Marsberg. Im Gebüsch am Bahnhof Marsberg verrichten immer häufiger Menschen ihre Notdurft. Es gibt keine öffentliche Toilette mehr. Das sorgt für Ärger.
Gerlind Ulrich (79) ist ratlos und sorgt sich. Immer wieder hat sie beobachtet, wie Menschen aus dem Gebüsch zwischen Bahnhof und Parkplatz links davor plötzlich erscheinen oder sich dorthin zurückziehen. Besonders in den Abendstunden. Sie vermutet, dass sie dort im Schutz der Büsche ihre Notdurft verrichten. Für sie ist es nicht verwunderlich, wie sie gegenüber der WP sagt. Weil es dort keine öffentliche Toilette mehr gibt.
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„Was ist, wenn jemand abends mit dem Zug am Bahnhof ankommt und plötzlich eine Toilette aufsuchen muss?“, macht sich die ehemalige Ratsfrau und Vorsitzende der Bürgerhilfe Marsberg berechtigterweise Gedanken.
Grünanlagengehören zur Hälfte der Bahn und zur Hälfte der Stadt
Aber nicht nur Reisende, sondern vielleicht auch andere Menschen, die sich in den Abend- und Nachtstunden am Bahnhof aufhalten, könnten das Gebüsch missbrauchen, um sich dort zu erleichtern. Regelrechte Trampelpfade sind inzwischen in dem Bereich entstanden. Fäkalreste und zurückgelassenes verrottende Papiertaschentücher in Hülle und Fülle lassen vermuten, dass Gerlind Ulrich mit ihrer Vermutung richtig liegen könnte.
Ganz abgesehen von der Verunreinigung öffentlicher Plätze hat es für sie auch etwas mit Würde zu tun, wie sie sagt, „wenn Menschen sich ins Gebüsch setzen müssen, um ihrem Geschäft nachzugehen.“ Sie beklagt, dass es an der Stelle keine öffentliche Toilette mehr gibt.
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„Das Problem ist in dem Ausmaß nicht bekannt“, sagt Ordnungsamtsleiter Michael Martin auf Nachfrage der WP.
Die Grünanlagen vor dem Bahnhof gehören zur Hälfte der Bahn und zur Hälfte der Stadt“, so Christof Wiegelmann vom städtischen Bauamt. Mitarbeiter des Betriebshofes würden dort regelmäßig saubermachen.
Michael Martin und er verweisen auf die Pläne des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), der den Bahnhof barrierefrei umgestalten möchte. Gleichzeitig soll vor dem Bahnhof ein Zentraler Omnisbusbahnhof (ZOB) entstehen. Wie berichtet, wurden die Pläne dem Stadtrat in seiner Sitzung im Juli vorgestellt. Die Flächen vor dem Bahnhof würden dann umgestaltet. Ein öffentliches WC ist mit eingeplant. Die Kosten für die Bahnhofsumgestaltung trägt der NWL. Bauherr des Omnibusbahnhofes wäre die Stadt.
Momentan werden die Kosten ermittelt. Wenn sie vorliegen, soll entschieden werden, ob die Baumaßnahmen im kommen Jahr umgesetzt werden.
„Nette Toilette“
Öffentliche Toiletten in Form von eigenen Gebäuden gibt es in Marsberg nicht mehr. Die am Bahnhof wurde vor Jahren abgerissen, weil die Stadt schlechte Erfahrungen damit gemacht hatte.
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Die Lücke füllen sechs Händler und Gastronomen mit der Aktion „Nette Toilette“. Sie stellen Bürgern und Gästen ihre Toiletten während der Öffnungszeiten kostenlos zur Verfügung. Ein Aufkleber macht darauf aufmerksam. Daran beteiligen sich die Cafes NO“H“AH und „Zum Bleichhaus“, das Magnus-Cafe, die Eiscafes „Venezia“ in der Hauptstraße und „Legende“ am Burghof und der Förderverein Historisches Obermarsberg. Er bietet eine öffentliche Toilette hinter der Nikolaikirche an.
Die Toiletten im Bürgerhaus stehen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Aber nur während der Wochenmärkte mittwochs- und samstagvormittags, wenn Kurse im Bürgerhaus laufen oder zum Allerheiligenmarkt.
„Öffnungszeiten am Fahrkartenschalter am Bahnhof bitte verlängern“
Wildpinkeln ist verboten
Urinieren in der Öffentlichkeit wird umgangssprachlich und im Bußgeldkatalog als Wildpinkeln bezeichnet und kann empfindliche Strafen nach sich ziehen, wenn der- oder diejenige denn erwischt werden.
Wildpinkeln ist verboten und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. „Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen”, heißt der Gesetzestext dazu.
Wie hoch das Bußgeld für die begangene Ordnungswidrigkeit ist, entscheiden die Kommunen selbst.
Gerlind Ulrich sorgt sich nicht nur um die Bereitstellung von öffentlichen Toiletten in der Innenstadt, sondern auch um den Fahrkartenschalter im Bahnhof Marsberg. Wegen Corona ist er seit März nur noch einmal die Woche, mittwochs von 9.05 Uhr bis 12.45 Uhr geöffnet. „Das ist viel zu wenig“, sagt sie. Besonders ältere Leute, die sich mit den Angeboten der Bahn im Internet nicht auskennen würden, wären davon am meisten betroffen. In deren Sinn setzt sie sich dafür ein, dass die Öffnungszeiten wieder ausgeweitet werden.
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Betrieben wird der Fahrkartenschalter im Bahnhof Marsberg vom Reisebüro Velmer aus Werl. Neben dem Marsberger Schalter, verkauft das Reisebüro auch in den Bahnhöfen Werl, Iserlohn, Meschede, Ahlen und Geseke Fahrkarten. Der Seniorenbeirat der Stadt hatte sich seinerzeit dafür eingesetzt, dass der Schalter am Bahnhof Marsberg erhalten bleibt
Testweise verlängern
„Wir befinden uns momentan noch in Kurzarbeit“, macht Andreas Melon vom Reisebüro Velmer in Werl auf Anfrage der WP keine Hoffnung darauf, dass die Öffnungszeiten in Marsberg vorerst wieder ausgeweitet werden. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, sagt er. Der Umsatz in Marsberg sei durch Corona um 85 Prozent zurückgegangen. Schon vorher hätten die Umsatzzahlen längst nicht mehr gestimmt. Aber geplant sei, demnächst die Öffnungszeiten am Bahnhof Marsberg testweise wieder zu verlängern. Andreas Melon: „Mal schauen, wie sich der Umsatz dann entwickelt.“
Helfen würde eine städtische Unterstützung, klagt er an. Diesbezüglich hätte er vor Corona schon einmal bei der Stadt angefragt und eine Absage erhalten.
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„Ja“, sagt Michael Schröder, Geschäftsführerin Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung Marsberg, auf Nachfrage der WP. „Der privatwirtschaftliche Betreiber der DB Reise- und Informationsagentur in Marsberg wandte sich vor einigen Wochen an die Stadt Marsberg mit der Bitte um Unterstützung.“ Die Corona-Pandemie habe die gesamte Reisebranche durch Reisebeschränkungen und rückläufiger Kundennachfragen mit starken Umsatzeinbußen schwer getroffen. „So wichtig das Angebot für ratsuchende Bürger und Reisende sein mag, so gern wir es vorhalten würden“, so Michaela Schröder weiter, „die Stadt Marsberg darf ein gewinnorientiertes Privatunternehmen finanziell nicht subventionieren. Gleichwohl werden alternative Unterstützungsmöglichkeiten geprüft.“