Brilon. Dr. Marc Garbrecht ist Chefarzt am Maria Hilf Brilon. Er warnt vor Leichtsinn und Mythen in der Coronakrise und blickt mit Sorge auf den Herbst.

Dr. Marc Garbrecht ist Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie am Krankenhaus Maria-Hilf in Brilon. Seit Beginn der Corona-Pandemie im HSK muss er sich als Mediziner mit dem Coronavirus und seinen Folgen auseinandersetzen.

Im Interview mit der WP erläutert der Mediziner, was er über SARS-CoV-2 und Covid-19 in den vergangenen Monaten gelernt hat und welche Folgerungen er daraus zieht.

Seit rund einem halben Jahr beschäftigt uns die Corona-Pandemie auch im HSK. Was haben Sie als behandelnder Arzt in dieser Zeit über das Virus gelernt?

Bemerkenswert ist, dass der HSK bei weitem nicht so stark von der Pandemiebetroffen ist wie Regionen mit Ballungsgebieten und hoher Bevölkerungsdichte. Damit haben gerade ländliche Regionen unter Einhaltung der Corona-Regeln einen klaren Vorteil. Im Moment steigen zwar die Infektionszahlen deutschlandweit wieder an, aber es werden im Vergleich zum Frühjahr weniger schwere Verläufe erfasst.

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Das liegt nicht daran dass das Virus weniger gefährlich oder infektiös ist, sondern gerade ältere Menschen und Hochrisikogruppen durch die aktuellen Vorgaben und Regelungen besser geschützt sind. Auf der anderen Seite durch wiederum Lockerung der Corona-Regeln mehr Freiheitsgrade entstehen, wo sich gerade jüngere Menschen wieder in größeren Gruppen treffen. Bestes Beispiel sind Infektionscluster durch große Familienfeiern und Partys.

 Dr. med. Marc Garbrecht  ist Chefarzt  am Städtischen Krankenhaus Maria-Hilf Brilon.
Dr. med. Marc Garbrecht ist Chefarzt am Städtischen Krankenhaus Maria-Hilf Brilon. © WP

Die Rufe nach Lockerungen werden lauter. In Großstädten gehen Menschen auf die Straße und fordern ein Ende aller Corona-Auflagen. Wie denken Sie darüber?

Der Ruf nach weiteren Lockerungen ist in gewisser Weise verständlich. Jeder wünscht sich die Normalität zurück. Und gerade in Großstädten wo Menschen dicht an dicht nebeneinander Leben, Abstände in überfüllten U-Bahnstationen kaum einzuhalten sind.

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Dazu noch die Maskenpflicht, die für viele Menschen das tragen über den gesamten Tag bedeutet und man nicht die möglich hat sich im Grünen aufzuhalten, mal kurz mit dem Rad eine Runde im Wald zu drehen – ist eben mit Protest zu rechnen.

Wie viele Covid-19-Fälle wurden bislang im Maria-Hilf behandelt und wie waren die Verläufe?

Seit Beginn der Pandemie wurden zehn Patienten stationär behandelt. Davon acht Patienten mit leichten und milden Verläufen, zwei Patienten mit schwerem Verlauf.

Hat sich der Zusammenschluss des „Corona-Zentrums Hochsauerland Süd/Ost“ bewährt?

Das Corona-Zentrum hat sich trotz der geringen Zahl behandelter Patienten bewährt. Verlegungen von Patienten und Unterstützung bei der Versorgung mit Schutzausrüstung gingen schnell und unbürokratisch vonstatten. Unabhängig davon hat der Zusammenschluss dazu beigetragen mehr an das miteinander zu denken als nur der Konkurrenzgedanke.

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Das ist nicht nur wichtig in Zeiten einer Pandemie, sondern auch in Zukunft wenn es darum geht das kleinere Krankenhäuser in ländlichen Regionen für die kommende Krankenhausplanung NRW gut gewappnet sind. Hier zählt der Kooperationsgedanke!

Gibt es Fortschritte bei der Behandlung von Patienten im Vergleich zum Frühjahr?

Studien zur Erforschung des Coronavirus, zur Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Das ist auch gut so. In allen Bereichen sind aktuell sehr gute Fortschritte zu verzeichnen. Die Zulassung eines antiviralen Wirkstoffs, eine spezielle steroidale Therapie bei schweren Verläufen beatmeter Patienten usw.. Und nicht zuletzt auch neue Erkenntnisse wie sich das Virus im menschlichen Körper ausbreitet und welche Eintrittspforten es benutzt um nicht nur die Lunge, sondern auch Herz und Hirn sowie andere innere Organe zu befallen.

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Hierbei haben Autopsien eine Schlüsselfunktion. Neuste Daten zeigen das bei drei Viertel der Patienten mit Covid-19, Covid-19 die alleinige Todesursache war. Das heißt, der Großteil der Patienten stirbt nicht mit sondern an Covid-19.

Was wissen Sie über Folgeerkrankungen von Patienten, bei denen Covid-19 nachgewiesen wurde?

Berichtet wird über Symptome wie anhaltende Luftnot, allgemeine Erschöpfung, Lungenembolien und neurologischen Störungen. Dies sind Spätfolgen der Erkrankung, da das Virus wie schon gesagt auch andere Organe im Körper befällt und Schäden zurückbleiben können. SARS-CoV-2 kann an verschiedene Rezeptoren als Eintrittspforte an Organen andocken. So auch an die olfaktorischen Zellen – diese dienen als „Strickleiter“ ins Gehirn. Das erklärt beispielsweise auch den Geruchsverlust, der bei vielen Patienten auftritt und einen langen Zeitraum anhalten kann.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Herbst und den Winter im Hinblick auf die Pandemie?

Eher besorgt als gelassen. Die größte Schwierigkeit wird darin liegen, zwischen Läusen und Flöhen zu unterscheiden.

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Die saisonale Grippewelle steht bevor. Bei leichten und milden Verläufen von Covid19 ohne weitere Begleiterscheinungen wie z.b. Geruchs- und Geschmacksverlust wird die Differenzierung schwierig bis unmöglich. Und Jeden mit Schnupfen und Husten zu testen, würde die Testkapazitäten an Ihre Grenzen bringen. Ich hoffe in den kommenden Wochen auf weitere Erkenntnisse in der Erforschung des Virus, um eine tragbare und rationale Lösung für die gesamte Bevölkerung im Hinblick auf die kommende Herbst/Winterzeit parat zu haben.