aufs nächste Jahr: Da steht – wie alle zwei Jahre – eine Gala auf dem Programm, bei der alle Kursteilnehmer ihr Können zeigen. „Unsere Vorstellung ist zum Glück erst wieder für nächstes Jahr im November geplant, aber auch da überlege ich natürlich jetzt schon, wie rein praktisch so eine Vorstellung mit so vielen Aktiven stattfinden kann. Ich betrachte es als Herausforderung... An den Quadraten habe ich ja schon erleben dürfen, wie kreativ einen Beschränkungen machen können.“
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Sie werde jetzt „einfach“ erstmal auf eine Vorstellung im November hin arbeiten. Absagen und verschieben könne man notfalls immer noch. „Man darf nicht in Schockstarre verfallen und plötzlich gar nichts mehr planen. Es wird irgendwie weitergehen. Es gilt beim Wiederstart auf jeden Fall, alle Kulturschaffenden dabei zu unterstützen, wieder in Aktion zu kommen, unkonventionelle Möglichkeiten zuzulassen, auf ihre Expertise zu vertrauen, denn das ist immerhin unser Job, und es wäre schön, wenn hier die Politik Menschen anhört, die vom Fach sind, denn nur dann können sinnvolle und durchführbare Entscheidungen getroffen werden, die unser kulturelles Leben wieder auf die Beine kommen lassen“.